Vor 70 Jahren: Gründung der Treuhandgesellschaft für Wohnungsbau m. b. H.

Fünf Jahre nach Kriegsende lag der Wohnungsbau in der Hansestadt immer noch weitgehend brach, obwohl durch die Luftangriffe rund 50 Prozent des Wohnungsbestands zerstört war. Überbelegte Bremer Häuser und die später „Kaisenhäuser“ genannten Notwohnungen in Kleingartengebieten waren die Folgen. In vielen Straßen mit zerstörten Bremer Häusern hatten sich Hausbesitzer zu Aufbaugemeinschaften zusammengeschlossen, die mit der schon 1945 gegründeten „Wiederaufbaugemeinschaft Bremen“ – später „Aufbaugemeinschaft Bremen“ genannt – ein gesamtstädtisches Interessenorgan besaßen. Von eben dieser Aufbaugemeinschaft Bremen ging die Initiative für der Gründung der kurz „Bremer Treuhand“ genannten Wohnungsbaugesellschaft im Juni 1950 aus.

Die Gesellschaft hatte sich das Ziel gesetzt, „den Wiederaufbau der bremischen Eigenhausbezirke zu fördern“. Schon bald entstanden mit ihrer Hilfe in vielen Stadtteilen ganze Straßenzüge mit Bremer Häusern auf den Parzellen der alten Häuser neu – ein wichtiger Beitrag zur Minderung der Wohnungsnot und zum Erhalt des typischen Bremer Stadtbildes.

Doch zeigte sich, dass mit diesen punktuellen Reparaturen die Wohnungsnot Bremens aufgrund einer stetig wachsenden Einwohnerzahl nicht zu beheben war. Bei größeren zerstörten Flächen wie im Bremer Westen stellte sich zudem die Frage, wie sinnvoll ein Wiederaufbau der alten Straßenstruktur mit den typischen Bremer Reihenhäusern sei. Schon vor dem Krieg hatte sich gezeigt, dass vor allem in den Arbeiterbezirken diese Häuser überbelegt waren und als verkappte Mietshäuser genutzt wurden.

Ein Mietwohnungsprojekt der Treuhand: „Wohlers Eichen“ in Oslebshausen.
Quelle: bremer zentrum für baukultur (b.zb)

Deshalb setzte die Gewoba, die andere Wohnungsbaugesellschaft, die mit dem Neuaufbau nach dem Krieg groß wurde, konsequent auf Mietwohnungsbau. In der Frage der Wohntypologie blieb sich die Treuhand aber zunächst schon aufgrund ihrer satzungsmäßigen und ideologischen Ausrichtung auf das „Eigenhaus“ konsequent treu, auch wenn das Etagenhaus mit Eigentumswohnungen neu ins Programm aufgenommen wurde. Erstes prominentes Beispiel für eine Mischung dieser beiden Haustypen war das von der Treuhand ab Mitte der 1950er-Jahre gebaute neue Stephaniviertel.

Neue Tätigkeit am Stadtrand

Nachdem die meisten Lücken in den alten Stadtteilen geschlossen waren, verlegte die Treuhand ihre Tätigkeit in die neuen Siedlungen, die ab 1956 am Stadtrand entstanden. In diesem Jahr war das „Gesetz zur Behebung der Wohnungsnot im Lande Bremen“ verabschiedet worden, das neben dem Mietwohnungsbau auch den Bau von Eigenheimen und Eigentumswohnungen förderte. Nicht zuletzt im Zuge dieses Programms hatte sich die Bremer Treuhand bald zur zweitgrößten lokalen Wohnungsbaugesellschaft hinter der Gewoba entwickelt. 1960 bezog sie ein neues Verwaltungsgebäude am Domshof, das anstelle des abgerissenen spätbarocken Caesarschen Hauses entstanden war. Wie bei der vor allem im geförderten Wohnungsbau tätigen Konkurrentin Gewoba, die geschäftlich eng mit der Hamburger Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat verwoben war und ab 1967 „Neue Heimat Bremen“ hieß, setzte das rasche Wachstum auf dem letztlich nicht grenzenlosen Wohnbaumarkt auch bei der Treuhand eine Entwicklung zu wirtschaftlichen Verflechtung mit anderen, auch nichtbremischen Unternehmen sowie eine Suche nach neuen Aufgabenfeldern in Gang.

Zwar war die Gesellschaft immer noch mit Typeneigenheimen, die Namen wie „Sigrid“ oder „Karin“ (nach den Vornamen der Architektengattinnen ausgewählt) trugen, in ihrem Kerngeschäft tätig. Doch schon in den 1950er-Jahren hatte sich die Treuhand mit anderen Wohnbaugesellschaften geschäftlich verflochten, etwa mit der in Bremen-Nord tätigen „Nordbremischen Gesellschaft für Wohnungsbau“ oder der in Berlin ansässigen „Deutsches Heim Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft“.

