Intrigant und rachsüchtig: NS-Kreisleiter Bernhard Blanke war sogar in Parteiumkreisen umstritten / Von Gauleiter Röver protegiert 

Seine einflussreiche Stellung im NS-Machtapparat nutzte Kreisleiter Bernhard Blanke geschickt zum eigenen Vorteil. Als ein Kassenprüfer ihm auf die Schliche zu kommen drohte, sorgte Blanke nicht nur für dessen Entlassung. Sondern auch noch dafür, dass er verhaftet und in ein polnisches Lager verschleppt wurde. Sogar in Parteikreisen war der prominente Kahlkopf umstritten, er galt als rachsüchtig und intrigant.

Nicht gerade ein Sympathieträger: NS-Kreisleiter Bernhard Blanke. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Nicht gerade ein Sympathieträger: NS-Kreisleiter Bernhard Blanke.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Es war ein geschickter Schachzug, der Gauleiter Röver gelungen war. Seine Abneigung gegenüber Bremen war ein offenes Geheimnis, weshalb ihm auch nur wenig an Aufwärtsbestrebungen der Hansestadt lag. „NS-Gau-Hauptstadt war Oldenburg und Röver war immer bestrebt, Bremen unter seine Gauleitung und Reichsstatthalterschaft zu zwingen“, so Herbert Schwarzwälder in seinem Standardwerk „Geschichte der Freien Hansestadt Bremen“.

Mit der Ernennung Bernhard Blankes zum neuen Kreisleiter am 8. Juni 1934 hatte Röver jemanden gefunden, bei dem er sicher sein konnte, dass sich auch zukünftig an den Verhältnissen nichts ändern würde. Nötig war dieser Schritt geworden, weil Paul Wegener, der bisherige Amtsinhaber, in den Stab des Stellvertreters des Führers nach München wechselte.

Mit Bernhard Blanke hätte es einen deutlicheren Unterschied zu dem jungen und eleganten Vareler Arztsohn Wegener nicht geben können. Geboren wurde Blanke am 14. Januar 1885 in Bremen-Lesum als drittes von insgesamt 13 Kindern. Sein Vater, Heinrich Dietrich Blanke, war von Beruf Buchbinder und seine aus dem Niederblockland stammende Mutter, Beta Lürssen, entstammte einer Bauernfamilie.

Als Handlungsgehilfe bei der Baumwollbörse beschäftigt

Nach dem Ende seiner Volksschulzeit begann Blanke ab 1901 eine kaufmännische Lehre bei einer Versicherungsgesellschaft. Doch weil ihm die Arbeitsbelastungen auf Dauer nicht zusagten, verließ er Bremen mit dem Ziel, in Gladbeck im Bergbau sein berufliches Glück zu finden. Nachdem allerdings 1905 im Ruhrgebiet ein großer Bergarbeiterstreik ausbrach, kehrte er nach Bremen zurück und arbeitet als Handlungsgehilfe bei der Bremer Baumwollbörse.

Beruflich gefestigt, wagte Blanke am 29. Mai 1913 durch die Heirat mit Gesine Fincke den Weg ins Eheleben. Und im Jahr darauf, am 17. August 1914, stellte sich mit der Geburt ihres einzigen Kindes Nachwuchs ein.

Dieser Ansatz einer beginnenden Normalität brach mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs jäh auseinander. Bereits drei Monate nach Kriegsbeginn, am 22. Oktober 1914, erlitt er eine schwere Verletzung seines Schädeldachs sowie seines linker Unterarms. Und ohne noch einmal an die Front zurückzukehren, wurde Blanke am Ende eines langen Genesungsprozesses 1917 aus dem Militärdienst entlassen.

Wieder Zivilist, arbeite er zunächst bei der Deutschen Tabakgesellschaft. Eine Betriebsschließung im Jahre 1920 führte ihn dann zu einer großen Exportfirma, bei der er als Prokurist bis zu deren Konkurs im Jahre 1930 blieb. Nun folgte eine Reihe verschiedenster Tätigkeiten bei ganz unterschiedlichen Betrieben: u.a. arbeitete er als Buchhändler, später als Buchhalter und Korrespondent bei der Bremer Türdrückerfabrik und ab dem 1. März 1932 war er für einige Monate Buchhalter bei einer Exportgesellschaft an der Sögestraße tätig.

