Vor 70 Jahren: Im Februar 1946 hatten sich die Amerikaner in Bremen häuslich eingerichtet / US-Soldaten schwärmten vom Freizeitangebot

Als amerikanischer Besatzungssoldat in Bremen oder Bremerhaven stationiert zu sein, war für viele GI’s das große Los. Erst recht, als sich die neuen Herren gegen Ende 1945 in ihrer Enklave häuslich eingerichtet hatten: Der Ratskeller diente als Offizierscasino, in der Vahr spielte man Golf. Kein Wunder, dass viele US-Soldaten von Bremen als „GI Paradise“ schwärmten – so auch der Titel einer Broschüre, die im Februar 1946 zur Orientierung von Neuankömmlingen publiziert wurde.

Pudelwohl fühlte sich Mario Puzo als amerikanischer Besatzungssoldat in seinem Quartier in Schwachhausen. Zum ersten Mal in seinem Leben habe er ein Gefühl totaler Freiheit gespürt, bekannte der US-Bestsellerautor im Rückblick. „In den Sommernächten füllte der blecherne Ton des Radios die Metzer Straße“, schreibt Puzo in seinem Bremen-Roman Die dunkle Arena, „mit kreischenden Bremsen und viel Geschrei hielten die Jeeps vor dem Haus, vollbeladen mit Amerikanern in ihren olivgrünen Ausgehuniformen, hübsche, nacktbeinige deutsche Mädchen auf dem Schoß.“

Schleckern unterm Sternenbanner: Die Soldaten der amerikanischen Militärverwaltung genießen die Köstlichkeiten in diesem Bremer Eissalon. Dort gibt es jede Menge Coca Cola, Eiscreme und Malzmilch.
Quelle: GI Paradise

Schon vor Ende des Krieges hatten die Alliierten die Aufteilung Deutschlands im Falle eines Sieges festgelegt. Als die Briten dann am 26. April 1945 in Bremen einmarschierten, beendeten sie damit die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Zugleich kam Bremen mit Bremerhaven zur britischen Besatzungszone.

Der 8. Mai 1945 markiert das Ende des Zweiten Weltkrieges für Deutschland. Da die amerikanische Besatzungszone im Süden Deutschlands lag, brauchte die US Army einen Seehafen, um ihre Truppen versorgen zu können. Wie schon früher vereinbart, wurde Bremen mit Bremerhaven zur amerikanischen Enklave [umschlossenes Gebiet] inmitten der britischen Besatzungszone.

Das „Bremen Port Command“ residierte im Haus des Reichs
Um die Enklave zu verwalten, gründeten die Amerikaner die Verwaltungseinheit „Bremen Port Command“, das im beschlagnahmten Haus des Reichs residierte. Weiterhin begannen die Amerikaner sich für eine längere Besatzungszeit einzurichten. Für die Unterbringung ihrer Soldaten und Zivilangestellten beschlagnahmten sie in Bremen und Bremerhaven einige hundert vom Krieg unbeschädigte Wohnungen und Häuser.

Um die Freizeit ihrer Landsleute zu gestalten gründete das Bremen Port Command eine Spezialeinheit. Diese beschlagnahmte beispielsweise das Weserstadion, das Stadionbad, die Glocke, den Ratskeller, die untere Rathaushalle, einen Golfplatz, Kinos sowie eine Reihe von Gaststätten.

Offiziere, GI’s [einfache Soldaten] und deutsche Zivilangestellte machten sich nun daran, alle diese Stätten herzurichten. Das Weserstation wurde in IKE STADIUM umbenannt. „Ike“ war die Spitzname von Dwight David Eisenhower (1890-1969). Der spätere US-Präsident war während des Zweiten Weltkrieges als Armeegenaral Oberkommandierender der alliierten Streitkräfte an der Westfront in Europa. Auf dem Stadiondach war IKE STADIUM in sehr großen Einzelbuchstaben angebracht. Die Bremer erhielten das Ike Stadium im Mai 1947 wieder zurück und es bekam wieder den Namen Weserstadion.

In der unteren Rathaushalle war der „GI Joe’s No. 1 Beer Hall“, eine Bierhalle, eingerichtet. Der Zutritt war nur „enlisted men’s“, also nur „eingetragenen Männern“, gestattet. Der Ratskeller wurde zum Offizierskasino. Im Oktober 1948 gaben die Amerikaner die untere Rathaushalle und den Ratskeller den Bremern wieder zurück.

Die Amerikaner schufen in kurzer Zeit ein gutes Freizeitangebot
Schon zum Ende des Jahres 1945 war alles fertig. Das veranlasste die Presseabteilung des Bremen Port Command zum Februar 1946 ein 58-seitiges Heft mit folgendem Titel herauszugeben: BREMEN PORT COMMAND’S „GI PARADISE“.

Und tatsächlich hatten sich die Amerikaner damit innerhalb weniger Monate ein gutes Freizeitangebot geschaffen. Es gab Clubs für Offiziere und Mannschaftsdienstgrade, Kinos, Eisdielen, Orte für sportliche Betätigungen, Theater, den Radiosender AFN, um nur einiges zu nennen. Die amerikanischen GI’s mussten sich wirklich wie im Paradies auf Erden fühlen.

