Ein Blick in die Geschichte (197): Aufnahme von 1938 zeigt „Gasthof zum Kaiser Friedrich“ am Lange Wieren
Wer im Mai 1938 zur Reichskolonialtagung nach Bremen reiste, wollte natürlich auch ein wenig von der Stadt zu sehen bekommen. Einem unbekannten Teilnehmer der dreitägigen Großveranstaltung verdanken wir diese zeitgenössische Aufnahme aus dem Schnoor. Fast unverändert sieht noch heute der „Gasthof zum Kaiser Friedrich“ aus. Erbaut wurde das denkmalgeschützte Häuschen um 1630, benannt ist es nach dem Monarchen, der im Juni 1888 nach nur 99 Tagen auf dem Thron an Kehlkopfkrebs starb. In Bremen genoss der als liberal geltende Hohenzoller großes Ansehen, bereits zu seinen Lebzeiten diente er einer Freimaurerloge als Namensgeber, 1905 wurde an der damaligen Kaiser-Friedrich-Straße (heute Hermann-Böse-Straße) ein imposantes Reiterstandbild zu seinen Ehren errichtet.
Auf dem Pferderücken ist Kaiser Friedrich III. auch auf dem Bildnis an der Giebelfront der Gaststätte abgebildet. Eine ungeheuer populäre Darstellung des Monarchen, in etlichen deutschen Städten würdigte man ihn mit Reiterstandbildern – natürlich fast durchweg in Uniform, gern auch mit Brustharnisch. Nur in Bremen wählte man die Pose eines römischen Imperators. Zu tun hat das mit seinen Einsätzen beim „Deutschen Krieg“ zwischen Preußen und Österreich 1866 und vor allem im deutsch-französischen Krieg von 1870/71, als er sich in der Schlacht bei Sedan als Militärbefehlshaber auszeichnen konnte. Seither galt Friedrich in Deutschland als Kriegsheld.
Freilich handelt es sich nicht mehr um dieselbe Darstellung wie ehedem. Ein Vergleich ergibt: Früher war das Bildnis des Kaisers direkt auf die Mauer aufgetragen und ein Stückchen größer, heute ist die Darstellung leicht modifiziert und gerahmt.
Ein Lokal war in dem Häuschen schon vor seinem Tod untergebracht, im Bremer Adressbuch von 1880 ist es als Bierhalle verzeichnet. Zu seinem charakteristischen Namen kam der Gasthof aber erst 1888 nach Friedrichs kurzem Intermezzo als preußischer König und deutscher Kaiser. Der „Kaiser Friedrich“ hat sich sein nostalgisches Ambiente bis heute bewahrt, das Lokal serviert norddeutsche Küche und bezeichnet sich selbst als „Tor zum Schnoor“.
Früher Bebauung bis zur Johannis-Kirche
In alten Adressbüchern ist das Eckgebäude unter der Anschrift Langewieren 13 verzeichnet, schon früher wurde der Straßenname als Lange Wieren aber auch getrennt geschrieben. Die Bezeichnung leitet sich von der Aufreihung der Häuser bis zur einst noch im großen Bogen stadteinwärts verlaufenden Tiefer, später Balgebrückstraße ab und bedeutet nichts weiter als „langer Draht“. Auf alten Darstellungen ist deutlich zu erkennen, dass die Bebauung einst ununterbrochen bis an den Chor der St. Johannis-Kirche reichte. Die heute direkt vor dem Chor abzweigende Franziskanerstraße wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut. An dieser Stelle gab es laut Hans-Hermann Meyer früher einen schmalen Gang. Auf alten Stadtplänen ist er zwar nicht eingezeichnet, auf unserem Foto von 1938 aber zumindest zu erahnen.
Bei einem Bombenangriff im Juni 1942 brannte nicht nur die Johannis-Kirche aus, es wurden auch die angrenzenden Häuser schwer beschädigt. Gegenüber vom „Kaiser Friedrich“ befand sich seit 1856/57 ein neugotisches Gebäude, das zum zeitgleich errichteten Landherrnamt an der Dechanatstraße gehörte. Es diente als Stall für die Reitpferde der Landjäger, wie die Polizisten fürs bremische Landgebiet genannt wurden. Das Landherrnamt verwaltete von 1817 bis 1945 das Landgebiet, erst mit zwei Landherren für die Gebiete rechts und links der Weser, ab 1874 nur noch mit einem. Heute steht an der Stelle des früheren Stalls ein Backsteingebäude aus den Vorkriegsjahren, es beherbergt ein Umspannwerk von Wesernetz.
Unmittelbar vor dem Gasthof führt eine Verbindung in den Schnoor. Diese Straße erhielt erst nach dem Krieg die Bezeichnung „Am Landherrnamt“. Traditionell handelt es sich um die Königsstraße. Wobei anzumerken wäre, dass die Königsstraße nicht erst im späten 19. Jahrhundert als Hommage an das preußisch-deutsche Herrscherhaus ihren Namen erhielt, sondern auf eine lange Geschichte zurückblicken kann – schon im Murtfeld-Stadtplan von 1792 ist die Straße verzeichnet. Das bewahrte sie freilich nicht davor, im Zuge der Säuberungswelle in Sachen Straßennamen kurz nach Kriegsende umbenannt zu werden.
von Frank Hethey