Kam in Bremen als Namensgeber eines Teilstücks der Parkallee zu Ehren: der spanische Putschisten-General Francisco Franco.
Quelle: Biblioteca Virtual de Defensa

Zur Ausstellung über den Spanischen Bürgerkrieg: Wie Bremen die Fliegertruppe nach ihrer Rückkehr aus Spanien ehrte  

Ziemlich spanisch dürfte den Anwohnern des Parkviertels vorgekommen sein, was sie am 6. Juni 1939 einer dürren Mitteilung der Zeitung entnehmen konnten. Hatten sich doch quasi über Nacht die Namen ihrer Straßen geändert. Wer an der Parkallee zwischen Tunnel und Stern wohnte, musste sich ab sofort mit der neuen Bezeichnung Franco-Allee anfreunden. Und wer den Stern meinte, sollte künftig vom Spanischen Platz sprechen. Gewöhnungsbedürftig auch, was den Anwohnern der Caprivistraße und Parkstraße mit auf den Weg gegeben wurde – ihre Adresse lautete nunmehr Legion-Condor-Straße.

Nicht nur in Bremen, auch anderswo in Deutschland rieben sich zahlreiche Menschen die Augen. Jahrelang war die deutsche Intervention in Spanien als Geheimsache behandelt worden, doch zwei Monate nach Ende des Bürgerkriegs überschlugen sich plötzlich die Meldungen, allerorten wurde die Legion Condor in den Himmel gehoben. Die neue Gangart hatte Methode. „Am 30. Mai ist für die Abendausgaben der Name ‚Legion Condor’ endgültig frei“, lautete die Richtlinie des Propagandaministeriums. Vom Augenblick der Einschiffung in Spanien müssten die Berichte „ganz groß herauskommen“, bis zur Ankunft in Berlin am 6. Juni dürfe keine Lücke entstehen. Eine Marschroute, die auch in den Bremer Nachrichten beherzigt wurde. Täglich bekamen die Leser neue Heldenberichte aufgetischt.

Die Kehrseite der Medaille: Die Rückkehr der Legion Condor aus Spanien bedeutete vielerorts das Aus für liebgewonnene Straßennamen. Der Grund: Die Reichsregierung hatte den Städten und Kommunen mehr oder weniger zwingend ans Herz gelegt, die Ankunft der Luftwaffen-Einheit mit passenden Straßennamen zu feiern. In Berlin eine umjubelte Parade der deutschen Legionäre und zeitgleich in den deutschen Städten neue Straßennamen mit spanischem Bezug, das war der Plan. Wobei Hamburg sogar vorpreschte und bereits zum Empfang der Spanien-Kämpfer am 31. Mai 1939 eine Franco-Allee aus der Taufe hob.

Legion Condor im Kampf gegen die Republik 

Fast während der gesamten Dauer des knapp dreijährigen Bürgerkriegs hatte die Legion Condor auf Seiten des faschistischen Putsch-Generals Franco gegen die Republik gekämpft, bis heute verknüpft sich vor allem die Zerstörung von Guernica mit ihrem Wirken.

Wenn auch speziell diese Schreckenstat gern heruntergespielt wurde, sollte der Kampfeinsatz an sich unvergessen bleiben. „Die Namen dieser Straßen und des Platzes werden eine stete Erinnerung sein an die opfervollen Kämpfe tapferer Legionäre auf spanischem Boden“, ließ der Regierende Bürgermeister Heinrich Böhmcker im zeittypischen Pathos wissen.

Auf einmal Schlagzeilen: Die Bremer Nachrichten machten am 26. Mai 1939 mit Nachrichten aus Spanien auf.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Damit gebe Bremen seinen Dank gegenüber den Condor-Legionären auch äußerlich Ausdruck. Eine Art höhere Verpflichtung nicht zuletzt deshalb, weil zahlreiche Bremer „als Freiwillige in Spanien gegen den Bolschewismus“ gekämpft hätten. Eine sehr eigenwillige Auslegung der Wahrheit. Denn Freiwillige waren die deutschen Spanienkämpfer nicht gewesen, sondern Angehörige der deutschen Luftwaffe. Doch die verschleiernde Sprachregelung blieb auch nach dem offiziellen Eingeständnis der deutschen Beteiligung erhalten.

