Gorch Fock hatte kein unbeschwertes Verhältnis zu Bremen / Zuletzt als Rekrut im „Zuchthaus Warschau“ an der Findorffstraße 28

Besonders komfortabel wird sie nicht gewesen sein, die Bremer Unterkunft von Gorch Fock. Er sei im Gasthaus „Stadt Warschau“ an der Findorffstraße 28 zu finden, teilte er im Juli 1915 seiner Seelenfreundin Aline Bußmann mit. Und zwar in der Stube 22.

Der gefeierte Bestsellerautor weilte damals als Rekrut in Bremen. Seine Ausbildung durchlief er in der Kaserne am Neustadtswall. Doch weil dort nicht alle Soldaten unterzubringen waren, richtete man Ausweichquartiere ein. Eben auch in ehemaligen Gasthäusern wie der „Stadt Warschau“, vor Kriegsbeginn eine Zweigunterkunft der Bremer Auswandererhallen von Friedrich Mißler.

Ohne Waffe, aber mit Bürste: Rekrut Gorch Fock 1915 beim Schuheputzen in Bremen. Quelle: Jakob Kinau, Gorch Fock, München 1935

Ohne Waffe, aber mit Bürste: Rekrut Gorch Fock 1915 beim Schuheputzen in Bremen.
Quelle: Jakob Kinau, Gorch Fock, München 1935

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Auswanderung wegen der englischen Seeblockade zum Stillstand gekommen, die Unterkünfte konnten nun anderweitig genutzt werden. Sonderlich begeistert waren die Rekruten freilich nicht. Sprachen sie doch nur vom „Zuchthaus Warschau“, wenn es um ihr Nachtquartier ging.

Noch heute dient die damals so ungeliebte Unterkunft als Übernachtungsstätte, nunmehr allerdings unter deutlich verbesserten Vorzeichen als B & B Hotel Bremen. Das Konzept der Economy-Hotelkette: weniger Service, dafür preisgünstige Übernachtungen als Bed & Breakfast-Angebot.

Nicht ganz unbeschwertes Verhältnis zu Bremen

Zu Bremen hatte Gorch Fock ein besonderes, nicht ganz unbeschwertes Verhältnis. Im Laufe seines Lebens machte er dreimal nähere Bekanntschaft mit Land und Leuten, mindestens zweimal unter eher unangenehmen Umständen.

Geboren wurde Gorch Fock als Johann (Jan) Kinau am 22. August 1880 auf der Elbinsel Finkenwerder (damals Finkenwärder) als Sohn eines Hochseefischers. Als ältester Sohn hätte er eigentlich das Schiff seines Vaters übernehmen sollen, musste aber wegen mangelnder Seefestigkeit seinem jüngeren Bruder den Vortritt lassen.

Ersatzweise begann er 1895 eine Ausbildung zum Handlungsgehilfen bei einem Onkel in Geestemünde, damals noch eine preußische Gemeinde. Das war seine erste Berührung mit dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Bremen. Die Arbeit in Krämerladen und Gastwirtschaft behagte ihm aber nicht sonderlich, der junge Mann wurde von Heimweh geplagt und fühlte sich unterfordert. Die Prüfung bestand er 1897 mit Bravour, danach besuchte er ein halbes Jahr lang die Handelsschule Bremerhaven. Für das Pensum brauchte er nur ein Drittel der vorgesehenen Zeit, in sämtlichen Fächern gelangen ihm Bestnoten.

Nach einer Zwischenstation als Buchhalter im thüringischen Meiningen kehrte er im November 1900 in den Norden zurück – nach Bremen, wo er in der Niederlassung der Hamburger Handelsfirma Lexzau & Scherbau an der Langenstraße erneut als Buchhalter tätig war. Offenbar drückten ihn Schulden, die Arbeit in Bremen scheint besser bezahlt gewesen zu sein als seine vorherige Tätigkeit.

