Spitzenqualität aus Bremen: das Modell Exquisit 59, 1958/59.
Foto: Lena Häfermann, mit freundlicher Genehmigung des Bremer Rundfunkmuseums

Vor 70 Jahren: Am 26. August 1947 gründete Martin Mende in Bremen die Norddeutsche Mende-Rundfunk GmbH

Die Geschichte der Bremer Firma Nordmende begann 1923 in Dresden. Hier gründete Otto Hermann Mende zusammen mit dem Kaufmann Karl Rudolf Müller die Firma Radio H. Mende & Co. Zwei Jahre später stießen der Ingenieur Ulrich Günter und der Neffe des Gründers Martin Mende hinzu und die Firma entwickelte sich schnell zu einem florierenden Geschäft.

Schon bald gehörte Mende zu einem der größten deutschen Rundfunkgerätefabrikanten. Die Produktionszahlen wuchsen und im Jahr 1937 kam jedes dritte hergestellte Radio aus der Firma Mende. Neben Rundfunkgeräten wurden zudem Transmitter, Fernschreiber, Feldfernsprecher und Verstärker produziert.

Der Zweite Weltkrieg verlangte dann die Umstellung der Produktion auf Rüstungsgüter wie Funkgeräte oder Bombenzünder. Während der Kriegsjahre und vor allem zum Ende hin bekam die Firma die Folgen zu spüren: Die Hallen waren durch die Bombardierung teilweise zerstört und durch die Demontage der Sowjetunion mit dem Ziel, die deutsche Rüstungsindustrie möglichst zu zerschlagen und einen erneuten Angriffskrieg zu verhindern, wurde das Werk unter dem Neffen 1947 in Bremen wiederaufgebaut, mit neuem Namen: Nordmende.

Neuanfang in Hemelingen
Auf dem Gelände der ehemaligen Focke-Wulf-Flugzeugwerke in Hemelingen errichtete Martin Mende am 26. August 1947 die Norddeutsche Mende-Rundfunk GmbH. Nach DDR Protesten gegen die Weiterführung des Namens Mende entstand schließlich die Nordmende. Die Firma entwickelte sich in den Nachkriegsjahren schnell zu einem der führenden Hersteller im Bereich Unterhaltungselektronik, die sich mit geschicktem Marketing und klangvollen Produkt-Namen nach Opern wie Carmen und Fidelio behaupten konnte.

Noch heute denken viele Bremer an diese Zeiten zurück: ihre Stadt als Hochburg für design-orientierte und hochwertige Unterhaltungselektronik. Als im Jahre 1953 die Nachfrage nach Fernseh-Empfängern auftauchte, war die Firma bereits gerüstet. Seit 1950 arbeiteten firmeninterne Entwicklungsingenieure an der Planung, so dass die Produktion pünktlich beginnen konnte.

Die Nachfrage und auch die Firma wuchs und so wurden bis 1972 auch in Wildeshausen (1964), Bremerhaven (1969), Sittensen (1970) und Verden (1972) neue Werke eröffnet. Die Bremer galten als innovativ, mit neuen und cleveren Ideen. Zum Beispiel kam der erste Fernseher mit kabelloser Ultraschallfernbedienung 1961 von Nordmende.

Stylische Geräte im Monitor-Look in Metallic-Farben gehörten zu den Verkaufsschlagern, genau wie hochwertige Konzertschränke ebenfalls mit eleganten Namen wie Arabella oder Cosima. Es herrschte laut einem Zeitzeugen „eine richtige Goldgräber-Stimmung“ in der Branche und Deutschland galt bis in die 70er Jahre hinein als führende Produktions- und Entwicklungsstätte, zu denen auch Firmen wie Metz, Saba, Grundig oder Telefunken beitrugen. In ihrer Blütezeit lag der Export-Anteil von Nordmende bei 20 Prozent, ihre Produkte wie Radios, Fernseh-Empfänger oder Plattenspieler wurden in mehr als 100 Länder exportiert.

Etwas für den Hörgenuss: das Modell Turador, 1960/61.
Foto: Lena Häfermann, mit freundlicher Genehmigung des Bremer Rundfunkmuseums

Die Jahre in der Krise

1969 übernahmen die Söhne Karl und Hermann die Geschäftsführung und hatten bald mit der beginnenden Krise zu tun. Der Druck der Konkurrenz wuchs, der Markt war zudem „gesättigt“. Zudem verursachte die Farbfernseher-Produktion ab 1967 und ihre aufwendige Endkontrolle hohe Kosten und die Situation verschlechterte sich über die Jahre.

Als Lösung bot sich 1977 der Verkauf von Firmen-Anteilen an dem französischen Konzern Thomson-Brandt an. Aber auch dies brachte nicht die gewünschte Hilfe und so wurden 1980 auch die letzten Anteile der Firma Nordmende verkauft. Thomson trennte Nordmende in zwei Gesellschaften: Produktion und Vertrieb. Dabei wurde die Produktion aus der Pariser Zentrale gesteuert, der Vertrieb blieb eigenständig. Zudem wurde die Produktion der Audio-Gräte nach Frankreich verlagert. Dennoch schien die Belegschaft zunächst noch zufrieden und hoffte das Beste.

