Ein Blick in die Geschichte (55): Die Brill-Kreuzung entstand erst durch eine verkehrstechnische Umgestaltung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Einen anschaulichen Eindruck der Brill-Kreuzung und des Stephani-Viertels vor der fast vollkommenen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg vermittelt diese Aufnahme von 1929.

Der Begriff „Brill“ bezeichnet eigentlich eine Pforte in der Stadtmauer. Die verlief bis ins 16. Jahrhundert genau an dieser Stelle, erst damals wurde das Stephani-Viertel in den ummauerten Bereich der Altstadt integriert.

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es zwei Straßen jenseits der heutigen Bürgermeister-Smidt-Straße (damals Kaiserstraße), die den Begriff „Brill“ in ihrem Namen führten: „Hinterm Brill“ war nichts weiter als ein Anhängsel der Molkenstraße, während „Am Brill“ seit dem 17. Jahrhundert einen kleinen Platz mit jeweils acht Häusern auf beiden Seiten bezeichnete.

September 1942: Blick vom Lloydturm in Richtung Brill. Quelle: Staatsarchiv Bremen

September 1942: Blick vom Lloydturm in Richtung Brill.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Auf der Aufnahme ist die alte Straßenführung noch gut zu erkennen: Links befand sich die Straße „Hinterm Brill“, rechts ein verlängertes Teilstück der Hutfilterstraße und dort, wo beide zusammenstießen der Platz „Am Brill“. Das damalige Gassengewirr zeigt sich auch sehr eindrucksvoll auf einem Stadtplan von 1865. Vergebens sucht man nach der heutigen Bürgermeister-Smidt-Straße als Orientierungspunkt. Die war damals noch Zukunftsmusik, als Kaiserstraße wurde sie erst 1874 angelegt, um den Hannoverschen Bahnhof mit der neuen Kaiserbrücke zu verbinden. Gleichwohl blieb der Brill ziemlich unübersichtlich. Das änderte sich erst, als der gesamte Bereich 1902 gründlich „entrümpelt“ wurde.

Erst damals erlangte der bis dahin unscheinbare Platz „Am Brill“ seine verkehrstechnische Bedeutung als Knotenpunkt im westlichen Altstadtbereich. Freilich nur als Nord-Süd-Verbindung, den Verkehr in Richtung Innenstadt musste damals die Obernstraße allein bewältigen, ins alte Hafengebiet des Schlachte-Viertels führte lediglich die mittelalterlich enge Molkenstraße (diese Perspektive ist hier zu sehen).

Dicht bebaut: das Brill-Areal auf einem Stadtplan von 1865. Quelle. Wikicommons

Dicht bebaut: das Brill-Areal auf einem Stadtplan von 1865.
Quelle: Wikimedia Commons

Das neue Wührmann-Gebäude nimmt mehr Platz ein

Zur Linken ist das Bettenhaus Wührmann zu sehen. Das 1886 gegründete Traditionsunternehmen befindet sich noch heute am gleichen Standort. Freilich in einem moderneren Gebäude, das als Eckhaus bedeutend mehr Platz einnimmt.

Gegenüber ragt gerade eben noch ein Zipfel des 1906 fertiggestellten Sparkassengebäudes ins Bild. Als historistisches Bauwerk orientiert es sich zwar an Stilelementen des Barock und der Renaissance, nimmt aber auch Impulse des damals modernen Jugendstils auf.

In der Ferne erhebt sich der Stephani-Kirchturm. Und zu Füßen des Betrachters ein schmucker Pavillon: eine öffentliche Toilette, die im Gegensatz zu zahlreichen umliegenden Gebäuden den Bombenhagel unbeschadet überstand. Doch eine Zukunft hatte die Bedürfnisanstalt aus Kaisers Zeiten nicht, sie stand dem schon kurz nach Kriegsende beschlossenen Martini-Durchbruch im Wege.

Nur weil die Fertigstellung der neuen Südtangente sich erheblich verzögerte, erhielt die Bedürfnisanstalt noch eine Gnadenfrist. Endgültig abgelaufen war ihre Zeit 1968 mit dem Bau des Brilltunnels als westlichem Endpunkt der neuen Straßenführung.

von Frank Hethey

75 Jahre Kriegsende

Neuanfang nach der Diktatur

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