Wer sich über den Spanischen Bürgerkrieg informieren will, hat dazu noch bis zum 31. März im Foyer der Unibibliothek in der von Prof. Jörg Wollenberg konzipierten Ausstellung reichlich Gelegenheit. An sich zum 80. Jahrestag des Kriegsausbruchs im vergangenen Jahr für den Bremer Presse Club erstellt, ist die Schau jetzt noch einmal zu sehen. Für einen Moment lebt das blutige Geschehen wieder auf, die Besucher erhalten einen instruktiven Einblick in die Wirrnisse und Irrnisse des Kampfes zwischen den rebellischen Anhängern der alten Ordnung und den Verteidigern der Republik, die sich zu allem Überfluss teils auch noch untereinander bekämpften, einen Bürgerkrieg im Bürgerkrieg führten.

Keine regionalen Bezugspunkte in der Ausstellung

Informiert über den Spanischen Bürgerkrieg: Noch bis zum 31. März ist die aktuelle Ausstellung im Foyer der Uni-Bibliothek zu sehen.
Foto: Frank Hethey

Bedauerlich nur, dass in der Ausstellung regionale Bezugspunkte fast gänzlich fehlen. Nur unter ferner liefen taucht der Gröpelinger Widerstandskämpfer Heinrich Schramm auf, von Mai bis Juli 1937 der erste Kommandeur des Hans-Beimler-Bataillons der XI. Internationalen Brigade. Eine verpasste Chance, zumal Wollenberg ein ausgewiesener Kenner der Materie ist. Lange Jahre hat der 80-Jährige an der Uni Bremen zur regionalen Arbeiter- und Sozialgeschichte geforscht und sich dabei auch mit Bremer Spanienkämpfern beschäftigt. Umso erstaunlicher, dass davon so gut wie nichts in die Ausstellung einfließt. Dabei bietet nicht zuletzt das Phänomen der umbenannten Straßen im Parkviertel eine ausgezeichnete Gelegenheit, einen Blick durch die regionale Brille zu werfen.

Keine Frage: Die Umbenennung von Straßen war und ist ein erprobtes Mittel, um dem kollektiven Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Bereits wenige Wochen nach der Absetzung des demokratisch legitimierten Senats am 5. März 1933 gab es die ersten Namensänderungen, wurde der öffentliche Raum der Straße quasi handstreichartig in Besitz genommen. Am 1. April 1933 erhielt die Große Weserbrücke den Namen Adolf-Hitler-Brücke, die Friedrich-Ebert-Straße hieß fortan Hauptmann Göring-Straße, aus der Rathenaustraße wurde die Richthofenstraße und aus der Neuen Bismarckstraße die Schlageterstraße. Als zeitgemäße Namensgeber dienten neben dem „Führer“ und seinem getreuen Gefolgsmann auch der bekannte Jagdflieger Baron von Richthofen aus dem Ersten Weltkrieg und mit Albert Leo Schlageter ein früher „Märtyrer“ der Bewegung.

Auch Namensgeber einer Hauptstraße: General Erich Ludendorff.
Quelle: Postkarte

Doch das war noch längst nicht alles, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs folgten noch eine Reihe weiterer Umbenennungen. In den Reigen der NS-Namensgebungen gehört auch die Langemarckstraße, die erst seit November 1937 so heißt. Der Anlass: der 23. Jahrestag der Schlacht von Langemarck im Ersten Weltkrieg, bei der Studenten mit dem Deutschland-Lied auf den Lippen in den Tod gegangen sein sollen. Mit einer eigenen Straße wurde nach seinem Ableben auch des Generals Erich Ludendorff gedacht, seit Februar 1938 führte der frühere Straßenzug Georgstraße/Kaiserstraße den Namen General Ludendorff-Straße.

Neue Straßennamen hatten Konjunktur in der NS-Zeit 

Kurzum, im „Dritten Reich“ hatten geänderte Straßennamen eine anhaltende Konjunktur. Freilich war die Initiative stets von lokalen Stellen ausgegangen. In der ersten Euphorie nach der Machtübernahme wollte kaum eine Gemeinde zurückstehen beim Wettlauf um neue Straßennamen. Schließlich musste sogar das Reichsinnenministerium auf die Bremse treten und inflationären Umbenennungen einen Riegel vorschieben. Ganz besonders dann, wenn eher unbedeutende Straßen nach Hitler oder sonstigen Parteigrößen benannt wurden.

Anders allerdings im Falle der Condor-Legionäre. Diesmal kam der Anstoß nicht von unten, sondern von oben. In den offiziellen Verlautbarungen wurde daraus auch überhaupt kein Hehl gemacht, von einer „Anregung der Reichsregierung“ war im Statement des Bremischen Staatsamts die Rede. Ein Wink mit dem Zaunpfahl also, der die Städte und Kommunen überall im Reich in Zugzwang brachte.

