Vor 90 Jahren eröffnete der Opelturm auf dem Bahnhofsplatz / Als Werbe- und Ausstellungsturm konzipiert
Mehr als vier Jahrzehnte war der Opelturm ein Blickfang auf dem Bahnhofsplatz. Mit dem modernen Würfelbau des Reformarchitekten Heinz Stoffregen kam im Juni 1925 ein Hauch von New York nach Bremen: Als Werbe- und Ausstellungsturm konzipiert, sollte das Gebäude ständig wechselnde Werbebotschaften verbreiten. Zu seinem Namen kam der Turm in den 1930er Jahren, als der Automobilhersteller aus Rüsselsheim das Bauwerk für seine Zwecke nutzte. Die prägnante Weltkugel wurde erst in der Nachkriegszeit auf das Dach gesetzt.
In den „Goldenen Zwanzigern“ machten es New York, London und Berlin vor: Werbung in Zeitungen und Zeitschriften reicht nicht mehr. Werbung muss hoch an den Fassaden angebracht sein. An den verkehrsreichen Stellen der Stadt soll sie die Passanten erreichen. Es darf auch schrill und bunt sein. Nun gut, Bremen ist und war nicht New York, London und Berlin. Sondern hier darf und muss es hanseatisch solide sein.
Im Auftrage des Bremer Staates wurde 1923 unter den bremischen Architekten ein Wettbewerb für einen Ausstellungsbau am Bahnhof ausgetragen. Der Bremer Architekt Heinz Stoffregen gewann den ersten Preis und wurde zur Ausführung bestimmt. Dieser hatte schon bei etlichen Bauten gute Arbeiten abgeliefert, wie zum Beispiel dem Delmenhorster Rathaus, sowie diversen Industrie- Geschäfts- und Wohnbauten.
Das städtische Grundstück am Breitenwegbad hatte die Maße von 15 x 15 Metern. Stoffregen, dessen Arbeit um 1925 von der Neuen Sachlichkeit beeinflusst ist, wählt zwei quadratische Grundrisse und stellt sie aufeinander: Einen Quader als Erdgeschoss (Länge x Breite x Höhe = 13 x 13 x 8,3 Meter) und darauf einen in Querschnitt ebenfalls quadratischen Block ( Länge x Breite 6 x 6 Meter, bis zu einer Höhe von 23 Metern über den Bürgersteig) für die Wechselwerbung.
Während der Tagung des Verbandes Deutscher Reklamefachleute in Bremen im September 1924 kam der geplante Bau dieses Ausstellungsturmes bei Teilnehmern gut an. Da aber bereits damals das Wort „Reklame“ einen gewissen Missklang hatte, schlug man vor, ihn „Werbeturm“ zu nennen.
Aufsteigende Spiralen aus Klinkerstein
Die Fassade des Erdgeschosses wird im unteren Bereich mit Sandsteinplatten verkleidet, darüber mit dem klassischen Klinker. Die Ecken des Werbeträgerturmes gestaltet Stoffregen mit einfachen Mitteln zum „Kunst am Bau“. Aus Klinkersteinen entstehen aufsteigende Spiralen. Als oberer Abschluss gehört auch ein kleines Dach dazu. Im Stil der Neuen Sachlichkeit ist damit ein künstlerisch gestaltetes Bauwerk entstanden, das eine vornehme und ruhige Eleganz ausstrahlt.
Doch die Zeit drängt.
Alles soll bis zur Tagung des Deutschen Werkbundes vom 20. bis 24. Juni 1925 in Bremen fertig sein. Und tatsächlich: Der von der Stadt Bremen finanzierte Werbeturm kann pünktlich zur Tagung seine Pforten öffnen. Während der Tagung stellt auch Heinz Stoffregen seine Architektur-Entwürfe aus. Als erster Mieter zieht die Bremer Firma „von Engel & Schwedhelm“ ein und bewirbt dort ihre landwirtschaftlichen Maschinen.
In einer zeitgenössischen Architekturzeitschrift wird Stoffregens Werk in höchsten Tönen gelobt: „In diesem Turm werden 160 Großplakate auf allen vier Seiten dem Vorübergehenden dauernd abwechselnd durch mechanisch-elektrische Auslösung von morgens bis in die Nacht gezeigt. Die Plakate haben eine Ausdehnung von 4 auf 6 m. Es ist eine ganz neue, noch nirgends angewendete Art der Reklame.“
Störanfällige Werbe-Maschinerie
Wie diese „mechanisch-elektrische Auslösung“ eigentlich funktioniert und ob sie sich in der Praxis bewährt hat, darüber scheint es keine Berichte zu geben. Vermutlich war die gesamte „Maschinerie“ recht aufwendig und störanfällig. Vermutlich deshalb hat man sie im Laufe der Zeit außer Betrieb gesetzt. Alle Fotos zeigen nur Standbilder.