Blanke befürchtete, Deutschland könnte zur Räterepublik werden

Blankes Arbeitsplatz vor dem Ersten Weltkrieg: die Bremer Baumwollbörse, hier noch in der ursprünglichen Fassadengestaltung.
Quelle: Wikimedia Commons

Zu diesem Zeitpunkt hatte er aber bereits mit seinem Eintritt in die NSDAP zum 1. Dezember 1930 seinem Leben eine andere Wendung gegeben. Nach seiner Verhaftung versuchte er vor dem Spruchgericht am 19. September 1949 seine Motivation für den Parteieintritt zu beschreiben:

„Einen weiteren Einfluß auf meinen Eintritt in die NSDAP hatte die rapide ansteigende Ar­beitslosigkeit und der zunehmende Einfluß der kommunistischen Partei durch das Anwachsen ihrer Wählerschaft. Ich befürchtete besonders, daß bei fortschreitendem wirtschaftlichen Niedergang spätestens Ende 1932 Deutschland eine Räterepublik sein würde. Mit diesen Gedanken und Befürchtungen trat ich der NSDAP bei.“

Zunächst war  er vom Oktober 1930 bis zum 11. Juni 1934 Ortsgruppenleiter in Bremen-Findorff und zugleich Kreisinspekteur. Ab Oktober 1933 bis zum Juni 1934 war er ebenfalls stellvertretender Kreisleiter des Kreises Bremen, um anschließend für mehrere Wochen als kommissarischer Kreisleiter den Kreis Osnabrück-Stadt zu führen. Und zum 1. Juli 1934 trat er schließlich die Nachfolge des scheidenden Kreisleiters Paul Wegener an.

Es dauerte nicht lange und es keimte die erste Kritik an der Besetzung Blankes als Kreisleiter auf. Auszüge eines Senatsprotokolls vom 5. Oktober 1934 erlauben uns nachträglich die Ansichten und Meinungen zu verfolgen: „Wie unendlich ein gutes Zusammenarbeiten zwischen Senat und jetziger Kreisleitung erschwert wird, durch die auf der einen Seite überempfindliche, auf der anderen Seite schroffe Art des Kreisleiters. Der Senat […] bringt nochmals zum Ausdruck, daß er trotz der Schwierigkeiten, die Herr Blanke im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Herrn Staatsrat Wegener, mache, alles tun werde, um eine gütliche Zusammenarbeit zu erzielen.“

Polizeipräsident Johannes Schroers als Blankes Intimfeind

Regelmäßige Kritik erfuhr auch Blankes eigenmächtiges Vorgehen. Ein Beispiel hierfür lieferte Dr. Richard Hoff, Leiter der von ihm 1919 gegründeten völkischen Volksschule. Ohne sich mit ihm in Verbindung gesetzt zu haben, stattete Blanke der Schule einen Besuch ab, mit einer sich anschließenden Feierstunde. Hoff war sichtlich über die Art verärgert und teilte dieses auch Blanke mit.

Besonders große Probleme gab es mit Bremens Polizeipräsidenten Johannes Schroers, der ebenso eigenwillig von seinem Wesen her war wie Blanke. Am Ende einer ganzen Reihe von kleineren und größeren Streitigkeiten war das Verhältnis zwischen beiden völlig zerrüttet. Nadelstiche, die an Böswilligkeiten grenzten, waren die Folge. So sorgte Blanke dafür, dass Schroers bei den Feierlichkeiten zum 30. Januar, die in der „Glocke“ stattfanden, auf einen der hinteren Plätze verwiesen wurde.