Sonderlich viele Variationsmöglichkeiten hatten die Beamten vor Ort nicht. Naheliegend war die Umbenennung einer Straße in Legion-Condor-Straße, alternativ bot sich General Franco als Namensgeber an. Wer es etwas weniger martialisch haben wollte, behalf sich mit einer Spanischen Straße. Gleich das gesamte Paket in Anspruch zu nehmen, scheint eher ungewöhnlich gewesen zu sein. Doch genau das geschah in Bremen – anscheinend sollte damit ein besonderer Enthusiasmus bekundet werden.

Nun auch beim Namen genannt: Ab Ende Mai 1939 durfte von Legion Condor die Rede sein, vorher nur von der Deutschen Legion.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Warum die Wahl ausgerechnet auf die Örtlichkeiten im vorderen Schwachhausen fiel, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei ergründen. Die einschlägigen Akten im Staatsarchiv schweigen sich darüber aus. Man darf aber annehmen, dass damit ein unmissverständliches Zeichen gesetzt werden sollte. Nicht umsonst wies das Staatsamt ausdrücklich darauf hin, dass die erwählten Straßen „im schönsten Stadtteil“ gelegen seien. Mit anderen Worten: Für die umfängliche Ehrung der Legion Condor war das Beste gerade gut genug.

Aktion zu spontan für eine ordnungsgemäße Beschilderung

Freilich fiel die Aktion zu spontan aus für eine ordnungsgemäße Beschilderung schon am Tag der Umbenennung. „Provisorische Schilder werden heute angebracht“, verkündeten die Bremer Nachrichten am 7. Juni 1939, reguläre Schilder aus Metall folgten erst einige Wochen später. Ein zeitgenössischer Schnappschuss zeigt das neue Schild „Spanischer Platz“ am vormaligen Stern. Aufgenommen hat es der pensionierte Verwaltungsinspektor Friedrich Sorger, der im Sommer 1939 bei seinen Streifzügen durch Bremen eine Vielzahl faszinierender Farbfotos machte.

Immer wieder für einen Titelaufmacher gut: die einzelnen Stationen der heimkehrenden Legion Condor.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Die „stete Erinnerung“ an die deutschen Legionäre war dann aber doch nicht so langlebig wie gedacht. Der Zweite Weltkrieg war kaum vorüber, als Bremen die Umbenennungen von 1939 mit einem Federstrich wieder rückgängig machte. Bei den Anwohnern kam die Maßnahme gut an. „Ich höre heute, daß Sie veranlaßt haben, daß der Name Legion-Condorstraße aufgehoben ist, und unsere Straße wieder den alten Namen Parkstraße erhalten hat“, schrieb der Rechtsanwalt Hans Degener-Grischow am 6. Juni 1945 – dem sechsten Jahrestag der Umbenennung – in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister Erich Vagts. „Ich freue mich ganz besonders darüber, daß der Name Parkstraße, der seit vielen Jahren bestanden hatte, uns wieder zurückgegeben ist.“ Aus lauter Dankbarkeit legte Degener-Grischow seinem Schreiben einen Scheck in Höhe von 300 Reichsmark für wohltätige Zwecke bei.

Der Regierende Bürgermeister nahm den Beifall mit Genugtuung auf. Seine Entgegnung im Antwortschreiben an Degener-Grischow: Mit Freuden habe er zur Kenntnis genommen, dass „die Wiedereinführung des alten Straßennamens offenbar die Billigung der Bewohner“ gefunden habe.

Dass nicht nur die Legion-Condor-Straße und die Franco-Allee, sondern auch der vergleichsweise harmlos klingende Spanische Platz so rasch auf dem Schutthaufen der Geschichte landete, dürfte Bremen eine Menge Ärger erspart haben. Denn andernorts, wo man sich der spanischen Straßennamen nicht bei erstbester Gelegenheit entledigte, sorgten sie später für reichlich Unbehagen. Einen eleganten Ausweg fand man in Berlin-Zehlendorf. Dort behielt die Spanische Allee ihren Namen, wurde aber durch einen Guernica-Platz mit Hinweistafeln ergänzt.

von Frank Hethey

Als der Stern plötzlich nicht mehr Stern hieß: Am 6. Juni 1939 wurde der Verkehrsknotenpunkt in Spanischer Platz umbenannt.
Bildvorlage: Gerald Sorger

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
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50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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