Zum Staatsakt für Helmut Schmidt: seine Beziehungen zum Künstlerdorf an der Wümme

In den 70/80er Jahren des vorigen Jahrhunderts beschäftigte sich Herbert Johannes Perthen an der Universität Bremen mit der Tätergeschichte im Nationalsozialismus und dem deutschen Widerstand. Er bekam Kontakt zu der Künstlerin Olga Bontjes van Beek, die in Fischerhude wohnte, wie er selbst. Er hatte schon Kontakte zur Familie Modersohn. Im künstlerischen Bereich besuchte er die Familie und lernte die Tochter und Malerin Mietje Bontjes van Beek kennen, die jahrelang in Italien gewohnt hatte. In seiner Fischerhuder Druckerei gestaltete er aus ihren Zeichnungen eine Kunstmappe und wurde mit der Geschichte der Familie vertraut gemacht. Als der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt den Ort besuchte und in der Modersohn-Galerie Bilder bestaunte, da erfuhr Johannes Perthen, dass er schon vor dem Zweiten Weltkrieg mit beiden Familien bekannt war.

In den Gesprächen mit Mietje Bontjes van Beek klärten sich für ihn die Hintergründe seiner Verbindung: Helmut Schmidt war ein Bekannter von ihr, ihrer Schwester Cato und Bruder Tim. Es entstand ein enges Vertrauensverhältnis zu Olga Bontjes van Beek, die er als seine zweite Mutter bezeichnete. Immer, wenn er Urlaub von seinem Wehrdienst bekam, zog es ihn nach Fischerhude. Auch zu den fast gleichaltrigen Söhnen von Otto Modersohn: Christian und Ulrich – er fiel im Zweiten Weltkrieg. Er bezeichnete Fischerhude als „Heile Welt“.

Als der Zweite Weltkrieg kam, lebten die Schwestern Miete und Cato in Berlin bei ihrem Vater Jan Bontjes van Beek, dem Keramiker mit einer größeren Töpferwerkstatt. Er hatte wieder geheiratet – Rahel Maria, die mit ihm zwei Söhne und zwei Töchter hatte. Dinge (Meiler-Marcovitz, geb. Bontjes van Beek) wurde nach dem Krieg eine bekannte Fotografin und Filmemacherin.

Die Familie geriet in den Fokus der Gestapo, weil Mietje und Cato mit anderen Widerstandskämpfern Flugblätter gegen Hitler und den Krieg verfassten und verteilten. In dieser Zeit trafen sie auch Helmut Schmidt. Er warnte sie eindringlich vor der Gefahr, aufgegriffen und angeklagt zu werden. Er kannte die Spitzel-Tätigkeit  der Gestapo und wollte sich nicht gefährden, brach den Kontakt deswegen ab. Es hat ihn vermutlich gerettet. Als die „Rote Kapelle“ 1942 aufflog und Jan Bontjes van Beek und die Tochter Cato verhaftet wurden, kam es zum Prozess vor dem Berliner Kriegsgericht. Jan kam frei, weil er Staatsaufträge hatte, Cato wurde am 3. August 1943 in Plötzensee hingerichtet.

Nach dem Krieg nahmen Loki und Helmut Schmidt den Kontakt zur Familie in Fischerhude wieder auf. Sie bekamen von Olga Bilder in ihrem Malstil geschenkt, die sich heute in seinem Haus in Hamburg-Langenhorn befinden. Auch zur Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte es schon Kontakte mit Helmut Schmidt und der Familie Breling/Bontjes van Beek, Louise Breling/Modersohn und Gero von Randow gegeben. In den 80/90er Jahren gab Helmut Schmidt Einführungs-Vorträge für Ausstellungen von Heinrich Breling, Olga Bontjes van Beek und Mietje Bontjes van Beek (Künstler aus drei Generationen in Verden/Aller).

Als zum 100. Geburtstag von Olga Bontjes van Beek die Ausstellung (Katalog, Hrg. Johannes Perthen) in der Böttcherstraße von ihm in Bremen eröffnet werden sollte, da wurde Helmut Schmidt krank. Stattdessen verlas der kürzlich verstorbene Menschenrechtler und Resistance-Kämpfer Stéphane Hessel seine Rede und sprach über die persönliche Beziehung zur Familie Bontjes van Beek.

von Johannes H. Spark

Pflegte auch noch lange nach seiner Soldatenzeit enge Beziehungen zu Fischerhude: Helmut Schmidt, hier als Bundeskanzler beim SPD-Parteitag in Dortmund im Juni 1976. Quelle: Wikicommons/Bundesarchiv Koblenz

Pflegte auch noch lange nach seiner Soldatenzeit enge Beziehungen zu Fischerhude: Helmut Schmidt, hier als Bundeskanzler beim SPD-Parteitag in Dortmund im Juni 1976.
Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F048644-0025 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv B 145 Bild-F048644-0025, Dortmund, SPD-Parteitag, Helmut Schmidt, CC BY-SA 3.0 DE

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