Die Wallanlagen erhalten und gleichzeitig Parkraum schaffen: für die Städteplaner eine besondere Herausforderung – hier das Herdentor 1953.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

Die Idee der Wallgarage hat eine lange Geschichte

Im letzten Jahr machte die Idee einer Großgarage unter dem Wall die Runde. Damit würden die Parkhäuser im Stadtzentrum überflüssig und neue Geschäfte und Flanierstrecken möglich, hieß es von den Initiatoren. Im November platzte dann der Traum, nachdem eine Machbarkeitsstudie zu dem Ergebnis gekommen war: technisch möglich, aber unwirtschaftlich!

Es war nicht zum ersten Mal, dass der Wall und die Wallanlagen für eine Lösung der Parkplatzfrage in Betracht gezogen wurden. Wie kaum eine vergleichbare Großstadt ist in Bremen die Altstadt noch deutlich definiert durch den geschlossenen Ring der Wallanlagen. Während in anderen Städten dort breite Ringstraßen, Bahnhöfe oder Justizpaläste gebaut wurden, entstand hier eine Grünanlage, die heute ein Gartendenkmal ist. So identitätsstiftend dieser homogene grüne Ring um das Stadtzentrum auch war und ist – die Stadt- und vor allem die Verkehrsplaner mögen ihn nicht selten als eine Fessel empfunden haben.

Dies umso mehr, als die nach dem Zweiten Weltkrieg rasch einsetzende und in ihrer Stärke überraschende „Automobilisierung“ der Städte die Planer vor ungeahnte Probleme stellte, für die es keine standardisierte Lösungen gab. Dieser wachsende Verkehr strömte in die Innenstädte, nicht nur, weil die alten Hauptstraßen durch das Zentrum hindurchführten, sondern vor allem, weil die Innenstädte Zielort für die dort Beschäftigten und die Kunden der dort gelegenen Geschäfte war.

Beschäftigte und Kunden, die mit ihren Autos in die Innenstädte strebten, erzeugten schließlich „ruhenden Verkehr“. Schon bald zeigte sich, dass die Flächen für das Parken nicht ausreichten. In Bremen spielte bei den verschiedenen diskutierten Lösungsansätzen zur Behebung der „Verkehrsnot“, von der man damals etwas dramatisierend sprach, auch die Wallanlagen eine wichtige Rolle. Zum einen bei der Frage, ob der ruhende Verkehr innerhalb oder außerhalb des Wallrings seinen Schwerpunkt finden sollte, zum anderen bei der Frage, ob man nicht auch den Park zum Parken nutzen könnte.

Sollte erhalten bleiben: die Wallgrabenidylle, hier am Bischofstor um 1960.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

Debatte um den richtigen Weg in der Parkplatzfrage 

Die Debatte um den richtigen Weg in der Parkplatzfrage wurde vor allem von den „Bremer Nachrichten“ befördert. Mit zahlreichen Beiträgen und Veröffentlichungen von Einzelpositionen griff das Blatt das Thema immer wieder auf. Als Höhepunkt diese Auseinandersetzung kann das Jahr 1954 angesehen werden. Bevorzugtes Ziel der Kritik waren die Leistungen der Stadtplanungsbehörde. „Bremens Stadtplanung reicht nicht aus“, wurde im November 1954 ein ganzseitiger Beitrag überschrieben. Darin zweifelte der Autor unter Verwendung drastischer Vergleiche die Aktualität des Verkehrslinienplans von 1949 an und kritisierte die Langsamkeit seiner Umsetzung in Anbetracht der rasanten Verkehrsentwicklung.

