Der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt Gröpelingen ist am Sonntag im Alter von 74 Jahren gestorben
Er war die Seele der Geschichtswerkstatt Gröpelingen: Günter Reichert, der langjährige Vorsitzende des Vereins. Nun ist er nach schwerer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben. Damit verliert der Stadtteil einen ebenso engagierten wie umtriebigen Freund und Förderer. Mit seinen Recherchen hat er das Wissen um das alte Dorf und den späteren Arbeiterstadtteil enorm bereichert, auch für Bremen History steuerte der frühere Lehrer mehrere Beiträge zur lokalen Kinogeschichte und über die Verbindungen der Kaufmannsfamilie Tölken nach Namibia bei.
Trotz seiner Krankheit war Reichert unverdrossen bis zuletzt, er hatte noch Pläne für die Zukunft. Das berichtet Jens Zimmerling, der zweite Vorsitzende der Geschichtswerkstatt. Erst in der vergangenen Woche hatte er ihm in der Palliativstation am Klinikum Links der Weser einen Besuch gestattet. „Da war er noch zuversichtlich, er wollte noch einiges machen.“ Zu Beginn dieser Woche hatte Reichert nach Gröpelingen zurückkehren wollen, mit pflegerischer Unterstützung hoffte er, der Krankheit noch einige Zeit abtrotzen zu können. Doch dazu kam es nicht mehr, am Sonntag verließen ihn seine Kräfte.
Dass die Geschichtswerkstatt im Gegensatz zu vielen anderen Heimatvereinen online so präsent war, war vor allem Reichert zu verdanken. Durch die liebevoll gepflegte Website sorgte er für eine weite Verbreitung und einfache Zugänglichkeit stadtteilhistorischer Inhalte. Dabei ging es Reichert keineswegs nur um unverfängliche Mitteilungen aus der „guten, alten Zeit“. In der Tradition der als Geschichtsforschung von unten entstandenen Geschichtswerkstätten scheute er sich nicht, auch heiße Eisen wie den Einsatz ukrainischer Zwangsarbeiter auf der AG Weser zu thematisieren.
Geschichtswerkstatt im Elternhaus
Seit Anfang 2014 befanden sich die Räumlichkeiten der Geschichtswerkstatt in seinem Elternhaus an der Liegnitzstraße. Dort wohnten Reichert und seine Frau Hedda seit 1988, zwischenzeitlich zusammen mit Mutter und Schwiegermutter. Nach dem Tod seiner Frau vor vier Jahren richtete Reichert im Erdgeschoss einen modernen, exzellent ausgestatteten Tagungs- und Versammlungsraum ein, der auch schon mal als Ausstellungsstätte diente.
Noch ungewiss ist, wie es mit der Geschichtswerkstatt weitergeht. „Es wird schwer werden, jemanden als Nachfolger zu finden“, sagt der zweite Vorsitzende Jens Zimmerling. Er selbst steht aus privaten Gründen nicht zur Verfügung, Anfragen im Verein blieben bislang ohne Erfolg. Derzeit hat die Geschichtswerkstatt 46 meist ältere Mitglieder, davon 24 aktive, die auch zu den Treffen kommen.
Wenn auch die Geschichtswerkstatt ohne Reichert noch nicht automatisch am Ende ist, so hängt ihr Fortbestand doch am seidenen Faden. Über die Nachfolge Reicherts soll bei den Vorstandswahlen im Mai entschieden werden. Bis dahin werden sich zumindest die Leser der Website auf Änderungen gefasst machen müssen – oder vielmehr darauf, dass sich nicht mehr allzu viel ändert. „Die Aktualisierung wird in nächster Zeit sicher sehr eingeschränkt sein“, bedauert Zimmerling.
von Frank Hethey