Der Beginn einer steilen Karriere: der frisch ernannte Kreisleiter Blanke (r.) bei der Eröffnung des Kreistags im November 1934 im Rathaus, neben ihm der Regierende Bürgermeister Heider.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Zugleich hatte Blanke das Gefühl, er würde von anderen Parteimitgliedern über wichtige Informationen nicht in Kenntnis gesetzt. Insbesondere gegenüber Gauamtsleiter Denker erhob er solche Vorwürfe in Zusammenhang mit einer Neuorganisation bzw. Neugründung des Kreises Lesum im November 1939.

Zu den unbestreitbaren Leistungen Blankes hingegen zählt die Organisation der Ausstellung „Bremen – Schlüssel zur Welt“. Zwischen dem 25. Mai und dem 19. Juni 1938 fanden sich in 18 Hallen auf der Bürgerweide alle bekannten Bremer Firmen zusammen und präsentierten einen Ausschnitt bremischer Leistungskraft. Über allem schwebte allerdings die Partei, welche sich als eine Frieden schaffende und Kultur fördernde Organisation präsentierte. Von den Konzentrationslagern und dem Repressionsapparat des NS-Systems erfuhr der Besucher nichts.

Mit Gauleiter Röver verlor Blanke seinen wichtigsten Förderer

Nach dem Tode Rövers im Mai 1942 verlor Blanke seinen wichtigsten Förderer. Und als dann noch der frühere Bremer Kreisleiter, Paul Wegener, Rövers Nachfolge antrat, waren Blankes Tage gezählt. Man musste nur noch einen Weg finden, Blanke ohne  Gesichtsverlust aus seinem  Amt zu entfernen.

Nachdem zum 1. Juli 1943 die Stelle  des Gauamtsleiters für Kriegsopfer frei geworden war, war aber auch diese Hürde überwunden. „Wenn Bernhard Blanke nunmehr zur Erfüllung anderer Aufgaben von seiner verantwortungsvollen bisherigen Tätigkeit abberufen wird, so bleibt sein langjähriges Wirken in seiner Vaterstadt unvergessen, wie ihn auch die Anhänglichkeit seiner Bremer Parteigenossen, denen er stets ein guter und treuer Führer sowie ein wohlsorgender Betreuer war, in sein neues Arbeitsfeld mit allen guten Wünschen begleiten“, hieß es im Rahmen der feierlichen Verabschiedung in der Glocke.

In Wahrheit handelte es sich um Krokodilstränen, denn wirklich bedauert hatte wohl keiner seinen Fortgang. Nach dem Krieg wurde Blanke mit Unterbrechungen immer wieder inhaftiert. Zunächst im Lager Esterwegen, dann Westertimke, anschließend in Fallingbostel und später im Bremer Internierungslager Riespott.

In seinem  Spruchgerichtsprozess war Blanke darum bemüht, sich als harmlosen Funktionsträger darzustellen, der sich keiner Verfehlungen zu Schulden habe kommen lassen. Ein genauerer Blick lässt diese Einschätzung aber nicht zu. Neben seinem bereits beschriebenen selbstherrlichen Auftreten, mit dem er immer wieder Menschen brüskierte, hat Blanke durch willkürliche Eingriffe vielen Leid zugefügt. Dabei ließ er sich nicht unbedingt von einer nationalsozialistischen Ideologie leiten, vielmehr bestand bei ihm ein ausgeprägter Hang zur persönlichen Vorteilsnahme.

Als ihm ein Kassenprüfer auf die Schliche kam, sorgte Blanke für dessen Entlassung

Einige Beispiele, die im Verlaufe des Prozesses zur Sprache kamen, lassen dies verdeutlichen. Besonders bezeichnend sind hierbei die Ereignisse um Harald Marcard, einen Mitarbeiter des Bremer Luftschutzes.

Bei einer routinemäßigen Kontrolle der Finanzen im Jahre 1936 waren diesem Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Pflichtbewusst wie er war,  meldete er diese Blanke und übergab ihm die kontrollierten Kassenbücher, verbunden mit dem Hinweis, dass er diese Angelegenheiten der Öffentlichkeit melden wolle. Doch statt dem Hinweis nachzugehen, ließ Blanke die Kassenbücher beseitigen und Marcard wegen falscher Anschuldigungen entlassen. Blanke hatte hierzu allen Grund, denn die veruntreuten Gelder waren ganz offensichtlich von ihm bei verschiedenen Zechgelagen ausgegeben worden. Um den Druck auf Marcard zu erhöhen erließ Blanke beim Arbeitsamt die Weisung, Marcard keine Stellung zu vermitteln. Und so musste dieser dann immer wieder erleben, dass er auf Anweisung des Kreisleiters nicht eingestellt werden könne.