Die Stimmung, die die Diskussionen damals beherrschte, glich beinahe der panischen Reaktion auf eine Naturkatastrophe. In solch einer Lage müsse man zu ungewöhnlichen und auch zu unbequemen Maßnahmen greifen, so der Tenor. Mit Hinweis auf den Amsterdamer Polizeipräsidenten, der vorgeschlagen hatte, die Grachten zuzuschütten, um den wachsenden Verkehr in seiner Stadt zu bewältigen, fragt der Kommentator der Bremer Nachrichten: „Muß auch Bremen eines Tages die Wallanlagen opfern, um Parkgelegenheiten zu schaffen?“

Sollte vergrößert werden: der Parkplatz am Kastanienwäldchen. Das Luftbild von 1953 zeigt parkende Autos neben dem Verkehrspavillon.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

Das Stadt- und Polizeiamt hatte mit einem Antrag bereits konkrete Forderungen für Umnutzungen von Teilen der Wallanlagen zu Parkplätzen erhoben. Auf seiner Liste standen unter anderem die Fläche vor dem Polizeihaus, an der Bürgermeister-Smidt Straße, am Herdentor bei der Vase sowie die Vergrößerung eines bereits bestehenden Parkplatzes im Kastanienwäldchen.

Der wohl ungewöhnlichste Vorschlag für eine Umnutzung der Wallanlagen für Parkplätze stammte aber von dem angesehenen Architekten Heinrich Wilhelm Behrens (1873 bis 1956). Er überraschte im November 1954 das Bremer Publikum mit der Idee, „die Stadtgräben vom Ostertor bis zum Stephanitor als Garagen und Parkplätze auszubauen, und zwar unter Wasser gelegen, so daß das wunderschöne Landschaftsbild des Walles mit den Stadtgräben nicht verschandelt wird.“

Keine ganz neue Idee

Viele Autos, großes Chaos: Parkfläche an der Marterburg in den 1970er Jahren.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

Behrens griff mit seinen Vorschlag auf ein bereits in den zwanziger Jahren von dem Bremer Stadtplaner Karl Hamens ausgearbeitetes Konzept zurück, das dieser auch in anderen Städten, zum Beispiel Dortmund, vorgestellt hatte, und das er 1950 dem Bremer Stadtplanungsamt und 1951 dem Bundesverkehrsministerium zur Prüfung vorgelegte. Nach Hamens’ Berechnungen könnten pro Grabenabschnitt Garagen für 1500 bis 2000 Autos entstehen. Die Lösung faszinierte nicht zuletzt deshalb, weil sie das Bremer Parkplatzproblem fast auf einem Schlag zu lösen versprach, hässliche Hochbauten vermied und gleichzeitig nur unwesentlich die Gestalt von Bremens schönster Grünanlage beeinträchtigte. Doch Hamens’ Pläne wurden – wohl als unwirtschaftlich eingestuft – ad acta gelegt. Punktuelle Parkhäuser schienen die bessere Lösung zu sein.

Doch selbst als um 1960 die ersten Parkhäuser inner- und außerhalb des Wallrings gebaut waren, lastete immer noch ein großer Druck auf der neu gegründeten Bremen Parkplatz-Gesellschaft und den Stadtplanern angesichts der nach wie vor als Notsituation aufgefassten Verkehrslage in Bremen. Das führte zu immer neuen Projektankündigungen und gewagten Lösungsansätzen.

So stand zur Debatte, den Wochenmarkt auf dem Domshof zu verlegen, um hier ganztägig parken zu können. Die Zeitungen beteiligten sich an der Suche nach potenziellem Parkraum in der Innenstadt. Der Weser-Kurier rechnete am 24. Juni 1963 seinen Lesern vor, dass von 5116 möglichen öffentlichen Abstellplätzen in der Kernstadt höchstens 2000 den Kraftfahrern zur Verfügung stünden. Selbst kleinere private Garagenprojekte wurden in der Presse lobend herausgestellt. Kein Wunder, dass auch als utopisch eingestuften Ideen aus den frühen fünfziger Jahren, wie eine Tiefgarage unter der Schlachte oder das Projekt Wallgrabengarage, erneut diskutiert wurden.

Bremens erstes Parkhaus: Das Parkhaus Mitte wurde 1960 eröffnet.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

Koschnick 1963 für die Wallgrabengarage

Auf Anfrage des Weser-Kuriers äußerten sich im Frühjahr 1963 wichtige Politiker und Fachleute positiv zu einem Vorhaben Wallgrabengarage, mit dem bis zu 2000 Parkplätze geschaffen werden könnten. Der spätere Bürgermeister und damalige Sprecher der Deputation für Inneres, Hans Koschnick, wird zitiert: „Unter der Voraussetzung, dass der historische Charakter der Wallanlagen erhalten bleibt, würde ich einem solchen Vorhaben zustimmen. Wir brauchen diese grüne Lunge in der Innenstadt dringend, wir brauchen aber ebenso dringend auch Parkflächen.“ (WK 6.4.1963).

