Wuppen und Kräne an der Schlachte, Teil 3: Warum an der Schlachte ein Stück der Ufermauer fehlt

Schon bei meinen ersten Stadterkundungen in der zweiten Hälfte der 1950er war es mir aufgefallen: Zwischen der Zweiten Schlachtpforte und der Heimlichenstraße gibt es gar keine Ufermauer. Sondern hier hatte man eine steile, mit Gras bewachsene Böschung angelegt. Die Absturzsicherung bestand aus einem stabilen Gitter, deren Pfosten aus alten Eisenbahnschienen bestanden. Das hinderte uns Jungen nicht daran, über die Gitterstangen zu klettern und die Böschung zum Schlachteuferweg hinunterzulaufen.

Echter Nachrichtenwert direkt vorm Redaktionsgebäude: Beim Einsturz der Ufermauer am 10. April 1886 wurde der Kran Nr. 2 aus der Fundament gerissen. Im Hintergrund ist das Haus Schlachte Nr. 9 zu sehen: die Heimat der Weser-Zeitung und der Bremer Nachrichten im Verlagshaus von Carl Schünemanns. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Echter Nachrichtenwert direkt vorm Redaktionsgebäude: Beim Einsturz der Ufermauer am 10. April 1886 wurde der Kran Nr. 2 aus der Fundament gerissen. Im Hintergrund ist das Haus Schlachte Nr. 9 zu sehen: die Heimat der Weser-Zeitung und der Bremer Nachrichten im Verlagshaus von Carl Schünemanns.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Einige Jahrzehnte später erzählten mir Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges, dass in diesem Uferbereich Bomben niedergegangen seien. Nach dem Kriege hätte man dort Schutt hineingefüllt und die besagte Böschung angelegt.

Das Unglück am 10. April 1886

Bei meinen Recherchen zu den Schlachtekranen bin ich dann auf die wahrscheinlich wahre Ursache gestoßen: Den Schlachte-Einsturz am 10. April 1886. Die Bremer Nachrichtenschreiben dazu am 11. April 1886 (Bericht gekürzt):

Bollwerkseinsturz an der Schlachte.

Im Laufe Zeit hatte die Ufermauer schon zu verschieden Malen Besorgnis erregt. Als sie im 18. Jahrhundert in der jetzigen Form aufgebaut wurde, war sie auf eine Wasserhöhe von 13 bis 14 Fuß bremisch (ein Bremer Fuß = 0,28935 Meter, also zwischen 3,76 bis 4,05 Meter) gebracht worden. Aber das reichte nicht aus, denn bei einem Hochwasser von 13 Fuß war die Schlachte regelmäßig überflutet. Deshalb waren Ende der 1840er besonders gefährdete Mauerbereiche mit Trägern und eisernen Klammern ( bei den Kränen 4 bis 6) verankert worden. Doch das Hochwasser im März 1881 warf alle Berechnungen über den Haufen. Da stieg das Wasser auf  27 Bremer Fuß (entspricht 7,80 Meter) am Bremer Pegel und überflutete fast die gesamte Stadt. Danach zeigten sich zwar an verschiedenen Stellen wiederholt Risse, die auf ein Versacken des Erdreichs hindeuteten. Doch man beseitigte die kleinen Risse und besserte das Schlachtepflaster wieder aus. Man wusste, dass es keine Pläne über den Bau der Ufermauer gab. Und somit schob man auch den Bau eine Reparatur oder Neubau der gefährdeten Bereiche hinaus.

Vier Kräne standen an der Schlachte bereit: Ansicht aus dem Jahre 1848. Bildvorlage: Peter Strotmann

Vier Kräne standen an der Schlachte bereit: Ansicht aus dem Jahre 1848.
Bildvorlage: Peter Strotmann

 

Doch beim Winter-Hochwasser (1885/86) zeigten sich insbesondere beim Kran Nr. 2 wieder jede Menge Risse und Versackungen. Man glaubte mit dem Problem wie in den Vorjahren klarzukommen. Am 8. und 9. März war der Einsturz der Ufermauer abzusehen. Aber man konnte keine Verankerungen mehr anbringen. So kam es am 10. April morgens um 6 ½ Uhr  zur Katastrophe: Die Ufermauer stürzte zwischen den Kränen Nr. 1 und Nr. 2 und noch weiter zum Kran Nr. 3 ein. Der Kran Nr. 2 schwebte in gefährlicher Lage über der Weser. Mit der Mauer ist das hintergefüllte Erdreich und das Pflaster in die Weser gefallen. Der Einsturz der Schuppen konnte in letzter Minute verhindert werden.

