Die Straße Am Wall 127 bis 135 in Bremen, zwischen Ansgaritor und Herdentor gelegen. Dank einheitlicher Bauvorschriften wird es auch zwischen dem Herdentor und Ostertor ähnlich ausgesehen haben. Aquarell von Friedrich Schad aus dem Jahre 1848.
Quelle: Wikimedia

Eine Wanderung durch die Geschichte (1): „Am Wall“ vom Herdentor zum Ostertor

Wir wollen einen Bereich der Straße Am Wall erkunden: Unser Gang führt vom Herdentor über die Bischofsnadel zum Ostertor. Das sind nur ein paar hundert Meter. Hier gab und gibt es immer noch eine geballte Anzahl von Geschäften. Das sah jahrhundertelang nicht danach aus, denn Bremen hatte nicht nur eine Stadtmauer, sondern auch noch einen Wall. Dieser umschloss die Altstadt von der Steffensstadt bis zum Altenwall. 1802 erkannte der Rat der Stadt, dass es besser sei, Bremen von einer Festung zur offenen Stadt zu machen.

Gesagt, getan. Seinerzeit war man ganz schnell bei der Sache.

Schon 1804 gab es Vorschriften zum Bau der Häuser. Die Straßen Am Wall und der Altenwall wurden in etwa sieben bis acht Meter von der Stadtmauer angelegt. Den Verteidigungswall mit seinem Stadtgraben, den Bastionen und Toren zu einem Park umzugestalten, wurde nach Plänen von Isaak Altmann in Angriff genommen.

Doch bevor es so richtig losging, musste erst noch die Besatzung durch Napoleons Truppen, die von 1811 bis 1814 dauerte, überstanden sein. Danach wurde in dieser bevorzugten Lage ein Haus nach dem nächsten gebaut. Trotzdem sollte es noch 30 Jahre dauern, bis alle Grundstücke mit Wohnhäusern bebaut und die Wallanlagen fertig waren.

Am Wall wandelt sich von der Wohn- zur Geschäftsstraße

Am Wall 148 im Jahre 2017.
Foto: Peter Strotmann

Mitte der 1850er Jahre erkannte man, dass der Mensch nicht vom Schönen allein leben kann, sondern es auch neuer Geschäfte bedurfte. Besonders in den sogenannten Laufgegenden wurden im Erdgeschoss Ladengeschäfte mit großen Fensterscheiben eingerichtet.

Ein überaus beliebtes Stück der Straße Am Wall war der bereits zu Anfang erwähnte Abschnitt vom Herdentor über die Bischofsnadel zum Ostertor. Zu allen Zeiten ist es hier zu baulichen Veränderungen gekommen. Den größten Schub hat es freilich durch die Neubauten gegeben, die anstelle der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bausubstanz entstanden sind.

Doch warum der Wandel?

Am Herdentor wird es zuerst der 1847 errichtete Hannoversche Bahnhof der Bahnlinie Bremen-Wunstorf gewesen sein. Dann folgte eine riesige Anzahl Auswanderer, die vom Norddeutschen Lloyd über Bremen abgefertigt wurden. Auch der neue, 1889 fertiggestellte Hauptbahnhof mit dem erweiterten Streckennetz der Eisenbahn brachte Besucher in die Stadt.

Die Straßenbahn, erst mit Pferden, dann elektrisch betrieben, machte die Menschen in den Vorstädten und der Neustadt mobiler. Die starke Bautätigkeit während der Kaiserzeit setzte natürlich Wünsche für eine schöne Heimausstattung frei. Ganz entscheidend war jedoch die Aufhebung der Torsperre im Jahre 1848. Davon wird später mehr berichtet.

Borgward zeigte sich im Ausstellungssalon am Wall.
Quelle: Anzeige im Weser-Kurier vom 19.11.1952

Vom Herdentor zum Bischofstor

Das Gebäude auf der rechten Seite, erbaut 1896/97, hat die Adresse Am Wall 143/144. Es hat einen aufwendig gestalteten Turmaufbau. Die Silberwarenfabrik Wilkens & Söhne hatte dort bis 1931 ihre Verkaufsräume. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zog die Firma Photo Brockshus ein, die dort heute noch ihre Geschäftsräume hat.

In der Mitte der Ansichtskarte zeigt sich die Gebäudeecke des Hauses Sögestraße/Ecke Schüssselkorb, im Bombenkrieg wurde es zerstört. Im Neubau residieren heute die Firmen Wempe und Wormland.

Das Haus auf der linken Seite (erbaut 1880) – ehemals Am Wall 145, heute Sögestraße 59/61 – gehörte der Loge Friedrich Wilhelm zur Eintracht. Im Erdgeschoss waren Verkaufsläden. Auch dieses Haus überstand die Luftangriffe nicht. 1951 entstand dort das Haus der Allianz-Versicherung (Eingang Am Wall 146), das heute unter Denkmalschutz steht. Im Erdgeschoss befindet sich seit 1987 bis heute das swb-Kundenzentrum.