Die Überlegungen gingen unter anderem in die Richtung, das Bauwerk zudem als Schutzraum auszubauen, um auf diese Weise auch vom Bund finanzielle Unterstützung zu erhalten. Eine Strategie, die bei einigen späteren Garagenbauten (zum Beispiel der Tiefgarage Sedanplatz in Vegesack) umgesetzt wurde.

Dass die Baugedanken für die Wallgarage nicht nachdrücklich weiter verfolgt wurden, mag an der unsicheren finanziellen Bewältigung eines solchen Konzeptes gelegen haben. Aber auch an der Tatsache, dass sich die Akteure in der damaligen Verkehrsdebatte zu wenig einig waren, um ein solches Großprojekt durchzuführen. Zu widersprüchlich waren die Einzelinteressen von Kaufhauskonzernen, mittelständigen Geschäftsinhabern, innerstädtischen Arbeitgebern, Politikern der unterschiedlichen Parteien und Ressorts (für Verkehrsfragen waren zum Beispiel in Bremen der Bausenator, der Senator für Inneres sowie der Senator für Häfen, Schiffahrt und Verkehr zuständig).

Der Clou: ein unterirdischer Rollsteig von der Wallgrabengarage zum Marktplatz.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

Und schließlich gab es auch unter den Bürgern unterschiedliche Auffassungen – nicht alle waren uneingeschränkt Autoliebhaber, ab Beginn der sechziger Jahre mehrten sich kritische Stimmen gegen einen Verlust an Urbanität infolge eines „autogerechten“ Umbaus der Städte.

Comeback der alten Idee

Doch keine zehn Jahre später tauchte die Idee erneut auf. Diesmal in einem Gutachten des Verkehrsexperten Prof. Walter Grabe von der Technischen Universität Hannover, der zuvor schon ein Gutachten zu einem möglichen U-Bahn-Bau in der Hansestadt vorgelegt hatte. Diesmal ging um Analysen, Prognosen und Empfehlungen zum ruhenden Verkehr in der Hansestadt. Auftraggeber waren der Bausenator, die Parkplatz-Gesellschaft und die Handelskammer. Das Gutachten wurde in zwei Teilen 1969 und 1970 vorgelegt.

Ausgangspunkt war ein seit Mitte der sechziger Jahre prognostiziertes Wachstum der Stadt auf 840.000 Einwohner. Trotz der bereits durchgeführten Planung eines verbesserten öffentlichen Nahverkehrssystems mit U-Bahn und S-Bahn schlug Grabe für den ruhenden Verkehr im Stadtkern als Zielplanung den Bau von dreizehn neuen Parkhäusern vor, so dass Bremen mittelfristig zwanzig Parkhäuser mit insgesamt 9000 Stellplätzen aufweisen würde. Hinzu kämen Bürgerweide und Teerhof als offene Parkplätze mit 6500 Plätzen. Grabe schloss die Möglichkeit nicht aus, die Kapazität der Bürgerweide mit Parkdecks von 4000 auf 6000 erhöhen zu können. Die Parkkapazität des Teerhofs ließe sich durch den Bau eines Großparkhauses von 600 auf 2500 erhöhen.

Gewissermaßen als Krönung seiner Empfehlungen kann die Neuauflage der Idee einer Wallgrabengarage gelten. Gleich einer großen Schlange sollte sie sich in zwei Untergeschossen mit je 700 Plätzen zwischen Herdentor und Bischofstor erstrecken. Die Zu- und Abfahrt war über den Rembertikreisel gedacht. Ein unterirdischer Rollsteig von der Garage zum Marktplatz wäre ein zusätzlicher Clou gewesen.