Eine Eintracht, die nicht lange währte: der neue Gauleiter Wegener gemeinsam mit Kreisleiter Blanke Juli 1942.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

In ihrer Not wandte sich Marcards Ehefrau an Reichsleiter Bormann. Wohl aus Wut, aber auch um die Hintergründe verbergen zu können,  sorgte Blanke für eine Verhaftung Marcards am 2. Februar 1943. Ohne nähere Untersuchung kam Marcard in ein Lager nach Lublin, wo er  am 4. Januar 1944 an den Folgen einer nicht weiter behandelten Schleimhautentzündung verstarb.

Ein weiteres Beispiel für Blankes willkürliche Eingriffe geben die Ereignisse um die Zusammenlegung von Bremer Landesbank und der Staatlichen Kreditanstalt Oldenburg zur Staatlichen Kreditanstalt Oldenburg-Bremen.

Es war angedacht, Dr.  Gustav Adolf Salander, der bereits im Vorstand der Bremer Landesbank gewesen war, auch zukünftig mit einer führenden Aufgabe zu betreuen. Dies traf aber auf die deutliche Ablehnung Blankes, der Salander unbedingt verhindern wollte. Im Dezember 1937 ließ er darum den Regierenden Bürgermeister Böhmcker schriftlich wissen: „Ich möchte Sie daher darauf aufmerksam machen, dass Salander nach wie vor ein von der Partei 100%ig abgelehnter übler Mensch bleibt, über den die Akten hier längst geschlossen sind. Die Gestapo kann Ihnen fernerhin gute Auskünfte geben über dieses Subjekt. […]  An und für sich genügt das vorliegende Material vollkommen, um dem Manne seine gesamte Existenz in verhältnismäßig kurzer Zeit zu nehmen.“

Letztlich führte Blankes Intervention mit der Entfernung Salanders aus dem Vorstand am 15. Dezember 1937 auch zum Erfolg. Erst ein Eingreifen Rövers einige Jahre später sollte diese Maßnahme rückgängig machen.

Am Ende eines sich eines lange hinziehenden Verfahrens wurde Blanke laut Beschluss vom 14. Mai 1949 in die Kategorie IV eingestuft. Da in Oldenburg aber keine tatsächliche Untersuchung stattfand, wurde Blankes Verfahren in Niedersachsen eingestellt. Ziel sollte es sein, Blanke in Bremen vor Gericht zu stellen. Diesem Ziel wurde aber nicht stattgegeben. Blanke wurde im Januar 1950 vom Landesausschuss für die Entnazifierung in Niedersachsen  in die Kategorie III a, b, c, eingestuft und musste sich mit 500,- DM an den Verfahrenskosten beteiligen. Wenn man sich Blankes aktive Rolle im NS-System vor Augen führt, so mutet dieses Urteil mehr als milde an und kann nur vor dem Hintergrund des anbrechenden Kalten Krieges und der damit einsetzenden „Schlussstrichdebatte“ begriffen werden.

Blanke lebte dann noch zehn weitere Jahre, bevor er am 9. August 1960 in Bremen verstarb. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Waller Friedhof.

von Sönke Ehmen

Der Kreisleiter unter seinesgleichen: vorne sitzend, wirft Bernhard Blanke noch einen kurzen Blick in seine Redemanuskript bei der Eröffnungsfeier des Winterhilfswerks 1936/1937. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Der Kreisleiter unter seinesgleichen: vorne sitzend, wirft Bernhard Blanke noch einen kurzen Blick in seine Redemanuskript bei der Eröffnungsfeier des Winterhilfswerks 1936/1937.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
Universität Bremen

50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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