Vor 50 Jahren
Das von Professor Kracke vorgeschlagene S-Bahn-Netz für Bremen und sein Umland kann nur in der erwünschten Weise funktionieren, wenn im Stadtgebiet zwei große Tunnel angelegt werden. Diese sind ein etwa zehn Kilometer langer Tunnel, der zwischen Hauptbahnhof und Bremen-Burg in der Achse Utbremer Straße, Walle und Gröpelinger Heerstraße verläuft, und ein rund fünf Kilometer langer Tunnel zwischen der Abzweigung Vahr und dem Bahnhof Oberneuland mit den Haltepunkten Garstenstadt Vahr und Neue Vahr-Süd, der zugleich mit der U-Bahn-Linie U2 (Arsten–Blockdiek–Osterholz) verknüpft werden könnte (WESER-KURIER, 20./21. März 1971).
Hintergrund
Professor Rolf Kracke war in den 1960er- und 1970er-Jahren ein regelrechter Superstar der bundesdeutschen Verkehrsplanung. Die sich wandelnden Städte sollten nicht bloß autogerechter werden, sondern eben auch mit einem besser funktionierendem öffentlichen Personennahverkehr ausgestattet werden. Insgesamt galt es, „die innerstädtischen und regionalen Probleme der Personenbeförderung zu lösen, ohne unnötiges Geld auszugeben und ohne die Stadt mit wuchernden Verkehrsbauten zu zerstören“. Dass das Straßennetz dergestalt ausgebaut werden konnte, dass es sämtlichen, auch potenziellen Verkehr würde aufnehmen können, betrachtete man seinerzeit illusorisch. Deshalb sollte es die Bahn richten.
Gutachter Kracke bezifferte die Kosten für sämtliche Maßnahmen auf 1,6 Milliarden DM. Dafür hätte es die besagten zwei Tunnel und die zugehörigen U- und S-Bahnstationen gegeben und zusätzlich eine zweite Eisenbahnbrücke über die Weser, einen neuen Güterbahnhof und einen nahezu vollständigen Umbau der Bahnsteiganlagen im Hauptbahnhof. Für die großen Pläne des Verkehrsforschers fehlte es der Hansestadt nach der Finanzreform von 1969 allerdings endgültig am nötigen Geld.
Doch die Idee überdauerte die Zeit. Im September 1992 dachte der damalige Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) darüber nach, die Straßenbahn aus der Obernstraße in die Martinistraße umzuleiten und sie dort in einen Tunnel unter die Erde zu bringen. Die Martinistraße sollte anschließend verkehrsberuhigt werden. Aus der Forderung entstand dann die Idee, den geplanten Tunnel nicht für die Straßenbahn, sondern für den Autoverkehr zu nutzen und die Bahn oberirdisch laufen zu lassen. Doch das war mit den roten und grünen Koalitionspartnern nicht zu machen und so geschah zunächst lange nichts.
Verkehrspolitik braucht offensichtlich einen langen Atem und große Vorausschau. Denn es dauert: Die Regio-S-Bahn kam erst mit 40 Jahren Verspätung zum Fahrplanwechsel 2011. Und auch heute noch wird über einen Umbau der Martinistraße diskutiert und die Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße dabei ebenfalls immer wieder gefordert.