Bremen noch einmal neu gedacht: Titelblatt der Leon Krier-Studie von 1980.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

 

Das neue Gutachten war schon bald überholt

Das Gutachten inklusive Wallgarage war bereits kurz nach seinem Erscheinen überholt. In der „Verkehrskonzeption 1971“ der Planungsbehörde war als Kernforderung festgelegt wurde, dass unter den Verkehrsaufgaben vorrangig der öffentliche Personennahverkehr zu fördern sei. Die Ziele für den ruhenden Verkehr lauteten: Park-and-Ride-System mit Abstellplätzen an geeigneten Punkten, Beschränkung des ruhenden Verkehrs in der erweiterten Innenstadt auf den Besucher-, Kunden- und Lieferverkehr; Verdrängung der Dauerparker aus der Innenstadt; Einführung eines Parkleitsystems.

Und im Dezember 1973 beschloss die Bremische Bürgerschaft: „In der Innenstadt sollen keine weiteren Großgaragen geplant werden.“ Ein Paradigmenwechsel vollzog sich. Die Innenstädte sollten fußgängerfreundlich sein, nicht autogerecht.

Auch der neue Staatsrat im Bauressort, Eberhard Kulenkampff, setzte hier entscheidende Akzente. 1979 beauftragte er den jungen Luxemburger Architekten Leon Krier, mit einer Studie das Bremer Stadtbild neu zu überdenken. Das Ergebnis mit dem bezeichnenden Titel „Bremen. Der Wiederaufbau einer deutschen Stadt“ lieferte einen radikalen Vorschlag, das Vorkriegsstadtbild mit der giebel- und turmreichen Weserfront wiederaufleben zu lassen.

Sollten raus aus der Stadt: der automobilen Dominanz in der Stadt wollte der Architekt Leon Krier ein Ende bereiten.
Quelle: Bremer Zentrum für Baukultur

Auf den ersten Blick, und besonders bei der am häufigsten publizierten Weseransicht, entstand der Eindruck, der Architekt habe auf die bestehende Bausubstanz keine Rücksicht genommen. Betrachtet man die Studie genauer ist festzustellen, dass Krier sehr wohl sorgfältig mit der Bausubstanz verfuhr. Die Neubauten an der Weser, meist kleinere Giebel- oder Doppelgiebelhäuser, sollten alle auf städtischem Grund vor die bestehende Bebauungskante errichtet werden. Sie wurden ergänzt durch einige öffentliche Monumente (Haus der Universität, Bremer Bauhütte) und einige historische Rekonstruktionen (wie den Ansgari-Kirchturm).

Die Großparkhäuser als Dorn im Auge 

Gemessen an der Radikalität seines Entwurfs verwundert es, wie wenige Gebäude er unter „notwendiger Abriss“ einstufte. So waren – neben der Kaufhalle am Brill – vor allem die Großparkhäuser Krier ein Dorn im Auge. Die notwendigen Parkgaragen wollte er – und da kommt der bekannte alte Gedanke wieder ins Spiel – unterirdisch in den ehemaligen Bastionen der Wallanlagen unterbringen. „Diese Bauwerke könnten mit Bundesgeldern etwa als Atom-Bunker ausgebaut werden“, formuliert der Architekt. Die Studie fand zwar in Architektur-Fachkreisen Beachtung und wurde auf der ersten Architekturbiennale 1980 in Venedig vorgestellt, aber in der Bremer Lokalpolitik nur als utopischer Spleen wahr- und nicht wirklich erstgenommen.

Als nun 2015 die alte Idee einer Unterwallgarage wieder aufgelegt wurde, konnten sich Kenner der lokalen Planungs- und Baugeschichte ein Schmunzeln kaum verkneifen. Bremen scheint einfach kein Pflaster für radikale Ideen zu sein. Vielleicht ist das Paradoxon, eine fußgängerfreundliche Innenstadt und innenstadtnahe Grünflächen zu besitzen und zugleich all diese Schönheiten leicht von überall zu erreichen, erst dann zu überwinden, wenn sich unser Mobilitätsverhalten grundlegend ändert.

Zu hoffen, dass letzteres eintritt, ist wohl schon wieder eine Utopie.

von Prof. Dr. Eberhard Syring

Wie nur Parkplätze für die vielen Autos schaffen? Fü+r Stadtplaner in den 1960er Jahren die entscheidende Frage – hier: Kreisverkehr am Ansgaritor um 1963.
Quelle: bremer zentrum für baukultur

 

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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