 

Der Unfall wird wohl hauptsächlich der Altersschwäche der Ufermauer zurückzuführen sein. Jedenfalls soll sie nicht auf die Senkung der Wasserspiegel in Verbindung stehen. Das haben Messungen ergeben, die in den letzten Jahren wegen der Weserkorrektion vorgenommen wurden. Man wird wohl erst bei Eintritte des Sommerwasserstandes (1886) die Ursachen des Zusammensturzes ermitteln können. 

Soweit der Bericht mit zusätzlichen Anmerkungen in Klammern.

Nach dem Schlachte-Einsturz

Bei den späteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Ufermauer eine sogenannte einfache Schwergewichtsmauer war. Das heißt, die Steinblöcke waren auf einem Fundament aufgemauert, ohne dass man sie besonders miteinander verbunden hatte, noch zum Land hin mit Ketten abgespannt und damit gesichert hätte. Nur ihr Gewicht sollte sie halten. Durch defekte Steinfugen war das dahinter gefüllte Erdreich mit Weser- und Regenwasser ausgewaschen, es hatten sich Hohlräume gebildet. Auch die Kräne hatten keine separaten Fundamente auf ihrem Bollwerk (in meinen zweiten Bericht habe ich es Rondell genannt), sondern sie waren auch nur auf die Schwergewichtsmauer aufgesetzt.

Die Situation heute: Schlachte mit Böschung zwischen Zweiter Schlachtpforte und Heimlichenstraße, aufgenommen von der Teerhofbrücke im November 2015 beim Aufbau des 12. Schlachte-Zaubers. Jetzt können die Steinquader als Fundamente für die Buden dienen. Foto: Peter Strotmann

Die Situation heute: Schlachte mit Böschung zwischen Zweiter Schlachtpforte und Heimlichenstraße, aufgenommen von der Teerhofbrücke im
November 2015 beim Aufbau des 12. Schlachte-Zaubers.
Jetzt können die Steinquader als Fundamente für die Buden dienen.
Foto: Peter Strotmann

1888, mit der Eröffnung des Freihafens I „Europahafen“, verlor die Schlachte als Hafen gänzlich an Bedeutung. Deshalb wurden die Kräne Nr. 1 bis 3 demontiert, die Ufermauer nicht wieder aufgebaut und die bereits zu Anfang dieses Berichtes erwähnte Böschung aufgeschüttet. Bis 1892 beseitigte man alle Hafenanlagen an der Schlachte und legte dort einen Park an.

Anfang der 1990er kam es zur Aufwertung der Schlachte zum Erholungs- und Freizeitort. Auf der Böschung  wurden liegende Steinquader aufgesetzt, die gerne zur Freizeitgestaltung genutzt werden.

Somit ist für mich erklärt, warum an dieser Stelle der Schlachte keine Ufermauer, sondern eine Böschung ist.

von Peter Strotmann

Stetes Wasser höhlt den Stein: Schon seit Jahrzehnten hatte das Weser-Hochwasser der Ufermauer zugesetzt, im April 1886 gab sie in Höhe des Krans Nr. 2 nach. Das historische Foto zeigt die Situation bei den Kränen Nr. 1 und 2 nach dem Einsturz der Ufermauer im April 1886, Im Hintergrund die Häuser Schlachte 7 bis 13 (von rechts). Quelle: Staatsarchiv Bremen

Stetes Wasser höhlt den Stein: Schon seit Jahrzehnten hatte das Weser-Hochwasser der Ufermauer zugesetzt, im April 1886 gab sie in Höhe des Krans Nr. 2 nach. Das historische Foto zeigt die Situation bei den Kränen Nr. 1 und 2 nach dem Einsturz der Ufermauer im April 1886, Im Hintergrund die Häuser Schlachte 7 bis 13 (von rechts).
Quelle: Staatsarchiv Bremen

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