Glücklich wurde Gorch Fock in Bremen nicht 

Im Hafen der Ehe: Rosa und Gorch Fock im Jahre 1914.
Quelle: Jakob Kinau, Gorch Fock, München 1935

Doch glücklich wurde er in Bremen nicht. „Das lag aber wohl weniger an der alten ehrwürdigen Hansestadt als an der seelischen Niedergeschlagenheit des unzufrieden Suchenden“, so sein Bruder Jakob Kinau. Gorch Fock selbst schreibt, Bremen sei ihm während seines nur zehnmonatigen Aufenthalts „fremd und grau“ geblieben. Daran konnten auch die zahlreichen Theaterbesuche nichts ändern, die sein Biograf Günter Benja als Zeitvertreib nennt.

Bereits im Oktober 1901 wechselte Kinau als Buchhalter nach Halle/Saale. Erst dort trat er mit ersten schriftstellerischen Arbeiten in Hoch- und Niederdeutsch hervor, und erst dort legte er sich seinen bekannten Künstlernamen Gorch Fock zu. Über dessen Zustandekommen gibt es keine sicheren Quellen, zumeist heißt es, „Gorch“ sei die niederdeutsche Form von Georg und Fock eine Reminiszenz an den Geburtsnamen der Großmutter.

In geregelte Bahnen kam sein Leben nach seiner Rückkehr nach Hamburg 1904 und vor allem, als er 1907 eine Buchhalterstelle bei der Hamburg-Amerika-Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) erhielt. 1908 heiratete er Rosa Elisabeth Reich, 1910 kamen Zwillinge zur Welt, von denen einer als Säugling starb. Im Juli 1914 folgte noch eine Tochter.

Größter Erfolg mit „Seefahrt ist not“

Seinen schriftstellerisch größten Erfolg feierte Gorch Fock mit „Seefahrt ist not“ (1913). Ein sprichwörtlich gewordener Titel, zu dem ihn laut Benja die lateinische Portalinschrift am „Haus der Seefahrt“ inspiriert haben soll. Damit hätte sein missratener Bremen-Aufenthalt wenigstens auch sein Gutes gehabt. Ebenfalls erwähnenswert der Einakter „Doggerbank“ und „Hein Godenwind – de Admirol von Moskitonien“ (beide 1911). Mit seinen Werken trug Gorch Fock wesentlich zum Aufschwung der niederdeutschen Kulturbewegung bei, begünstigt wurde seine Popularität auch durch den Zeitgeist, die maritime Begeisterung der Deutschen infolge der Flottenleidenschaft Kaiser Wilhelm II.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Gorch Fock freiwillig, einberufen wurde er aber erst im März 1915. Von April bis Juli 1915 kam es zu einer erneuten Berührung mit Bremen, als er in der Neustädter Kaserne seine Rekrutenausbildung beim Hanseatischen Infanterie-Regiment Nr. 75 absolvierte.

Nach Einsätzen an der Ost- und Westfront wechselte er auf eigenen Wunsch und mithilfe einflussreicher Gönner im März 1916 zur Kriegsmarine. Bei der Skagerrak-Schlacht kam Gorch Fock als Besatzungsmitglied der „SMS Wiesbaden“ am 31. Mai 1916 ums Leben. Seine letzte Ruhestätte fand er auf einer Schäreninsel vor Göteborg, wo seine Leiche nach einem Monat angespült wurde.

von Frank Hethey

Als Rekrut in Bremen: Gorch Fock als Angehöriger des Hanseatischen Infanterie-Regiments Nr. 75 (unten liegend, rechts). Quelle: Jakob Kinau, Gorch Fock, München 1935

Als Rekrut in Bremen: Gorch Fock als Angehöriger des Hanseatischen Infanterie-Regiments Nr. 75 (unten liegend, rechts).
Quelle: Jakob Kinau, Gorch Fock, München 1935

120 Jahre Kleinbahn Jan Reiners

120 Jahre „Jan Reiners“

Eine Kleinbahn schreibt Geschichte

Mehr als 50 Jahre fuhr die Schmalspurbahn „Jan ­Reiners“ von Bremen nach Tarmstedt. Der erste Zug starte im Oktober 1900 vom Parkbahnhof, endgültig stillgelegt wurde die Linie 1956. Gehen Sie mit uns auf Zeitreise. Die vierte Ausgabe des ­Magazins WK | Geschichte bietet spannende Reportagen, beeindruckende Bilder und viele Informationen rund um die legendäre Bahn.

Jetzt bestellen