Vor 90 Jahren: Bremens erste Pilotin Hanna Kunath erfüllt sich ihren Traum

Vor 90 Jahren, im Jahr 1932, trat Hanna Kunath als erstes weibliches Mitglied in den „Bremer Verein für Luftfahrt“ ein. 1924 hatte die damals 15-Jährige anlässlich eines Flugtages auf dem vier Jahre zuvor eröffneten Bremer Flughafen beschlossen, das Fliegen zu lernen, wie es ihr Vater und Bruder bereits erfolgreich praktizierten.

Hanna Kunath stammte aus einem sportlichen Elternhaus. Der Vater Arno Kunath war seit 1890 Turnlehrer des Allgemeinen Bremer Turnvereins (mehr dazu hier), begründete 1892 in Bremen das Frauen- und Mädchenturnen und verfasste entsprechende Lehrbücher. Seine Frau Frieda Johanne, geborene Schindler, war schon mit vier Jahren eine begeisterte Schwimmerin.

Hanna Kunath in den 1960er-Jahren.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Familie Kunath war mit der Fliegerszene Bremens bekannt. Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld, der Pressechef des Norddeutschen Lloyd, Hermann Köhl und James Fitzmaurice, die Flieger, die Bremen 1928 mit dem ersten Non-Stop-Flug von Europa nach USA mit der “Bremen“ (mehr dazu hier) in aller Welt schlagartig berühmt machten, gehörten zu ihrem Bekanntenkreis. Cornelius Edzard, Direktor und Chefpilot der Norddeutschen Luftverkehrsgesellschaft in Bremen, der 1927 beim ersten Versuch der Atlantiküberquerung gescheitert war (mehr dazu hier), wurde Hanna Kunaths Lehrer.

Zielstrebig verfolgte sie – zunächst neben der Schule, später dann neben ihrer Arbeit als kaufmännische Angestellte – ihren Traum vom Fliegen. Sie wurde zusammen mit zwei anderen Mädchen durch Edzard und den Focke-Wulf-Mitarbeiter Kurt Waldemar Tank unterrichtet. Nach 100 Schulflügen unternahm Kunath am 13. August 1933 ihren ersten Alleinflug. Daneben lernte sie die Maschinen zu warten und zu pflegen. Nach Ausführung der vorgeschriebenen Ziellandungen – eines Geschicklichkeitsfluges und Überland- und Höhenflügen – war es dann am 30. August 1934 so weit: Hanna Kunath hielt ihren Flugzeugführerschein (A 2 Land) für Motorflugzeuge in Händen und war damit Bremens erste Pilotin und eine von 25 Frauen Deutschlands, die damals begannen, die männliche Domäne der Fliegerei zu erobern.

Zu dieser Zeit arbeitete Hanna Kunath als Sekretärin auf der „Bremer Kampfbahn“, dem Vorläufer des Bremer Weserstadions. Nicht nur dort, wo die NSDAP das Stadion für Aufmärsche nutzte, auch in der Fliegerei hatte der Nationalsozialismus zu entscheidenden Veränderungen geführt. Das Nationalsozialistische Fliegerkorps (NSFK) hatte die Führung übernommen und schulte Fliegen in paramilitärischer Absicht. Daran wollte Hannah Kunath sich nicht beteiligen (mehr zum Schicksal ihres Bruders Arno Carl Kunath hier). Sie verlegte sich auf den Segelflug und erhielt 1938 ihren Segelflugschein.

Vor dem Start: Hanna Kunath 1936.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

1939 nahm sie an einer Segelflug-Rallye, dem „Küstenflug 1939“, mit Ziel Wyk und Föhr teil und belegte den 3. Platz. Mit Kriegsausbruch wurde das Sportfliegen dann nahezu unmöglich. Hanna Kunath leitete nun in Bremen eine Frauensegelgruppe und bildete bis 1943 ehrenamtlich Mädchen und Frauen in der Segelfliegerei aus.

Nach Kriegsende war die Fliegerei bis 1951 verboten. Hanna Kunath setzte ihr Organisationstalent für ihren Wiederaufbau in Bremen ein. Sie besorgte Spenden für Flugzeuge und Flugplatzeinrichtungen, sie kümmerte sich um Flugzeugzulassungen und Wettbewerbe, sie schrieb für die Tagespresse und fotografierte. Ihren ersten Flug unternahm sie mit der Segelfliegertruppe der britischen Armee und erneuerte 1951 ihre Lizenz für Segelflug. Vier Jahre später hielt sie als erste Frau in Deutschland nach dem Krieg Silber-C in Händen, das Leistungsabzeichen des Segelfluges, und erneuerte 1956 auch ihren Motorflugschein.

Deutschlands älteste Sportfliegerin: Hanna Kunath 1992.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Als sich 1968 die Vereinigung Deutscher Pilotinnen (VDP) für deutsche Berufs- und Privatpilotinnen gründete, war es für Hanna Kunath keine Frage, sofort Mitglied zu werden. Denn gegenseitige Unterstützung, Vernetzung und Traditionspflege waren auch ihre Ziele beim Fliegen. Zwei Monate nach der Gründung wurde sie mit ihrem eigenen Flugzeug vom Typ Emeraude als 17. Mitglied aufgenommen. Zehn Jahre war sie im VDP als Referentin für Presse und Werbung tätig. Darüber hinaus betreute sie verantwortlich die Regionen Bremen, Niedersachsen und Hamburg. In dieser Funktion holte sie 1979 die Jahreshauptversammlung der VDP nach Bremen.

Insgesamt 54 Hobbyfliegerinnen, fast ein Drittel der Mitglieder, folgten der Einladung und flogen mit eigenen oder Vereinsmaschinen den Bremer Flughafen an. Hanna Hübner-Kunath, sie hatte 1970 in zweiter Ehe den Hamburger Kaufmann Werner Hübner geheiratet, die im selben Jahr ihren 70. Geburtstag feierte, war nun neben Elly Beinhorn die älteste aktive Fliegerin Deutschlands. Sie blieb bis zu ihrem Tode im Jahre 1994 aktiv in der Luft.

Noch mit 82 Jahren reiste Hanna Hübner-Kunath in ihrem geliebten Wohnmobil zu Fliegertreffen in ganz Europa. Sie galt lange Zeit als älteste aktive Sportfliegerin Deutschlands. „Ich bin nur aus Freude an der Sache geflogen – ohne jeden Ehrgeiz. Nur dieses ‚Nach oben‘ bedeutet mir so viel. Dieses Freisein in der Luft, das ist es“, beschreibt sie 1992 ihre Motivation zum Fliegen in der Zeitschrift „aspekte“. „Ich bin überzeugt, wer tüchtig ist und wer was kann, der wird sich immer durchsetzen, ganz egal wie. Nur: Frauen müssen immer mehr leisten als Männer!“, lautete das Fazit ihres Fliegerinnen-Daseins.

Hoch hinaus: Als erste Pilotin Bremens sorgte Hanna Kunath für Aufsehen, hier 1939 auf dem Bremer Flughafen. 
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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