Nichts für die jungen Wilden: Wohnzimmer-Gemütlichkeit in den 1950er Jahren.
Quelle: Quelle: © Bremer Rundfunkmuseum, www.bremer-rundfunkmuseum.de

Erinnerungen an die frühen 1960er Jahre: der Twen Club an der Katharinenstraße

Ein großer Teil der Jugend wollte in 1950ern und bis weit in die 1960er hinein nicht nur das konservative Programm der ARD hören, sondern auch mal fetzige, englischsprachige Hits. Da freute man sich über jede neue Möglichkeit.

Mensch, was waren das 1962/63 für Zeiten! Da brachte Norbert seinen tragbaren Plattenspieler mit. Das war ein Phono-Koffer mit Transistor-Verstärker. Und das dollste war, dass der Apparat mit Batterien lief. Man brauchte nur den Deckel aufzuklappen und schon war er betriebsbereit.

Eine 45er-Single wurde aus der Hülle genommen, in den Zapfen gesteckt, der Tonarm, der zum Transport verriegelt war, entriegelt und nach rechts bewegt, um den Plattenteller anzuwerfen. Dann den Arm nach links bewegen und vorsichtig auf den Anfang der Plattenrille absetzen. Und schon „quäkte“ es aus dem eingebauten Lautsprecher heraus: Bill Haleys „Rock Around The Clock“ oder Elvis rauf und unter.

Dazu haben wir getwistet. Twist war ein Tanz der in den frühen 1960ern aufkam. Die Bewegungen waren nicht so schweißtreibend wie der echte Rock ’n’ Roll. Sogar auf den Domtreppen haben wir abends getanzt. Das ging solange, wie die Batterien hielten. Wenn die Musik so dahin eierte, dann war Schluss.

Luxemburg-Fete

Was sollten wir Anfang der 1960er auch sonst machen? Von den öffentlich-rechtlichen Sendern wurde ein konservatives Musikprogramm gesendet, bestehend aus Klassik, Volksmusik oder Schlagern. Doch man wollte Rock, Beat und die neuesten, vornehmlich englischsprachigen Hits hören.

Da blieb zu Hause nur eine Möglichkeit. Wenn die Eltern weg waren, ging ich zur Musiktruhe und suchte auf Mittelwelle Radio Luxemburg. Das war meine „Luxenburg-Fete“, denn die brachten die Musik, die die Eltern nicht mochten. Sie sagten, das sei „Hottentottenmusik“.

Doch den Sender zu finden, das war nicht so einfach. Denn auf der Senderliste der Frontblende war Radio Luxemburg nicht angegeben. Hatte man ihn endlich auf 1440 kHz der Mittelwelle gefunden, dann schwankte der Empfang sehr stark. Das lag daran, dass auf dem gleichen Kanal mehrere Sender aktiv waren. Außerdem sind die Signale auf der Mittelwelle tagsüber nur 100 bis 200 Kilometer weit vom Sender zu hören, während die Reichweite bei einsetzender Dunkelheit bis auf bis zu 2000 Kilometer steigen kann.

Nichts für die jungen Wilden: Wohnzimmer-Gemütlichkeit in den 1950er Jahren.
Quelle: Quelle: © Bremer Rundfunkmuseum, www.bremer-rundfunkmuseum.de

Der „Twen-Club“

Am Katharinenklosterkirchhof eröffneten die Fritz-Betriebe im „Astoria-Arizona-Komplex“ Mitte 1963 den „Twen Club“. Der war unten im ehemaligen Zigeunerkeller. Schon nachmittags gingen die Schüler dorthin.

Eine ehemalige Freundin berichtete mir von einem Besuch im Twen Club: „Es wird 1966 gewesen sei, da war ich 16 Jahre alt. Meine Eltern hatte mir aufgegeben: ‚Da gehst du nicht hin!’ Aber meine Neugier war stärker. Eines Tages fasste ich den Entschluss: ‚Da gehe ich doch hin.’

Zwar hatte ich schon einen gemäßigten Minirock an, aber das reichte mir nicht. Kaum war das Elternhaus außer Sichtweite, drehte ich schnell den Bund ein paar Umdrehungen herum. Dann konnte mein Minirock mit denen der anderen Mädchen mithalten.

Derartig ‚aufgebrezelt’ schritt ich mutig zum Eingang des Twen Clubs in der Katharinenstraße, zwängte mich durch die vor der Tür stehenden Jugendlichen, ging die Kellertreppe hinunter und öffnete die Tür zur Diskothek. Im Halbdunkel sah ich nicht viel. Alles war verqualmt. Aber es roch etwas süßlich. Da wurde sicher auch so mancher Joint geraucht.

Der „Twen Club“: vor dem Eingang 1969 (Ausschnitt).
Quelle: Staataarchiv Bremen

Die Musik war zu laut und für mich ungewohnt. Ich sah, etwas erhöht aufgebaut, einen Diskjockey, hinter seinen Plattentellern stehen, eine Lichtorgel flackerte im Rhythmus der Musik. Auf der Tanzfläche machte ein Mädchen tanzähnliche Verrenkungen zur Musik. Zwei Jungen begrabschten mich. Wollten sie mit mir tanzen? Ich bekam beklemmende Gefühle. Nach kaum einer Minute machte ich auf dem Absatz kehrt, rannte die Kellertreppe hoch und war mit wenigen Schritten wieder im Freien. Dieser Diskobesuch hat mich doch sehr geschockt und ich habe in den folgenden Jahren Diskotheken weitgehend gemieden.“

Nachzutragen wäre noch,

  • dass der „Twen Club“ am 29. Juni 1963 eröffnet wurde;
  • dass im „Twen Club“ nur noch gelegentlich Live-Musik gemacht wurde und er damit die erste Diskothek in Bremen war;
  • dass der erste hauptberufliche Diskjockey im Jahre 1963 die 18-jährige Ursula Silter war;
  • dass im Dezember 1963 der 22-jährige Gerhard Augustin folgte. Der, besser bekannt als Gerd Augustin, ist ein Musikproduzent. Er entwickelte zusammen mit Mike Leckebusch das Konzept für den „Beat-Club“. Diese erste Musiksendung mit englischsprachigen Interpreten im deutschen Fernsehen wurde von Radio Bremen produziert und von 1965 bis 1972 ausgestrahlt;
  • dass in der ersten Zeit nach der Eröffnung erst um 20 Uhr Einlass war. Durch den gewaltigen Erfolg wurde schon bald um 18 Uhr, dann um 16 Uhr und schließlich schon mittags um 12 Uhr geöffnet;
  • dass der „Twen Club“ seine Pforten schloss – aber wann? Gibt es noch Zeitzeugen, die berichten können, in welchem Jahr das war? Gab es den „Twen Club“ noch 1969, wie es für das Foto aus dem Staatsarchiv angegeben ist?

von Peter Strotmann

Ein beliebter Treffpunkt: der „Twen Club“ am Katharinenklosterkirchhof. Rechts ist das Geschäft Hinrichs und Bollweg an der Sögestraße zu sehen.
Junge Mädchen im Minirock stehen vor dem Eingang,
Foto aus dem Jahre 1969.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

 

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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