Ausrufung der Räterepublik

Wenige Tage später finden Neuwahlen zum Arbeiterrat statt, bei denen die MSPD die Mehrheit erhält. Dass die MSPD massiv in den bürgerlichen Kreisen um Stimmen warb, sorgt für starke Kritik in den Reihen der Kommunisten und der USPD. Zudem werden in den Soldatenrat auch reaktionäre Kräfte gewählt – ein Schock für die Bremer Revolutionäre.

Daraufhin kommt es am 10. Januar zu einer Demonstration, zu der die KPD aufgerufen hat, weil ihr Geld für ein bewaffnetes Arbeiterbataillon verweigert wird. Während eine Musikkapelle spielt, marschieren einige Kommunisten zum Aktionsausschuss. Sie verkünden, dass die KPD die Macht übernommen habe. Senat und Bürgerschaft sind abgesetzt. Frasunkiewicz tritt erneut vor die Menge und gibt bekannt: „Hiermit erkläre ich die bürgerliche Demokratie und den Parlamentarismus für historisch. Von Stund an regieren die Räte!“

Bremen ist eine sozialistische Republik, an deren Spitze der Rat der Volksbeauftragten steht. Die neuen Machthaber wollen den Spartakausaufstand in Berlin unterstützen, der eine zweite Revolution bewirken soll. Sie hoffen, dass sich ihnen andere deutsche Städte anschließen – beides jedoch vergebens. In einem Telegramm fordern sie Ebert zum Rücktritt auf. Ein anderes geht an Wladimir Iljitsch Lenin, dem sie die Solidarität der Bremer Räterepublik verkünden.

Versuchte Gegenrevolution

Fünf Tage nach der Ausrufung besetzen Soldaten Rathaus, Börse und Bahnhof. Es ist der Versuch einer Gegenrevolution, den etwa 100 Offiziere verantworten, die die Räterepublik ablehnen. Einige Soldaten marschieren zur AG Weser, wo Werftarbeiter Alarm schlagen. Es kommt zu Schießereien. Die Gegenrevolution ist schlecht geplant und endet im Laufe des Tages. Dennoch gibt es Tote. Die Banken teilen der Räteregierung angesichts der chaotischen Ereignisse mit, dass sie ihr die Kredite sperren. Gehälter können nicht mehr gezahlt werden, die Räterepublik ist handlungsunfähig. Die Banken fordern von der Regierung, dass sie Wahlen zu einer bremischen Volksvertretung zulässt. Die Revolutionäre stimmen zu und legen die Wahlen auf März fest – womit sie ihr Scheitern eingestehen.

Bereits zuvor soll eine deutsche Nationalversammlung gewählt werden, was die Bremer Kommunisten verhindern wollen. Ein demokratisch gewähltes Parlament geht nicht mit ihren Überzeugungen einher. Die USPD hingegen lehnt ein Verbot ab. Ihre Uneinigkeit schadet dem Ansehen der Räteregierung. Die Wahl selbst verläuft ohne Zwischenfälle. Fast die Hälfte der Stimmen geht an die MSPD, die USPD erhält nur 18 Prozent. Die KPD boykottiert die Wahl. Ihr Ausgang ist der Beweis, dass die Räteregierung in großen Teilen der Bevölkerung keine Legitimierung hat.

Tags darauf fahren Bürgervertreter nach Weimar. Sie bitten Ebert und Gustav Noske, den Volksbeauftragten für Heer und Marine, die Räterepublik aufzulösen, unter anderem weil die Ernährung Bremens gefährdet sei.

Der Marschbefehl

Ein Telegramm aus Berlin trifft in Bremen ein. „Tante Dora ist gestorben“, heißt es darin. Für die Reaktionäre aus der Bremer Oberschicht ist es das Codewort, dass die Niederschlagung der Räterepublik beschlossene Sache ist. Sie verständigen andere Eingeweihte, dass der Sturm auf Bremen bevorsteht. Viele von ihnen machen sich auf den Weg nach Verden, wo Major Caspari ein Freikorps aufstellt, das aus etwa 600 Mann besteht. Frauen, die kämpfen wollen, werden trotz wütender Proteste abgewiesen. In Weimar beauftragt Noske Oberst Wilhelm Gerstenberg mit der Bildung eines Regiments, das mit etwa 3000 Mann und 24 Geschützen ebenfalls in Verden sein Quartier aufschlägt.

Die Räteregierung weiß, dass ihre Zeit abgelaufen ist, und bietet der Reichsregierung ihren Rücktritt an – sofern der Einmarsch abgebrochen wird. Noske aber gibt Henke in einem Gespräch zu verstehen, dass um jeden Preis interveniert wird.

Nur wenige der etwa 1000 Verteidiger der Räterepublik haben soldatische Erfahrung. Schwere Waffen sind kaum vorhanden. Die 250 Matrosen, die aus Cuxhaven zur Verstärkung kommen, haben kaum Ortskenntnisse.

Zwei Tage vor dem geplanten Angriff gibt es den ersten Toten: Im Schlosspark Sebaldsbrück schießen Räterepublikaner unwissentlich aufeinander, einer von ihnen stirbt. Einen Tag später kommen bei Gefechten in der Lilienthaler Heerstraße drei Verteidiger ums Leben. Weitere vier sterben bei anderen Vorpostengefechten, darunter zwei Matrosen.

Walter Caspari (Staatsarchiv Bremen)

Zur Person: Walter Caspari (1877-1962)

Walter Caspari sammelt erste Kampferfahrungen bei der Niederschlagung des Boxer-Aufstands 1900 in China. Im Anschluss wird der Berufsoffizier und Sohn einer Detmolder Beamtenfamilie dem Infanterieregiment „Bremen“ Nr. 75 zugeteilt. Im Ersten Weltkrieg erhält er den Tapferkeitsorden Pour le Mérite und kehrt als Major mit seiner Truppe nach Bremen zurück. Die Entwaffnung durch die Revolutionäre verurteilt er. Mit einem Freikorps ist er an der Niederschlagung der Räterepublik beteiligt. Danach bleibt er in Bremen und wird Leiter der Ordnungspolizei. Er war Namensgeber der Caspari-Kaserne in Delmenhorst.

Hier lesen Sie den ersten Teil der Serie zur „Niederschlagung der Bremer Räterepublik“

Hier lesen Sie den dritten Teil der Serie zur „Niederschlagung der Bremer Räterepublik“

von Helge Hommers

Die Rückkehr vom Infanterieregiment „Bremen“ Nr. 75 unter Befehlshaber Walter Caspari bringt die Räte in Bedrnängnis. (Staatsarchiv Bremen)

75 Jahre Kriegsende

Neuanfang nach der Diktatur

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, lag Bremen größtenteils in Trümmern: Die dritte Ausgabe des ­Magazins WK | Geschichte schildert das allgegenwärtige Elend und die Sorgen der Bevölkerung. Es zeigt aber auch die ersten Schritte Richtung Zukunft auf – die Stadt unter der US-Flagge, die ersten Wahlen und die Verteidigung der Selbstständigkeit des Landes Bremens.

Jetzt bestellen