Der pensionierte Geschichtslehrer Asmut Brückmann legt ein neues Buch zur Bremer Geschichte vor
Asmut Brückmann stammt aus Wuppertal, seit 50 Jahren lebt er in Bremen. Der 78-Jährige hat Geschichte am Alten Gymnasium unterrichtet, seit seiner Pensionierung arbeitet er ehrenamtlich im Focke-Museum.
Herr Brückmann, Ihr neues Buch zur Bremer Geschichte liegt schwer in der Hand. Ich habe es mal gewogen: Es kommt auf 1,3 Kilogramm. Ist das Buch auch so gewichtig, wie es schwer ist? Oder handelt es sich um eine bloße Neuauflage Ihres Vorgängerwerks von 2008?
Asmut Brückmann: Eine Neuauflage ist es eigentlich nicht. Das alte Buch bildete den Grundstock, aber ich habe verschiedene Aspekte neu eingearbeitet. Zum Beispiel die Nachkriegsgeschichte, die einen großen Anteil ausmacht. Neu eingebaut ist auch die Hexenverfolgung. Oder im 19. Jahrhundert die Frage der Juden und welche Rolle Bürgermeister Smidt dabei gespielt hat.
Smidt hat nach Ende der französischen Herrschaft die Abschiebung der in Bremen ansässigen Juden forciert.
Dass er ein Judenfeind war, dürfte bekannt sein. Seine antijüdische Einstellung wirft einen dunklen Schatten auf diesen fähigen Staatsmann, er hielt – ich zitiere – „die Existenz der Juden in Deutschland für ein Übel“. Smidt betrachtete die Juden als Fremdkörper in einer christlichen Umwelt. Allerdings war er der Ansicht, die Taufe könnte diesen vermeintlichen Makel tilgen.
Ausgerechnet ein Mann wie Theodor Spitta hat das später bestritten. In seiner 1939 anonym publizierten Schrift „Bremens deutsche Sendung“ würdigte er Smidts judenfeindliche Politik. Er spricht vom „natürlichen rassischen Gefühl der Bremer“ (mehr dazu hier).
Das ist natürlich Unfug. Es dürfte zu weit gehen, Smidt einen rassisch motivierten Antisemitismus anzudichten. Den klassischen Antisemitismus gab es noch gar nicht zu seiner Zeit, es handelte sich eher um religiösen Antijudaismus. Smidt war offenbar in starken Vorurteilen gefangen.
Stichwort Antijudaismus: Sie erklären den Unterschied zum Antisemitismus in einem Textkasten. Das erinnert an Schulbücher.
Das ist aber eine absolut legitime Methode, um den Haupttext zu entlasten. Bestimmte Begriffe sind sperrig und bedürfen einer Erläuterung. Denken Sie zum Beispiel an den „Reichsdeputationshauptschluss“ – wer weiß denn heute noch, was damit gemeint ist?
Sie erläutern es: Damit wurden 1803 die Reichsfürsten für ihre Gebietsverluste an Frankreich entschädigt – auf Kosten der geistlichen Herrschaften, Reichsritterschaften und kleinen Reichsstädte. Der sprichwörtliche „deutsche Flickenteppich“ verschwand von der Landkarte.
Ganz genau. Dieses Buch ist für interessierte Laien gedacht, nicht für Fachhistoriker. Obwohl die es natürlich auch gern lesen können. Aber geschrieben ist es für jeden, der sich über Bremer Geschichte in verständlicher Sprache informieren will.
Da hört man den Pädagogen sprechen. Sie haben viele Jahre Geschichte am Alten Gymnasium unterrichtet.
Sicher ist meine Lehrererfahrung bei der Konzeption mit eingeflossen. Die Gesamtdarstellung ist chronologisch geordnet, aber manchmal unterbrochen durch Längsschnittkapitel. Da geht es dann unter anderem um die Automobilindustrie oder die Luftfahrt. Bestimmte Aspekte verfolge ich über einen längeren Zeitraum – das hat den Vorteil, dass man sich die Informationen nicht aus verschiedenen Kapiteln zusammensuchen muss.
So haben Sie es schon beim ersten Buch gemacht. Sehr zum Missfallen des früheren Staatsarchivleiters Hartmut Müller. In seiner damaligen Rezension äußerte er sein Unverständnis darüber.
Ich glaube, er hat die Absicht des Buchs nicht richtig verstanden und die Vorteile der Längsschnitte übersehen. Mir erschien es durchaus sinnvoll, die Geschichte der Bremer Luftfahrtindustrie oder die Entwicklung des Schulwesens in je eigenen Kapiteln zusammenzufassen. Über die Auswahl der Themen kann man natürlich verschiedener Meinung sein.
Als Autor muss man Schwerpunkte setzen. Geben Sie ein Beispiel.
Innenpolitisch ist die Ratsherrschaft zwischen etwa 1600 und 1800 ungebrochen. Da passiert im Gegensatz zur Außenpolitik wenig Neues. Ganz anders beispielsweise die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Stadt ein neues Gesicht erhielt. Oder der kulturelle Neubeginn in den 1960er- und 1970er-Jahren, als die Jugend aufbegehrte und gegen Atomkraft und Rüstung auf die Straße ging. Das Bremer Theater in der Ära Hübner gehörte mit seinen provozierenden Inszenierungen dazu. Den Jüngeren ist vielleicht nicht mehr so präsent, dass das Bremer Theater mal Vorreiter war in Deutschland.
Präsentieren Sie den Lesern eine echte Neuigkeit?
Das kommt auf den jeweiligen Wissensstand an. Aber zum Allgemeinwissen gehört sicher nicht, dass in Bremen im 17. Jahrhundert das erste deutsche Zucht- und Arbeitshaus gebaut worden ist.
Wirklich positiv klingt das jetzt nicht …
Trotzdem war es ein Reformmodell. Als fortschrittliche Institution der Sozialpolitik nach dem Vorbild der damals in Europa führenden Niederlande. Das hängt mit der Reformation zusammen, besonders mit der calvinistischen Variante des Protestantismus bei den Niederländern. Arbeit wurde neu bewertet. Die Reformation hat Arbeit als gottgefälliges Leben geadelt. Wer diesem Arbeitsideal nicht entsprach, musste dazu erzogen werden.
War die Neubearbeitung des Themas eigentlich Ihre Idee?
Nein, die Initiative ging vom Verlag aus. Das Ziel war die Bremer Geschichte in einem Band. Eine handliche Ausgabe für ein breites Publikum.
Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?
Angefangen habe ich vor vier bis fünf Jahren, zwischendurch ist es mal liegengeblieben. Nicht einfach war die Bebilderung, von Anfang an sollte das Buch viele Illustrationen haben. Ziemlich intensiv war dann die Zeit von Frühjahr bis Herbst 2021. Und jetzt bin ich ganz glücklich darüber, dass dieses Buch endlich vorliegt.
Asmut Brückmann: Bremen. Geschichte einer Hansestadt, mit 720 Abbildungen, Edition Falkenberg, 42 €. Die offizielle Buchvorstellung findet am Dienstag, 6. September, um 19 Uhr im Focke-Museum statt.