Bischofsnadel mit Blick auf den Dom.
Eine kolorierte Ansichtskarte, 1906.
Quelle: Private Leihgabe

Die Wall-Story (2): vom Bischofstor zum Ostertor

Im vorhergegangenen Bericht waren wir bei unserer Wanderung vom Herdentor zum Bischofstor gelangt. Nun folgt der Teil vom Bischofstor zum Ostertor. Bei der Bischofsnadel wollen wir verweilen und noch weiter auf die Entwicklung der Stadt eingehen.

Bremen wird zur Festung ausgebaut

Die Altstadt von Bremen hat einen birnenförmigen Aufriss. Im Mittelalter war sie landseitig nur von einer Stadtmauer umgeben. Als die Reichweite der Waffen immer größer wurde, legte man vor der Stadtmauer noch einen Bastionenkranz mit einem Wall und Wassergraben an. Die Arbeiten begannen 1599 und dauerten auf der Neustadt- und Altstadtseite bis 1664. Die Altstadt bekam fünf Tore durch den Wall, die Neustadt zwei. Bremen war damit eine Festung.

Die Bischofsnadel (Nadel oder Nadtel bedeutet Nadelöhr) war ein Durchlass durch die Stadtmauer, der vom Dombezirk genutzt wurde. Mit dem Bau des Verteidigungswalles mit seinen Bastionen schloss sich auch die Bischofsnadel. Nur der Name blieb erhalten.

Bremen wird entfestigt

Nach der vom Rat der Stadt 1802 beschlossenen Entfestigung der Stadt und der Bauvorschrift von 1804 konnten alle Häuser Am Wall vom Stephanitor bis Ostertor für die Häuser 1 bis 200 und darüber hinaus bis zum Altenwall 1 bis 18 individuell gestaltet werden. Trotzdem machte das Straßenbild einen einheitlichen Charakter.

Grundriss der Freien Hansestadt Bremen:
die Altstadt hat einen birnenförmigen Aufriss.
Quelle: Lithografie von G. Hunckel, 1844

Mit der Entfestigung einher ging jedoch die Erweiterung der sogenannten Torsperre. Dafür ließ die Stadt weitere Torhäuser bauen: das Ostertor, das Ansgaritor und das Doventor. Die Tore wurden nachts verschlossen, nur gegen eine Gebühr konnte man in die Altstadt (übrigens gab es auch zwei Tore in der Neustadt) hinein- oder hinauskommen. Dieser Umstände waren die Bürger mit der Zeit überdrüssig, und der Rat ließ die Torsperre 1848 aufheben.

Zusätzlich zu den bereits erwähnten Toren wurde auch das Bischofstor errichtet. Es bekam eine Brücke über den Wallgraben, ein Wachhäuschen und vor allem ein mächtiges Tor. Diese Ausstattung ist heute noch vorhanden. Allerdings ohne dass wir nächtens eine Maut bezahlen müssen. Die Bischofsnadel erhielt 1969 einen Fußgängertunnel zu den Wallanlagen hin. Im Tunnel selbst sind Einzelhandel, Dienstleister und Gastronomiebetriebe vertreten.

Die Wallanlagen im Bereich der Bischofsnadel-Bastion im 19. Jahrhundert.
Blick von der Contrescarpe-Seite über das Bischofstor Richtung des ehemaligen Stadttheaters.
Quelle: Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens, Rudolf Stein, Hauschild, 1964

Von der Bischofsnadel zum Ostertor

Am Wall 173

Heute gibt es Am Wall nur noch ein Haus von der ursprünglichen Bebauung, und zwar die Nummer 173.

Am Wall 175 bis 177

Hier liegt die Wiege des Hotels Schaper Siedenburg an der Bahnhofstraße. Es war Karl Siedenburg, der 1850 das Haus Am Wall 148 erwarb und dort eine Gaststätte einrichtete. Das war die richtige Lage, denn genau gegenüber war 1843 das Bremer Stadttheater entstanden. Karl Siedenburg sah darin seine Chance, kaufte mit der Zeit weitere Häuser auf, ließ diese abreißen und auf den Grundstücken entstand das Hotel Siedenburg. Es hatte zwei Eingänge: einen für das Hotel und einen für den Kaffeehaus- und Restaurationsbetrieb. Später gab Siedenburg das Hotel Am Wall auf, es wurde abgerissen. Siedenburg eröffnete ein neues Hotel an der Bahnhofstraße.

1911/12 wurde das Geschäftshaus Stallmann & Harder, Geschäft für edle Stoffe, nach Entwürfen des Bremer Architektenbüros Behrens & Neumark auf dem Grundstück des abgerissenen Hotels Siedenburg errichtet. Von 1937 bis 1989 zeigten die Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk ihre Handwerkskunst. Das Haus mit seinen sehenswerten Baudetails steht seit 1992 unter Denkmalschutz.

Das Hotel Siedenburg am Wall.
Quelle: Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens, Rudolf Stein, Hauschild, 1964

Am Wall 197/198: Justizzentrum und Am Wall 199 Büros

Die Fassaden blieben stehen und die dahinter liegenden Gebäude abgerissen. Danach entstand hinter den historischen Fassaden ein Neubau.

Am Wall 200: Polizeirevier des Stadtteils Mitte

Am Wall 201: Das ehemalige Polizeihaus

Aus der Geschichte: 1835 baute die Union, ein 1795 gegründeter Klub junger Kaufleute, ihr Clubhaus Am Wall an der Ecke zur Ostertorstraße. Zum Bau des Neuen Rathauses musste die Polizei aus dem alten Stadthaus weichen. Die Eckhäuser Am Wall wurden 1905 abgerissen. Damit war der Weg frei für das von 1906 bis 1908 errichtete neue Polizeigebäude. Das Gebäude mit seinen trutzigen Außenmauern hatte zwei hohe Blendgiebel an der Fassade zum Ostertor, sie sind nicht mehr erhalten. 1999 zog die Polizei aus. Nach einem Umbau in den Jahren 2003/04 befindet sich hier heute das Wall-Forum. Es beherbergt unter anderem verschiedene Gerichte, die Stadtbibliothek, Geschäfte und Gaststätten, sowie das Polizeirevier des Stadtteils Mitte.

Damit ist unser kleiner Gang an der Straße Am Wall vom Herdentor über das Bischofstor bis zum Ostertor abgeschlossen. Allen die mich auf diesem Gang begleitet haben, sage ich meinen herzlichen Dank.

PS: Die Fachgeschäfte an der mit Glas überdachten Wallpromenade laden auch bei Schmuddelwetter zum Schaufensterbummel ein.

von Peter Strotmann

Kolorierte Ansichtskarte aus dem Jahre 1910. Sie zeigt das von 1906 bis 1908 entstandene Polizeihaus Am Wall 201.
Quelle: Private Leihgabe

75 Jahre Kriegsende

Neuanfang nach der Diktatur

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, lag Bremen größtenteils in Trümmern: Die dritte Ausgabe des ­Magazins WK | Geschichte schildert das allgegenwärtige Elend und die Sorgen der Bevölkerung. Es zeigt aber auch die ersten Schritte Richtung Zukunft auf – die Stadt unter der US-Flagge, die ersten Wahlen und die Verteidigung der Selbstständigkeit des Landes Bremens.

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