In den 1930ern wurde der Werbeturm zum „Opelturm“. Die Bremer Opel-Automobil-Centrale belegte nämlich den Ausstellungsraum, um Opel-Wagen zu zeigen, und der obere Werbeträger bekam eine festinstallierte Opel-Werbung. Mit nur geringfügigen Schäden überstand der Opelturm den 132. Luftangriff vom 18./19. August 1944.
Offensichtlich hatte der Architekt Heinz Stoffregen beim Bau des Werbeturms im Jahre 1925 nicht nur auf Schönheit geachtet, sondern auch die Statik nicht vernachlässigt. Damit konnte der Werbeturm bereits kurz nach Kriegsende schon wieder benutzt werden.
Aber noch prangte der Name Opel am Gebäude, und zwar sowohl über den Fenstern der Ausstellungsräume als auch an den vier Seiten der Werbesäule. Ein Pfeil zeigte nach unten zu den Ausstellungsräumen. Auf dem umlaufenden Banner stand Werbung für die Central-Garagen an der Kleinen Helle. Die Werbung war jetzt hinfällig, da es von etwa 1940 bis 1950 kaum privaten PKW-Verkehr gab. Zudem hatten die Amerikaner die Central-Garagen beschlagnahmt.
Jedenfalls hatte der Werbeturm jetzt seinen Namen weg: „Opelturm“, und war damit zum Treffpunkt am Bahnhof geworden.
Ein neuer Name: „Haus Helgoland“
Die Bombenangriffe zerstörten das Bahnhofsviertel in weiten Teilen, dadurch mangelte es an Verkaufsflächen. Deshalb unterteilte man den Ausstellungsraum schon 1944 in drei Läden, und zwar für je ein Lebensmittel- und Schlachtergeschäft und das Lloyd-Reisebüro.
Das Kriegsende ließ einen gewissen Karl Gersthoff aktiv werden. Dessen Fischbäckerei „Roland“ an der Faulenstraße lag in Trümmern und er suchte nach neuen Räumen. Schon im Dezember 1945 reichte er den ersten Bauantrag ein. Aber es sollte noch bis 1952 dauern, bis der ehemalige Ausstellungsraum zum „Haus Helgoland“ umgebaut war (mehr dazu im Gaststätten-Lexikon). Im Zuge dieses Umbaus wurde der Opelturm um ein Geschoss aufgestockt. Der turmartige Charakter blieb dabei auf der Strecke (eine Panorama-Aufnahme des Bahnhofsplatzes mitsamt Opelturm finden Sie hier).
Erst 1953 wird die Leuchtreklame am Haus installiert. 1954 wird auch noch der Helgoland Keller in Betrieb genommen. 1955 erhält Karl Gerstorff die Genehmigung, in der ersten Etage das Tanzlokal „Helgoland Ahoi“ zu eröffnen. 1958 wird aus dem „Helgoland Ahoi“ der Ball Paradox mit dem Slogan „Honi soit qui mal y pense“. Das ist altfranzösisch und heißt wörtlich „Beschämt sei, wer schlecht darüber denkt“. Der Satz ist die Devise des englischen Hosenbandordens. Dem heutigen Sprachgebrauch entspräche die Formulierung „Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.“
Werbesäule hat ihre eigene Geschichte
Die Werbesäule auf dem Opelturm hat eine eigene Geschichte unabhängig vom Gerstorff-Restaurant. Nachdem die Opel-Reklame entfernt war, folgte Anfang 1951 die festinstallierte Werbung für „4711“ Kölnisch Wasser. Vertraglich war vereinbart, dass die Kölner Firma Ferdinand Mülhens das alleinige Recht zur Werbung habe. Als man jedoch 1952 zusätzlich Werbung für Friscodent Zahncreme anbringen wollte, bekam sie keine Genehmigung vom Bauaufsichtsamt. Der Tenor des Ablehnungsbescheides war sinngemäß: „… weil die am Turm angebrachte Reklame bereits eine Verunstaltung darstellt und die vorgesehenen Blechschilder zu einer weiteren Verunstaltung des Stadtbildes führen würden…“
1956 hat die Bremer Firma Borgward viel bessere Karten zur Genehmigung ihres Antrages: Eine Weltkugel mit fünf Metern Durchmesser und einen Rundläufer von sechseinhalb Metern Durchmesser mit dem Schriftzug Borgward (2 x). Die Ecken des Werbeaufsatzes wurden „modern“ gestaltet. Die Werbeaufschriften an den vier Seiten laueteten: „Borgward – bewährt auf allen Straßen“. 1961 geriet die Unternehmensgruppe Borgward in finanzielle Schwierigkeiten und daraufhin in Konkurs.
In den späten 1960er Jahren war dann auch die Zeit des Opelturms abgelaufen, er stand den Neugestaltungsplänen für den Bahnhofsplatz im Weg. Im Spätherbst 1967 schlug sein letztes Stündchen. Ein Foto zeigt, wie das einstige Vorzeigebauwerke schon eingerüstet und bald zum Abriss bereit ist.
Die letztbekannte Werbung ist für die Bremer Brauerei Dressler.
von Peter Strotmann