Ein Blick in die Geschichte (115): Foto zeigt Barackensiedlung Hinter den Ellern  

Das Quartier Hinter den Ellern liegt im Stadtteil Hemelingen. „Ellern“ sind Erlen, der Name geht zurück auf eine alte Flurbezeichnung. In dieser Straße gab es noch in den 1960er Jahren sogenannte Notwohnungen. Im Zweiten Weltkrieg hatte Bremen über die Hälfte seines Wohnungsbestandes verloren. Bei Kriegsende lebten noch circa 280.000 Menschen in der Stadt. Doch bald kamen Evakuierte und Ausgebombte zurück und auch mehr als 30.000 Flüchtlinge aus dem Osten des Deutschen Reiches ließen sich trotz offizieller Zuzugssperre in Bremen nieder. Sogenannte Kaisen-Häuser, oft nicht mehr als Parzellenhäuschen, und Flüchtlingslager dienten als Notquartiere.

Fragwürdige Idylle: Notwohnungen in der Strasse Hinter den Ellern.

Fragwürdige Idylle: Notwohnungen in der Strasse Hinter den Ellern.

Die Wohnungsnot wurde erst mit dem Bau der Neuen Vahr ab 1956 beseitigt. 1960 lebten in der Gartenstadt Vahr, der Neuen Vahr Nord und der Neuen Vahr Süd fast 20.000 Menschen. Die Gesamtanlage war ein städtebauliches Vorzeigeprojekt der architektonischen Moderne der Nachkriegszeit, das Anforderungen einer urbanen Infrastruktur (verkehrstechnische Anbindungen, Einkaufsmöglichkeiten, Sport- und Freizeiteinrichtungen) mit sozialen Überlegungen (Grünanlagen, Gemeinschaftseinrichtungen, verschieden große Wohneinheiten, soziale Mieten) verband.

Von der Baugenossenschaft GEWOBA wurden namhafte Architekten wie Säume, May, Hafemann und Aalto beauftragt. Am 12. August 1961 war die Neue Vahr fertig, eine diskutierte Unterpflasterbahn und eine Allwegbahn wurden allerdings nicht realisiert. In den 1950er und 60er Jahren sind die Notwohnungen in der Straße Hinter den Ellern Wohnblöcken gewichen. Ein Teil des Gebietes wurde in der jüngeren Vergangenheit saniert, einige Wohnungen abgerissen und zum Teil durch Einfamilienhäuser ersetzt.

Beengte Verhältnisse in den Baracken

Die Fotos geben Auskunft über die ärmlichen und beengten Wohnverhältnisse in den ein- bis zweiräumigen Baracken. In den Gärten davor wird Gemüse zur Selbstversorgung angebaut, ein Fahrrad ist ein wichtiges Transportmittel. Dennoch strömen die Bilder ein soziales Miteinander aus. Die Aufnahme aus der Vahr zeigt die Schneverdinger Straße links im Zentrum. Die beiden Hochhäuser sind das Hochhaus zur Neuen Vahr im Vorder- und das Aalto-Hochhaus am Einkaufszentrum Berliner Freiheit im Hintergrund.

Unter den Wolken: Blick von der Gartenstadt Vahr in die Neue Vahr.

Unter den Wolken: Blick von der Gartenstadt Vahr in die Neue Vahr.

Atmosphärisch dokumentiert das Foto den städtebaulichen Zeitgeist der 1960er Jahre. Auch wenn man bedenkt, dass viele Menschen nach dem Krieg aus ihren Notbehausungen heraus in diese neuen, vergleichsweise großzügigen und komfortablen Wohnungen einziehen konnten, ist der Lebenswert des Wohnens in solch einer Siedlung nicht erst aus heutiger Sicht fraglich. Wohnblocks, dicht an dicht bis zum Horizont, darüber die schweren Wolken – auch wenn es vom Fotografen zum Zeitpunkt der Aufnahme vielleicht nicht beabsichtigt war: die ambivalente Stimmung in solch einem modernen Stadtteil scheint jedenfalls gut eingefangen.

Das Fotoarchiv im Zentrum für Medien des Landesinstituts für Schule, aus dem diese Fotografien stammen, geht zurück bis in die Anfänge der 1920er Jahre, als reformpädagogische Lehrkräfte unter anderem die Bremische Lichtbildzentrale gründeten, die Bilder als Mittel der Veranschaulichung von Lehrbuch und Lehrerwort in den traditionellen Unterricht einbringen wollte.

Aus dieser Einrichtung ging nach dem Zweiten Weltkrieg die Landesbildstelle hervor, zu deren Aufgaben neben der Versorgung der Schulen mit Medien auch die Dokumentation aktuellen Zeitgeschehens und die Erfassung von Veränderungen der Infrastruktur Bremens sowie die Archivierung der Aufnahmen gehörten. Den Kern des Fotoarchivs im Zentrum für Medien stellen also die Bilder der ausgebildeten Fotografen der alten Landesbildstelle dar, der Bestand enthält circa 300.000 Dokumente, Negative und Positive, Glasdias, 9×9 Dias, normale Dias und Scans. Auch heute noch sind Fotografen im Zentrum für Medien tätig, um Zeitgeschehen für nachfolgende Generationen festzuhalten.

von Dr. Diethelm Knauf

Holzbaracken als Notwohnungen in der Strasse Hinter den Ellern.

Holzbaracken als Notwohnungen in der Strasse Hinter den Ellern.

75 Jahre Kriegsende

Neuanfang nach der Diktatur

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, lag Bremen größtenteils in Trümmern: Die dritte Ausgabe des ­Magazins WK | Geschichte schildert das allgegenwärtige Elend und die Sorgen der Bevölkerung. Es zeigt aber auch die ersten Schritte Richtung Zukunft auf – die Stadt unter der US-Flagge, die ersten Wahlen und die Verteidigung der Selbstständigkeit des Landes Bremens.

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