Schon bald wurden sie enttäuscht. Der französische Großkonzern schien überfordert und unorganisiert. Ursprüngliches Ziel war, der Konkurrenz aus Fernost die Stirn zu bieten und mit kostengünstiger Produktion mitzuhalten. Doch Thomson-Brandt scheiterte. Bereits ein Jahr nach der Übernahme wurden zwei Werke geschlossen, die Belegschaft drastisch reduziert. Der Spiegel betitelte die französische Firma als „Jobkiller“, in der ebenfalls aufgekauften Schwarzwälder Plattenspieler-Firma Dual hieß es 1981: „Ob wir unsere Arbeitsplätze nun durch die Pleite verlieren oder von den Franzosen wegrationalisiert werden, macht keinen Unterschied.“

Ein Radio to go: die Nordmende Stradella 1963/64 (blaues Modell).
Foto: Lena Häfermann, mit freundlicher Genehmigung des Bremer Rundfunkmuseums

Wie ein Staubsauger!

Die Financial Times Anfang der 80er über das Vorgehen des Thomson-Konzerns

Thomsons Strategie dahinter erschien einfach: das Aufkaufen von Firmen mit großen Namen, um die eigene Produktion zu entlasten und einen neuen, großen Markt zu erreichen. Nordmende war der Anfang, es folgten Saba und Telefunken. Doch das zusammengekaufte Konzept funktionierte nicht. Den Bremern blieb nur noch der Vertrieb, die Konstruktionsabteilung und die Montage. Die Produktion selbst wurde mehr und mehr auf andere Thomson-Werke übertragen, in denen Geräte der Marken Nordmende, Saba und Telefunken gefertigt wurde.

Nordmende sollte im Design-Bereich punkten, Saba galt als preisorientiert und Telefunken als Qualitätsmarke. Doch das Angebot ähnelte sich zu sehr, es bot weder dem Fachhändler noch dem Kunden neuen Anreiz. Folge: Der Marktanteil reduzierte sich und schon bald hatten Nordmende und Saba zusammen weniger Anteil als wenige Jahre zuvor noch jede für sich. Die Arbeitsteilung von Produktion und Montage zwischen dem Werk in Villingen (Saba) und dem in Bremen kam erschwerend hinzu und erschien einigen als „ausgemachter Blödsinn (…), dabei würden allenfalls die Spediteure reich“. Und so ging es abwärts.

Ein neues Radio für den neuen Sound des Rock’n’Roll: der Transistor Portable von Nordmende (ca. 1959).
Foto: Lena Häfermann, mit freundlicher Genehmigung des Bremer Rundfunkmuseums

Wir sind noch nicht am Ende, Saba ist nicht Nordmende! (Transparent-Schriftzug beim Protest der Saba-Mitarbeiter 1980)

Das endgültige Aus

Mit einem erneuten Engagement, Nordmende zu retten, wurde 1987 ein Sanierungs- und Entwicklungskonzept erarbeitet und eine neue Firma Europart gegründet. Thomson war noch mit 25 Prozent beteiligt, verpflichtete sich für ein Jahr zur Abnahme der produzierten Fernseher und sollte Europart damit Zeit verschaffen, sich zu erholen.

Mit diesem letzten Versuch setzten die verantwortlichen Geldgeber Manfred Zemitzsch (zuständiger Fernseh-Chef der Thomson-Tochter EWD), Peter Ballerscheff (EWD-Technologie-Chef) sowie Zemitzschs Sekretärin Antje Strahmann ihre Hoffnung auf das von ihnen entwickelte Konzept und das neue Kunststoffwerk, in dem langfristig gesehen nicht mehr nur die Teilchen für die Fernsehgeräte gefertigt werden sollten. Abnehmer hätten zudem Kunststoffbauer der selbst produzierten Werkzeuge sein können.

Ein weiterer Punkt im Rettungsplan war der Bremer Senat mit seiner finanziell unterstützenden Beteiligungsgesellschaft, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Dieses Modell war schließlich billiger als die Arbeitslosigkeit aufzufangen. Doch auch dieser Plan scheiterte und auch die neu gegründete Firma Europart meldete Insolvenz an. Mitte der 90er verschmolzen die Marken Nordmende, Saba und Telefunken, und die internationale Marke Thomson entstand.

Nordmende googeln 

Googelt man heute Nordmende, findet man die verschiedensten Ergebnisse. Vor allem tauchen Plattformen auf, auf denen Liebhaber, Sammler und ehemalige Mitarbeiter Relikte von damals anbieten, suchen oder ihre persönlichen Geschichten erzählen. Besonders interessant fand ich das Angebot eines alten, ausgeschlachteten Fernsehers als Hülle, „in dem man ja die neue Technik reinbauen könnte“. Sozusagen original Retro, aber mit dem Komfort von heute.

Die Traditionsmarken von damals haben es heute schwer, wenige sind übrig geblieben über die Jahre und der Glanz von damals verblasst teils leider gänzlich. Hier und da existieren noch ihre Marken-Namen. Einige wenige wie z.B. Telefunken, deren Marken-Rechte vom Hersteller Vestel erworben wurden und der heute in der Türkei produzieren lässt, haben es sozusagen geschafft und sind wieder am Markt.

Aber auch für die Fans von Nordmende gibt es Neuigkeiten: Das 1987 gegründete Unternehmen TechniSat verkündete im April diesen Jahres, dass sie die Lizenz zur Nutzung der Marke Nordmende erworben haben. Die ersten Produkte sollen laut eigener Homepage im September, zur internationalen Funkausstellung in Berlin, präsentiert werden. Wir dürfen uns auf TV-Geräte, Receiver, Digitalradios und sogar Plattenspieler freuen.

von Anna Häfermann

Auf dem Weg nach oben: das im Aufbau befindliche Hemelinger Nordmende-Werk im Jahr 1959.
Quelle: Staatsarchiv Bremen/Westdeutsche Luftfoto

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

Jetzt bestellen