Mit der Großwohnanlage Grohner Düne verließ die Treuhand den Markt der eigenen vier Wände und stieg in den Mietwohnungsbau ein. 
Quelle: bremer zentrum für baukultur (b.zb)

Zug um Zug entwickelte sich die Bremer Treuhand zu einer überregional tätigen Unternehmensgruppe, die Mitte der 1970er-Jahre schließlich aus rund 15 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften bestand. Typisch für das enger werdende Feld der Wohnungsunternehmen waren in den 1960er-Jahren spekulative Grundstückskäufe. So hatte die Treuhand in Grundstücke im nicht realisierten Hollerstadt-Projekt investiert, das später durch den sogenannten Baulandskandal von sich reden machte. Auch im Ostertorviertel hatte die Treuhand zahlreiche Grundstücke erworben – in Erwartung seines Umbaus im Rahmen der dort geplanten Verkehrsschneise („Mozarttrasse“).

Schon 1964 hatte Wilhelm Wortmann, städtebaulicher Berater der Aufbaugemeinschaft, im Auftrag der Bremer Treuhand ein Gutachten erarbeitet, das nicht nur die geplante Trasse behandelte, sondern auch die bauliche Restsubstanz des Viertels bewertete. Auf einem Plan der Denkschrift findet man großflächige Schraffierungen, in der Legende beschrieben als „Baublöcke, die aus städtebaulichen Gründen ganz oder teilweise erneuert werden müssen“. So gekennzeichnet waren fast alle Gebäude zwischen Mozartstraße und Sielwall.

Aber auch hier hatte man sich bekanntlich verspekuliert. Schließlich erweiterte die Gesellschaft ihr klassisches Aufgabenfeld Eigenheim. Um dem steigenden Anlagebedürfnis vieler Sparer gerecht zu werden, gründete sie im April 1965 als erste gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft in der Bundesrepublik Haus- und Bodenfonds (kurz: HB-Fonds) als „Immobilienanlage-Fonds“. So bewahrte sich die Gesellschaft ihre satzungsgemäße Aufgabe, die private Eigentumsbildung zu fördern, konnte aber zugleich in den Mietwohnungsbau einsteigen, in Bremen etwa mit den Großwohnanlagen „Grohner Düne“ und „Wohlers Eichen“. Ein anderes Projekt dieser Art, „Wätjens Park“, in dem vor allem Arbeiter des „Bremer Vulkan“ untergebracht werden sollten, scheiterte schließlich.

Schlusspunkt in Algerien

Mit dem Aus im Hollerland, Ostertor und Wätjens Park verlor die Gesellschaft innerhalb weniger Jahre wichtige Aufträge in Bremen, hatte sich aber gegen solche Schwankungen auf dem lokalen Markt abgesichert. Mitte der 1970er-Jahre war in über 30 HB-Fonds ein Gesamtvermögen von mehr als 1,3 Milliarden DM angelegt: in rund 13 000 Wohneinheiten, aber auch in rund 500 Gewerbeeinheiten wie Kaufhäuser, Hotels, Einkaufszentren, Freizeitzentren und Verwaltungsgebäude überall in der Bundesrepublik. Stolz berichtete die Gesellschaft zu ihrem 25-jährigen Bestehen am 14. Juni 1975 von einem neuen 400-Millionen-Projekt in Algerien, wo noch einmal etwa 5050 Wohneinheiten entstehen sollten.

Diesmal hatte sich die Unternehmensgruppe aber, wie sich bald herausstellte, überhoben – letztlich aufgrund fehlender Erfahrungen mit Geschäften im Ausland. Das Projekt schrieb rasch rote Zahlen, man sprach von Verlusten im Bereich von über 100 Millionen Mark. Um einen Konkurs zu vermeiden und das Bremer Unternehmen mit 250 Arbeitsplätzen zu retten, stellte der Senat – unter der ­Voraussetzung eines Ausstiegs aus dem algerischen Projekt – eine Landesbürgschaft in Aussicht.

Wichtige „Sanierungsträger“ wie die Bank für Gemeinwirtschaft, die Neue Heimat und die Bremer Landesbank konnten mit einem Rettungspool von 105 Millionen DM den Konkurs zunächst verhindern. Als Ende Juni 1977 die Forderung der algerischen Regierung nach 200 Millionen DM Abstand für eine Vertragsauflösung im Raum stand, wurde dieser dann doch unumgänglich. In dem Sanierungs­konzept war als Verlustsumme für das Algerien-Geschäft maximal 75 Millionen DM ­vorgesehen.

Ein Vorzeigeprojekt der Bremer Treuhand: das ab Mitte der 1950er-Jahre erbaute Stephaniviertel im Westen der Altstadt.
Quelle: bremer zentrum für baukultur (b.zb)

 

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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