Die Ausdehnung der Amerikanischen Enklave Bremen vom Frühjahr bis Herbst 1945. Wäre es nach Bremens langjährigem Bürgermeister Wilhelm Kaisen gegangen, hätte auch das spätere Bundesland diese Ausmaße gehabt. Foto: wikimedia Commons

Vor 70 Jahren: Am 21. Januar 1947 besiegelte die Proklamation Nr. 3 der US-Militärregierung die Wiedergründung des Landes Bremen

70 Jahre Bremen – der Geburtstag des kleinsten Bundeslandes ist offiziell am 21. Januar. Doch bis es überhaupt in seiner heutigen Form beschlossen worden ist, mussten die damals Verantwortlichen seit 1945 einige Hürden umschiffen. Daran beteiligt waren die Besatzungsmächte USA und Großbritannien sowie die Vertreter der Politik im heutigen Niedersachsen und Bremen – allen voran Bremens Bürgermeister Wilhelm Kaisen.

Über die territoriale Neugliederung des Deutschen Reiches hatten sich die Alliierten bereits während des Zweiten Weltkrieges verständigt. Was den Nordwesten Deutschlands anging, so blieb dieser Teil des Reiches – und damit auch die Zukunft Bremens – lange zwischen den Briten und Amerikanern strittig. Im September 1944 erzielten beide Seiten schließlich eine Einigung, die auch von Winston Churchill und dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt gebilligt wurde.

Im Februar 1945 zurrten die Verbündeten das Paket fest. Die Briten bekamen den kompletten Nordwesten des Reiches, während das Land Bremen einschließlich Bremerhaven, die Stadt und der Landkreis Wesermünde, der Landkreis Osterholz sowie links der Weser der Kreise Wesermarsch den Amerikanern als „Enklave Bremen“ zugeschlagen wurden. Das Besondere daran: Die Enklave sollte unter amerikanischer Kontrolle stehen, jedoch nicht Teil der US-Zone werden. Vielmehr galten die Richtlinien der britischen Zonenverwaltung.

Peace for our times: Als sich Bürgermeister Wilhelm Kaisen (Mitte) im Sommer 1948 bei der Ministerpräsidenten-Konferenz in Koblenz einfand, war der „Grenzstreit“ mit Niedersachsen erledigt.
Bildvorlage: Bundesarchiv Koblenz

Schon am 29. April, also zwei Tage nach der Kapitulation der Hansestadt, gab es einen amerikanischen Chef der Militärregierung. Am 20. Mai ging die militärische Sicherheit in der Enklave von den Briten an die Amerikaner über. Die Amerikaner richteten sogenannte Detachments, Verwaltungseinheiten, für die Landkreise Osterholz, Brake, Nordenham und den Landkreis Wesermünde ein. Darin gab es jeweils neun Fachreferate: öffentliche Sicherheit, Wirtschaft, Gesundheit und Wohlfahrt, Finanzen und Vermögen, Ernährung und Arbeit, Gesetzeswesen, Transportwesen und Verkehr, Zivilverwaltung, Erziehung, Baudenkmäler, Religion und Kunst. Und dann war da noch das Port Command, zuständig für die Häfen und die Weser. Es unterstand direkt der amerikanischen Nachschubtruppe und wirkte als selbstständige Verwaltungseinheit – neben der Militärregierung und dem Kommando der amerikanischen Besatzungstruppen.

Ein Meilenstein: Militärgouvernor Browning erklärt im Oktober 1946, Bremen werde „reichsunmittelbar“ bleiben.
Quelle: Archiv des Weser-Kuriers

Theorie und Praxis

Doch Theorie und Praxis klaffen immer dann weit auseinander, wenn sich Beziehungen in einer Region über Jahrhunderte entwickelt haben. So auch im Fall der amerikanischen Enklave Bremen. So war der Landkreis Wesermarsch als Teil des damaligen Landes Oldenburg dorthin orientiert und die Osterholzer waren Bestandteil des einstigen preußischen Regierungsbezirks Stade der Provinz Hannover. Wollte beispielsweise eine Behörde Dienstgeschäfte in Oldenburg erledigen, sah sie sich gezwungen, enorme verwaltungstechnische Umwege in Kauf zu nehmen. Und um neue Verbindungen nach Bremen aufzubauen, fehlte den Verantwortlichen so kurz nach dem Ende des Krieges schlicht die Kraft.

Bereits im Herbst 1945 war klar, dass durch die Strukturen der Enklave einerseits und die gewachsenen Verbindungen andererseits ein verwaltungstechnisches Chaos entstanden war. Eine amerikanische Untersuchungskommission empfahl deshalb, sich auf die Städte Bremen und Bremerhaven zurückzuziehen – dieses geschah am 10. Dezember 1945. Auch die Stadt Wesermünde blieb unter dem Einfluss der Amerikaner. Damit war aus heutiger Sicht die Enklave Bremen nahezu deckungsgleich mit dem späteren Land Bremen. Einziger Unterschied: Die Verwaltung der Weser und der Weserhäfen fiel weiterhin in den Bereich des US Port Command.

Auf dem Weg zum Land Bremen

Pochte auf seine Führungsposition: der neue Bürgermeister Wilhelm Kaisen, hier mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Hinrich Kopf.
Bildvorlage: Wikicommons/Bundesarchiv Koblenz

Parallel mit der Einrichtung der „Enklave Bremen“ verlief die Diskussion auf deutscher Seite darüber, ob es sinnvoll sei, ein Land Bremen einzurichten – worauf die Hanseaten natürlich mit Verweis auf die Geschichte und ihre Selbstständigkeit setzten. Bereits im Oktober 1945 hatte der Oberpräsident der preußischen Provinz Hannover, Hinrich Kopf, bei einem Treffen mit Bremens Bürgermeister Wilhelm Kaisen vorgeschlagen, die Unterweserstadt solle sich Niedersachsen anschließen.

