Aus der Geschichte der Bremer Bedürfnisanstalten: Ausgewählte „Männerstände“
Wie sich die Zeiten ändern: Bremen hatte 1910 insgesamt 104 öffentliche Bedürfnisanstalten, davon waren 16 Spülklosetts und 20 weitere waren Aborte für Frauen und Männer. So schreibt es die Autorin Nina Sedano in ihrem Buch „Die stillen Örtchen dieser Welt“.
Doch dabei blieb es nicht, innerhalb von 61 Jahren halbierte sich die Anzahl der Bedürfnisanstalten. Und das bei stark angestiegener Einwohnerzahl. 1971 hatte Bremen 594.591 Einwohner, aber nur noch 54 öffentliche Bedürfnisanstalten. Damit hätten sich – rein statistisch betrachtet – 11.000 Menschen ein „Örtchen“ pro Tag teilen müssen, also sieben in der Minute. Zum Glück ist dieser Ernstfall nicht eingetreten, da es ausreichend „Privatanstalten“ gegeben hat.
Die gemeinsame Tatsache ist, dass nach fast 110 Jahren, beziehungsweise 50 Jahren, keine dieser Bedürfnisanstalten mehr in Betrieb ist. Darüber hinaus sind auch die meisten abgerissen oder werden anderweitig genutzt.
Bedürfnisanstalten: Fortsetzung der Serie
Zu Beginn dieser kleinen Serie hatten wir von der Bedürfnisanstalt Osterdeich am 24. Oktober 2015 und 6. November 2015 berichtet. Dann folgte der Männerstand am Concordia-Tunnel am 11. April 2017.
Aus der Resonanz unter den Lesern und Leserinnen können wir entnehmen, dass man sich noch an „die gute
alte Zeit“ erinnert. Auch wenn diese „gute alte Zeit“ nicht immer mit angenehmen Erinnerungen verknüpft ist. Deshalb setzen wir die Serie mit ein paar besonders ekligen Männerständen fort.
Männerstand an der Fährstraße/Ecke Hastedter Heerstraße
Der Männerstand an der Fährstraße/Ecke Hastedter Heerstraße ist wohl der Standardtyp eines frei stehenden Männerstandes gewesen. Es war ein ein kleines Häuschen mit Walmdach. Da es keine Tür gab, war er rund um die Uhr geöffnet.
Die Wände waren bis in Brusthöhe gefliest, die Wandstücke darüber bis zur Decke hatten einen ganz grobkörnigen Zementverputz. Auf dem ließ sich nicht schreiben oder malen und damit konnten keine Sprüche oder Graffittis aufgebracht werden.
Der Uringestank war allgegenwärtig. Die Stadt reinigte die Männerstand in regelmäßigen Abständen. Trotzdem mochte man nicht zu nahe an die Wand treten, um in die Pinkelrinne zu zielen. Das Resultat war, dass der Urin auf dem gefliesten Boden vor sich hin schwamm. Alles Weitere mag sich die Leserschaft im Geiste vorstellen.
Dieser Männerstand ist zwar geschlossen, aber im Original erhalten. Die Türöffnung ist mit einer OSB-Platte verschlossen. Das Häuschen stellt ein wichtiges Zeitzeugnis dar und sollte unter Denkmalschutz gestellt werden.
Männerstand Findorff-Tunnel/ Ecke Friedrich-Rauers-Straße (bis 1965 Breitenweg)
Dieser Männerstand Findorff-Tunnel Ecke Friedrich-Rauers-Straße ist heute nicht mehr als solcher zu erkennen. Der Eingang ist mit einer feuersicheren Tür verschlossen, im Inneren sind elektrische Anlagen eingebaut. Das Gebäude hat heute ein Flachdach, kein Walmdach wie früher.
Direkt rechts neben dem Männerstand befand sich ein Kiosk. Warum wurden die Bauten an die Straßenecke errichtet? Der Tunnel ist die Fortführung der Findorffstraße und stieß dort auf den Breitenweg. Von Bahnhof kommend hatte die Straßenbahn Linie 10 an dieser Ecke ihre Haltestelle. Der Breitenweg hat heute einen anderen Verlauf und das Straßen-Reststück wurde umbenannt in Friedrich-Rauers-Straße. Der Schienenverlauf ist noch heute in der Straßenpflasterung zu erkennen. Die Straßenbahn fährt seit Ende 1964 durch die Falkenstraße.
Männerstand Hemmstraße/ Ecke Kastanienstraße auf der Findorff-Seite vor der Eisenbahn-Unterführung
Dieser Männerstand hat einen quadratischen Grundriss, als Abschluss ein Walmdach.
Besonders markant sind die umlaufenden Lüftungssteine unterhalb des Daches. Das Mauerwerk ist weiß gestrichen. Dieser und auch andere Männerstande sind so aufgestellt, dass Männer davon abgehalten werden, in den Tunneln/Unterführungen zu urinieren.
Der Männerstand Hemmstraße Ecke Kastanienstraße wurde in den 1970ern geschlossen und abgerissen. Das Brückenbauwerk später erneuert und ein Endauslauf der Bahndammböschung angelegt.
Fortsetzung folgt.
von Peter Strotmann