Den Jusos ein Dorn im Auge: die Kunstfigur Kauf.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Juso-Polemik gegen Kunstfigur „Kauf“ sorgte für Ärger in der SPD

Diplomatisch war es ganz gewiss nicht, was die Jusos da vor Weihnachten 1971 zu Papier brachten. Per Flugblatt rief der SPD-Nachwuchs dazu auf, der alljährlichen „Kaufwut“ die Stirn zu bieten. „Habt ihr Euch schon mal gefragt, wem diese wüste Kauferei zu Weihnachten eigentlich nützt?“

Die Antwort lag auf der Hand: Nur eine kleine Gruppe profitiere davon, „die Produzenten und Geschäftemacher“. Diese „Schweinepriester“ hätten eine Konkurrenz um die „dicksten und teuersten Geschenke“ entfacht. Dafür sei sogar „höhnisch ein Symbol“ ersonnen worden, die Kunstfigur „Kauf“. Der rammten die Jusos denn auch symbolisch ein Messer in den Bauch. „Killt den ‚Kauf’“, lautete der Kampfruf.

Doch nicht nur auf der Straße sorgten die Jusos für Aufsehen. Auch in der SPD entfachte die Flugblatt-Aktion einen „lustigen Wirbel“, so der damalige Juso-Aktivist Olaf Dinné in seinem Erinnerungsbuch „15 Jahre SPD in Bremen, dann GRUEN“. Um eine Fortsetzung der spitzzüngigen Kapitalismus-Schelte zu verhindern, setzte der damalige Landesgeschäftsführer Arno Koch ein Schreiben an Hermann Wolters auf, den Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD. Gerade kleinere Geschäftsleute hätten sich massiv beschwert und damit gedroht, in der sozialdemokratischen Bremer Bürgerzeitung (BBZ) keine Anzeigen mehr zu schalten. „Bitte zieht dies in Eure Betrachtungen mit ein“, so die kaum verhohlene Warnung im Brief vom 10. Dezember 1971.

Wolters antwortete noch am gleichen Tag. Als dessen vormaliger Fahrer dürfte Koch gehofft haben, die persönliche Beziehung würde den Ex-Senator milde stimmen.

Doch bei Wolters war er an den Falschen geraten. Denn der war nicht nur ein Ex-Senator, sondern auch ein Ex-Kommunist, der immer noch gut war für klassenkämpferische Töne. „Der Aufruf zur Kaufbesinnung findet durchaus meine Billigung“, ließ der damals 61-Jährige wissen. Und wetterte dann gegen die „schamlose Ausnutzung der weihnachtlichen Schenkfreude“, zumal die „marktschreierische Weihnachtsreklame“ ohnedies nur den Kaufhäusern nutze. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wut der Jusos sich am Tannengrün und der einsam flackernden Kerze im Tante-Emma-Laden entzündet hat.“

Auch für Ex-Senator Hermann Wolters ein Ausdruck von Konsumterror: die Kunstfigur Kauf.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Wolters verglich die Jusos mit Jesus

Damit nicht genug, erinnerte Wolters die „lieben Genossen“ an den „Zimmermannssohn aus Nazareth“. Der habe im Grunde nichts anderes getan als jetzt die Jusos, als er die Händler und Wechsler mit der Peitsche aus dem Tempel jagte.

Völlig unbeeindruckt zeigte sich Wolters auch vom möglichen Verlust von BBZ-Anzeigekunden. Das werde „das an permanenter Finanz- und Redaktionskrise leidende Parteiblättchen auch noch überstehen“. Die eloquente Quintessenz: Sei es das Bestreben des Parteivorstands, den Jusos aus der Flugblattaktion einen Strick zu drehen, werde sich die Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen nicht als Stricklieferant betätigen.

Zu sehen waren verschiedene Varianten der umstrittenen Kunstfigur in einer Retrospektive der Werke des Designer-Ehepaars Sibylle und Fritz Haase. Der Grund: Die beiden Haases haben den sechsbeinigen „Kauf“ im Auftrag der Bremer Werbung kreiert. Ironischerweise griffen sie bei der Werbekampagne ausgerechnet die Methoden der gesellschaftskritischen Linken auf. Im „Kauf“-Kostüm stolperten drei Studenten durch die Innenstadt, während das Ehepaar fleißig Flugblätter verteilte. „Damit haben wir Polit-Aktionen auf die Werbung umgemünzt“, sagt Fritz Haase. Die empörte Juso-Reaktion unterschlägt das Ehepaar Haase keineswegs. Als Zeugnis der Zeit ist das rosafarbene Flugblatt auf der gleichen Stellwand zu begutachten wie die „Kauf“-Plakate.

von Frank Hethey

Umstritten: die Kunstfigur Kauf. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Umstritten: die Kunstfigur Kauf.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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