Besinnlich, aber nicht froh: Das Weihnachtsfest 1945 als erste Friedensweihnacht wurde überschattet von materieller und psychischer Not, vgl. dazu auch den Bremen History-Beitrag „Die ärmsten Weihnachten meines Lebens“.
Quellen: Archiv des Weser-Kuriers, Kulturhaus Walle, Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung

Ein Gefühl, das auch Mario Puzo nicht fremd gewesen ist, später als Verfasser des Mafia-Epos Der Pate ein weltberühmter Schriftsteller. Doch die unbekümmerte Vergnügungslust der jungen amerikanischen Soldaten ist nur die eine Seite seines in Bremen spielenden Debütwerks. Die andere ist sein oft hoffnungslos verlaufenes Leben, das er kaum noch bewältigen kann.

Die Amerikaner schufen sich in der Enklave Bremen eine eigene Welt. Das war eine Parallelwelt zur deutschen Nachkriegswirklichkeit. Während Versorgungslage der Besatzer ausgezeichnet war, darbte die deutsche Bevölkerung am Existenzminimum. Besonderes Glück hatten Deutsche, die als Zivilangestellter bei den Amerikanern arbeiteten, denn auch sie bekamen ausreichend zu essen. Aber es war ihnen unter Höchststrafe untersagt irgendetwas mit nach außerhalb mitzunehmen.

Über einen besonders krassen Fall schreibt Puzo in seinem Bremen-Roman Die dunkle Arena. Als Mario Puz0s schwangere Freundin schwer erkrankt, könnte Penicillin die einzige Rettung sein. Obwohl das Medikament den Amerikanern ausreichend zur Verfügung steht, darf es nicht an eine Deutsche herausgegeben werden. Letztlich muss er mit ansehen wie seine Freundin von Tag zu Tag schwächer wird und stirbt.

In Bremen sollten es die Soldaten besser haben als jemals an anderer Stelle
Doch warum nicht die Amerikaner selbst zu Wort kommen lassen? Hier die Übersetzung aus der Einleitung zum Bremen Port Command’s „GI’s Paradise“:

Soldaten, seid gegrüßt!

Willkommen beim Bremen Port Command!

Es ist unser aufrichtiger Wunsch, dass Offiziere und Mannschaften, die in dieser Organisation dienen, ihre Dienstzeit angenehmer finden, als sie es jemals an anderer Stelle in der Armee hatten.

Damit tatsächlich Fakten geschaffen werden, war eine große Anzahl von Personal unter der Regie der Sondereinheit des Bremen Port Command [amerikanische Militärregierung, mit Sitz im Haus des Reichs von 1945 bis 1949] im Einsatz, und zwar das amerikanische Red Cross [Rotes Kreuz, eine humanitäre Hilfsorganisation], der Army Exchange Service [Nachschubeinheiten zur Versorgung der amerikanischen Armee] und das Denmark Leave Center. Diese haben fast grenzenlose Anstrengungen unternommen, um amerikanischen Soldaten eine möglichst große Vielfalt an Freizeiteinrichtungen zur Verfügung zu stellen.

Auf dem Golfplatz wurden Bomben und Tretminen entschärft
Um den Neun-Loch-Golfplatz im Country Club nutzbar machen, waren ein Sherman „tankdozer“ und Dutzende von deutschen Zivilarbeiter beteiligt. Es wurden Bomben und Tretminen entschärft, Fuchsbaulöcher gefüllt, alles plan eingeebnet und die umfangreiche Verbuschung beseitigt.

Senator Theodor Spitta legte im Herbst 1946 eine Denkschrift vor, die es in sich hatte: Das Papier sah die Eingliederung etlicher Umlandgemeinden vor, darunter Delmenhorst, Syke, Schwanewede und Osterholz-Scharmbeck. Bildvorlage: Staatsarchiv Bremen

Die beschlagnahmten deutschen Vorführgeräte für den 35-Millimeter-Film reparierten und überholten wir uns setzen sie für unsere Kinos ein.

Um den Canoe Club in Gang zu bringen, war die Reparatur von etwa 150 eigentümlichen Kanus und viel Arbeit von GI’s am Clubhaus nötig – die Betonung liegt auf Arbeit.

Für jede Freizeiteinrichtung war eine ähnlich harte Arbeit seitens der Offiziere und GI’s nötig, Sie sahen es als ihre Aufgabe an, den Soldaten am Standort von Bremen Port Command ein „Zuhause in der Armee“ zu schaffen. Und jetzt, ist eine Vielzahl von anderen Menschen dabei, um ihre Arbeit fortzuführen.

Genießen Sie diese Einrichtungen in vollem Umfang – – – denn deshalb sind sie da.

Bremen sollte als „GI Paradies“ in Erinnerung bleiben
Der Zweck dieser Broschüre ist dreifach: eine praktische Anleitung, um Sie mit der Fülle von Freizeitaktivitäten in der Bremer Enklave bekannt zu machen, Ihnen eine Vorstellung von der bisher geleisteten Arbeit zu geben und in ihnen die Erinnerung an den Dienst in der Enklave wach zu halten.

Es ist sehr erfreulich, dass wir erfahren haben, dass viele Soldaten, die im Bremen-Port-Command gedient haben, von einem „GI Paradies“ gesprochen haben. Wir hoffen sehr, dass Sie später in der gleichen Weise davon sprechen werden.

Lt. Lionel L. Dean, Public Relations Officer

von Peter Strotmann

Ein schönes Bier und ordentlich das Tanzbein schwingen: Das Titelblatt der US-Broschüre Bremen Port Command’s „GI’s Paradise“ (hier ein Ausschnitt, das vollständige Titelblatt findet sich weiter unten) ließ keinen Zweifel daran, was Bremen an Annehmlichkeiten zu bieten hatte.
Bildvorlage: Peter Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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