Vor 150 Jahren wurde die Braunbierbrauerei C. Dreßler gegründet – Holsten besiegelte 1975 das Ende

Es muss sie noch geben – ältere Bremer, die früher gerne Dressler-Bier tranken. Schließlich hatte dieses noch 1974 einen Anteil von 20 Prozent am Bremer Biermarkt. Doch dann drehte Holsten der Bremer Tochter den Hahn zu. Das Bier wurde noch eine Zeitlang andernorts gebraut, aber irgendwann war auch das vorbei. Dennoch hat Dressler mehr als 100 Jahre Bremer Braugeschichte geschrieben – und wäre heute sogar drei Jahre älter als Beck‘s. Der Startschuss für die „Braunbierbrauerei C. Dreßler“ erfolgte vor 150 Jahren – am 13. Dezember 1870.

Ein kräftiger Schluck in Ehren: Gründerenkel Carsten Dreßler mit Brauereimeister Schimpf.
Quelle: Privat

Am Anfang soll ein Lotteriegewinn gestanden haben. Dieser beschert Carsten Dreßler, einem Müllersohn aus Horn, genug Geld, um sich ein Haus in der Faulenstraße zu kaufen. Der 27-Jährige hat da schon in einem anderen Betrieb das Brauen gelernt und kann nun im Stephaniviertel mit seiner eigenen Firma durchstarten – der „Braunbierbrauerei C. Dreßler“. Der Legende nach hatte die Bremer Wahrsagerin Fieke Peymann Dreßler den Lottogewinn vorhergesagt – ebenso wie Wohlstand.

Im April 1871 dann der erste Bierausstoß. Spätere Jubiläen wie die 100-Jahr-Feier 1971 beziehen sich häufig auf dieses Datum, auch wenn die Firma da schon vier Monate existierte. Zum Braunbier kommt 1883 ein Porter hinzu, ein englischer Biertyp, der lange Zeit eine Art Alleinstellungsmerkmal Dreßlers bleiben wird. Ab 1894 verlässt dann auch helles Lagerbier die Faulenstraße 33 – und aus „Braunbierbrauerei“ wird die „Germania-Brauerei C. Dreßler“. 1911 kommt mit Export eine weitere Sorte hinzu.

Zur Jahrhundertwende sucht Dreßler eine neue Wirkungsstätte – und findet sie im Neustädter „Brauer-Viertel“, wo er 1904 in der Hohentorstraße die Brüningsche Brauerei und 1907 noch die benachbarte Hansa-Brauerei an der Grünenstraße übernimmt. Man ist nun Nachbar der Kaiserbrauerei Beck & Co. und der C. H. Haake Brauerei.

Graf Luckner – ein Dressler-Fan

Das jetzt in der Neustadt gebraute Bier ist auch international bestens bekannt. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wird es exportiert, und vom Marineoffizier Felix Graf von Luckner heißt es, dass er immer Kisten mit Dreßler-Bier an Bord hatte. Für 1928, ein Jahr vor dem Tod des Gründers, weist die Firmenchronik einen durchaus beachtlichen Ausstoß von 107.000 Hektolitern aus, fast elf Millionen Liter. Im Zweiten Weltkrieg wird die Brauerei stark beschädigt. Nach dem Krieg beginnt der Betrieb zunächst mit der Produktion alkoholfreier Fassbrause, da noch ein Brauverbot besteht.

1954 verkauft Hans-Carsten Dreßler, ein Enkel des Gründers, 75 Prozent der Brauerei-Anteile an die Hamburger Holsten-Brauerei. Der Rest bleibt bei Carsten Dreßler, einem weiteren Enkel, der seit 1942 Anteilseigner ist. Für die Hamburger ist es zunächst eine lohnende Investition. Die Bremer Tochter legt in der Produktion zu und ist schon zwei Jahre nach dem Holsten-Einstieg in der Gewinnzone.