Kaisen lehnte ab und musste sich in den kommenden Jahren immer wieder Versuchen Hannovers erwehren, die nur allzu gerne das Zepter in Bremen in die Hand genommen hätten. Dies geschah teilweise mit, teilweise ohne Wissen der Briten. So stellten die Hannoveraner Anfang 1946 die in der Hansestadt ansässigen Reichsmittelbehörden wie das Landesarbeitsamt und die Oberfinanzdirektion oder auch das Landesernährungsamt unter ihre Fittiche – vergebens.

Die Lage Bremens war denn auch lange Zeit ungeklärt. Die Hansestadt befand sich sozusagen zwischen allen Stühlen. So gehörte Bremen dem britischen Gebietsrat in Hannover, dem Beirat der britischen Zone in Hamburg und dem Länderrat der US-Zone in Stuttgart an. Die Amerikaner ließen zudem die Bremer lange darüber im Unklaren, wie sie sich die Zukunft der Hansestadt vorstellen würden. Kaisen jedoch, der als geschickter Verhandler galt, schaffte es – zumindest der Legende nach – die Amerikaner davon zu überzeugen, dass Deutschland ein eigenständiges Land Bremen brauche.

Die Kinder Bremens wuchsen in ein neues Bundesland hinein.
Foto: Privatsammlung Buschmann

Im Sommer 1946 wurden die Bremer für ihre Geduld und Zähigkeit belohnt. Zu diesem Zeitpunkt kam erneut Bewegung in die Diskussion über die territoriale Neuordnung im Nordwesten Deutschlands. Die Briten wollten ihre Besatzungszone in vier Länder aufteilen. Eines davon sollte sich Niedersachsen nennen und beinhaltete die beiden Städte Bremen und Bremerhaven sowie Wesermünde, dessen Zuordnung auch noch nicht geklärt worden war.

Doch mit dem britischen Vorstoß wollten sich die Amerikaner nicht abfinden und hielten in einem Memorandum dagegen, dass Bremen als eigenständiges Land etabliert werden solle. Dieses Ziel bekräftigte der Direktor der Bremer Militärregierung, Colonel Browning, nochmals im Rahmen der Interzonenkonferenz im Oktober 1946 in der Hansestadt.

Die Spatzen pfiffen es von den Dächern: Bereits am 11. Januar 1947 berichtete der Weser-Kurier über die neueste Entwicklung.
Quelle: Archiv des Weser-Kuriers

Senat befasste sich mit dem Zuschnitt des neuen Landes

Im gleichen Monat befasste sich der Senat mit dem Zuschnitt des neuen Landes. Dafür hatten die Gouverneure der britischen und amerikanischen Besatzungszonen im Zuge der Bildung des Landes Niedersachsen zum 1. November 1946 bereits eine Empfehlung abgegeben.

So sollte das Land Bremen aus der Stadt Bremen inklusive der 1939 eingemeindeten Orte plus Bremerhaven und Wesermünde bestehen. Dies waren auf Bremer Seite die Landgemeinden Büren, Grambkermoor und Lesumbrok sowie die Stadt Vegesack. Hinzu kamen die ehemals preußischen Landgemeinden Aumund, Blumenthal, Farge, Grohn, Lesum und Schönebeck. Sie alle waren aus dem Landkreis Osterholz herausgeschnitten worden. Im Süden Bremens kamen Hemelingen, Arbergen und Mahndorf aus dem Landkreis Verden beziehungsweise dem Altkreis Achim hinzu. Ebenfalls in die Stadt Bremen eingemeindet wurden zum 1. Dezember 1945 die Landgemeinden Osterholz, Rockwinkel, Borgfeld, Lehesterdeich, Blockland, Strom, Seehausen, Lankenau, Huchting, Arsten und Habenhausen.

Bis in die 1950er Jahre hinein hatten die Autos im neuen Land Bremen schwarze Schilder Zulassungen mit weißer Schrift. Das „AE“ stand für „Amerikanische Enklave“.
Foto: frei

Bremen sortierte sich gebietstechnisch also neu. Dies geschah auch an der Wesermündung. So schied der Stadtkreis Wesermünde zum 31. Dezember 1946 aus dem Land Niedersachsen aus – jedoch nicht, ohne vorher seine Bürger darüber abstimmen zu lassen, wohin es sie zieht. Die Wesermünder sprachen sich für die Zugehörigkeit zu Bremen aus.

Zum 1. Januar 1947 wurden Bremen, Bremerhaven und Wesermünde als Staat im amerikanischen Kontrollgebiet ausgerufen. Der Senat fungierte als provisorische Staatsregierung. Im Februar 1947 vollzogen die Besatzungsbehörden die Eingliederung Wesermündes nach Bremen. Außerdem beschloss die Stadtvertretung Wesermündes, aus zwei eines zu machen: Bremerhaven und Wesermünde vereinigten sich zur Stadt Bremerhaven in ihren heutigen Grenzen. Die Bremische Landesverfassung trat am 21. Oktober 1947 in Kraft. Die Proklamation des neuen Landes wurde mit Datum vom 21. Januar am 22. Januar 1947 veröffentlicht – nur eben rückwirkend zum 1. Januar.

von Ulf Buschmann

Auf zu neuen Ufern: 1946/47 nahm die Wiedergründung Bremens Fahrt auf.
Quelle: Staatsarchiv Bremen/Archiv des Weser-Kuriers

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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