Ein besonderes Ensemble: (von rechts) die Häuser Am Wall 165, 166, 167 und 168.
Quelle: Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens, Band I, Rudolf Stein, Hauschild 1964

Vom Herdentor zum Wall

Vom swb-Kundenzentrum bis zur Bischofsnadel sind durchgehend in allen Häuser Verkaufsläden untergebracht. Bedauerlicherweise wurde der gewohnte Anblick 2015 durch den Brand des Harms-Modehauses (Am Wall 158-161), das auch die Nachbarhäuser in Mitleidenschaft zog, erheblich gestört.

Das traditionsreiche Pelzgeschäft von Hugo Köppe, Am Wall 147, hat seit einigen Jahren geschlossen. In die unteren Geschäftsräumen ist Windsor, ein Herrenausstatter, eingezogen.

Am Wall 148 (Baujahr 1915) steht unter Denkmalschutz. Das Landesamt für Denkmalschutz schreibt, dass der Architekt eine sicher proportionierte und selbstbewusst hervortretende Geschäftshausfassade geschaffen habe.

Am Wall 165 nach dem Umbau von 1864.
Quelle: Landesamt für Denkmalpflege

Am Wall 153/156: Es handelt sich um den Wiederaufbau des ehemaligen Geschäftshauses der Securitas Versicherung. Bereits am 1. September 1950 zogen in die unteren Geschäftsräume unter anderem ein: das Porzellanfachgeschäft D.F. Rabe & Co. und, man wird es nicht glauben: die Borgward Verkaufsgesellschaft und das Goliath-Verkaufsbüro mit einem Ausstellungssalon. In diesem Gebäude mit seiner edlen Fassade präsentierte Borgward seine neuesten Automobile.

Am Wall 164: Nach Plänen des Architekten Olaf Dinné wurde das Haus aus der Zeit des Historismus Ende der 1960er Jahre umgebaut. Es hat in den unteren Etagen eine Anzahl Geschäfte.

Ein Ensemble der besonderen Art: Am Wall 165 bis 168

Am Wall 165

Exemplarisch für andere Häuser soll hier die Geschichte des Hauses Am Wall 165 dargestellt werden.

Auf dem Grundstück Am Wall 165 wurde im Jahre 1820 ein Neubau errichtet. 1850 übernahm Christian Baldewein das Haus als Eigentümer. Er hatte 1859 eine Klempnerei gegründet. 1864 stockte er das Haus auf und veränderte es wesentlich. Unter anderen bekam das Haus einen Laden mit Schaufenstern. Jahre später firmierte das Unternehmen unter Chr. Baldewein & Sohn als Metallwarenfabrik. Diese fertigte auch Leuchten für die neu gebauten Schiffe der Bremer Reeder an.

Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ging das Haus in Schutt und Asche auf. 1955 ließ die Nürnberger Lebensversicherungs AG das sogenannte “Nürnberger Haus“ auf den Grundstücken 165-167 bauen. In diesen Neubau zog die 1945 gegründete Firma Schmidt & Auffurth ein: Geschäftsbereich Raumleuchten und Elektroanlagen.

Die Fabrik L.A. Riedinger stellte Beleuchtungskörper für Gas und Elektro her.
Sie hatte bei Chr. Baldewein & Sohn ein Musterlager.
Quelle: Anzeige in der Zeitschrift für Architektur und Kunsthandwerk, 1900

1972 gab die Firma ihren Betrieb auf und Prediger-Leuchten zog in die Geschäftsräume ein. Dort war es bis in die 2000er Jahre hinein ansässig. „Licht am Wall“, die danach einzog und noch heute am Wall 165 ihre Verkaufsräume hat, ist am traditionellen Standort eine weitere Firma im Bereich Leuchten.

Damit ist am Standort Am Wall 165 eine mindestens 150-jährige Geschichte im Bereich Leuchten nachgewiesen.

Am Wall 166 und 167

Das nächste Haus in der Vierer-Ansicht ist Am Wall 166/167. Der erste Bau Am Wall 166 entstand 1825, er erhielt 1858 Schaufenster im Erdgeschoss. Das kleine Gebäude Am Wall 167 wurde 1805 erbaut und 1872 durch einen Neubau ersetzt. Der Auslöser war die Gründung der von Karsten Mende gegründeten Zigarrenfabrik. 1907 erweiterte er sein Geschäft und nahm noch das Haus Am Wall 166 hinzu. 1971 konnte das Unternehmen im nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebauten Haus sein 100-jähriges Jubiläum feiern. Heute residiert hier das Bettenhaus Uwe Heintzen.

Am Wall 168

Das Eckhaus zur Bischofsnadel Am Wall 168 wurde 1825 erbaut und 1875 durch den Einbau eines Ladengeschäftes erheblich verändert. Dort fand der Verkauf von Billetts für das Stadttheater statt. Auch dieses Haus wurde ein Opfer des Zweiten Weltkriegs. Heute befindet sich dort das Einrichtungshaus Ligne Roset.

Damit sind wird wir an der Bischofsnadel angelangt.

Im zweiten Teil folgt der Abschnitt von der Bischofsnadel bis zum Ostertor.

von Peter Strotmann

Blick in die Sögestraße, um 1905: Herdentorsteinweg/Am Wall.
Auf dieser kolorierten Ansichtskarte haben wir den Blick vom Herdentorsteinweg in die Sögestraße hinein. An dieser Straßenecke ist die Erstbebauung einigen Großbauten gewichen.
Quelle: Private Leihgabe

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

Jetzt bestellen