Dressler-Bier – lange Zeit ein Exportschlager.
Quelle: Privat

Doch gegen Ende der 60er-Jahre ändern sich die Zeiten. Der Bierboom der Nachkriegsjahre flacht deutlich ab. Viele Brauereien können steigende Kosten nicht mehr mit steigendem Absatz kompensieren. Die Folge sind Fusionen und Stilllegungen. Zwar schickt die „Dressler Brauerei GmbH“, wie sie inzwischen heißt, zur 100-Jahr-Feier 1971 noch einmal Freibier-Fässer in alle belieferten Gaststätten, doch in Hamburg wird schon bald der Rotstift gespitzt. 1975 macht Holsten mit Dressler in Bremen und Bill in Hamburg dann zwei seiner sieben Braustätten dicht, um die Produktion zu konzentrieren.

Man müsse „durch verschärfte Rationalisierungsmaßnahmen den Kostensteigerungen entgegenwirken, um das Gesamtunternehmen gesund zu erhalten“, so der Holsten-Vorstandsvorsitzende Karlheinz Collée seinerzeit. Eine Formulierung, die bis heute modern klingt. Von den zum Schluss rund 200 Bremer Dressler-Mitarbeitern können zumindest 100 in einem neu errichteten Holsten-Vertriebslager in Dreye weiterarbeiten. Andere haben Glück und kommen bei den Geländenachbarn Beck & Co. oder Haake-Beck unter. Auch das von Hohentor-, Grünen- und Große Sortillienstraße eingerahmte Dressler-Grundstück geht an Beck & Co.

Die Stilllegung fällt in eine Zeit, als Dressler nach wie vor eine Größe in Bremen ist. Der Aufforderung „Wo bleibt mein Dressler“, die eine Zeit lang von Bierdeckeln prangt, kann noch 1974 in rund 125 Gaststätten im Stadtgebiet und weiteren 300 im Umland nachgekommen werden, denn so viele werden da von Dressler beliefert. Der Jahresausstoß liegt bei 120.000 Hektolitern, also zwölf Millionen Litern, und die Brauerei beziffert ihren Bremer Marktanteil mit 20 Prozent.

Dressler-Bier auch nach dem Aus in Bremen

Immerhin: Dressler-Bier gibt es auch nach der Bremer Schließung, denn die Produktion wird an andere Holsten-Standorte verlegt, zunächst nach Hannover (Kaiser-Brauerei), dann nach Braunschweig (Feldschlößchen) und schließlich zum Stammsitz nach Altona. Doch irgendwann stellt der Konzern den Inland-Vertrieb für die – aus seiner Sicht kleine – Marke ein. Umso mehr schwärmt 1997 eine ehemalige Bremerin in einem WESER-KURIER-Beitrag davon, beim Spanien-Urlaub ein Dressler Export serviert bekommen zu haben.

Das immerhin dürfte heute sehr schwierig geworden sein. Punktuell hat Holsten die Marke zwar auch nach der Jahrtausendwende noch exportiert, aber inzwischen spielt sie im Sortiment der seit 2004 zu Carlsberg gehörenden Brauerei keine Rolle mehr. Vielleicht wäre es ein nettes Start-up-Projekt, die Rechte an der Marke zu erwerben, zum Beispiel mit einem Lottogewinn, und diese dann mit einer neuen Rezeptur zu reanimieren. Man könnte sich auf eine 150-jährige Tradition berufen. Irgendwie.

Der ursprüngliche Gründer liegt in einem bis heute existierenden Familiengrab auf dem Riensberger Friedhof begraben. Ihm zu Ehren gibt es in Arsten seit 1969 die Carsten-Dreßler-Straße.

Lesen Sie hier: Interview mit dem Urenkel des Brauereigründers, Carsten Dreßler (75)

 

Der Autor:

Karl Hübner ist promovierter Chemiker und Journalist und schreibt nebenberuflich auch über nicht-chemische Themen, die ihn interessieren. Der heutige Kölner wuchs in den 70er-Jahren in Bremen auf und kann sich sowohl an die frühere Dressler-Einfahrt in der Hohentorstraße als auch an einen BSAG-Gelenkbus mit Dressler-Reklame erinnern. Das Bier selbst hat er nie probiert.

Wohl bekomm’s: Luftaufnahme der Dressler-Brauerei um 1955.
Foto: Staatsarchiv Bremen/Westdeutscher Luftfoto Palle Thomsen, Bremen

 

 

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