Stromschwimmen: Früher eine Werbe- und Imageshow der Schwimmvereine mit Volksfestcharakter
Anfang des 20. Jahrhunderts war Schwimmen noch kein Volkssport. So richtig wurde es meist nur in den Schwimmvereinen gelehrt. Deshalb zeigten die Schwimmvereine ihr Können auf der Weser, um für neue Mitglieder zu werben. In verschiedenen Vereinschroniken wird darüber berichtet.
Am 5. Juni 1910 fand anlässlich der 25-jährigen Jubiläumsfeier des Schwimmvereins „Weser“ von 1885 ein Werbe-Stromschwimmen von der Kaiserbrücke zur Timmermann’schen Flussbadeanstalt statt.
In den 1920ern rief der Schwimmverein Bremen von 1910, ehemals Freie Schwimmer, zum Stromschwimmen auf. Auf den Aufruf meldeten sich viele Schwimmer an. Es war die Attraktion auf der Weser. Die Zuschauer standen auf den Brücken und an den Weserufern. Geschwommen wurde vom Oberweser-Ruderverein von 1879 (heute: Bremer Ruder-Club Hansa) bis zur Kaiserbrücke (heute: Bürgermeister-Smidt-Brücke). Dort starteten die Vorführungen, wie Reigenschwimmen und Wasserball. Begleitboote befreundeter Vereine fuhren mit trockener Kleidung an Bord hinterher.
Eine Sensation des Jahres 1931 war das Stromschwimmen des Schwimmvereins Bremen von 1910, und zwar vom Stadtwerder bis zur Woltmershauser Badeanstalt. Ein buchstäbliches Schwimmen gegen den Strom. An dieser Veranstaltung beteiligten sich weit über 300 Mitglieder des Vereines. Kunstreigenschwimmen, Wasserball und das Brückenspringen von der damaligen Kaiserbrücke wurden von Tausenden von Zuschauern besucht. Seppl Kirchgießer und Hermann Wöltjen sprangen trotz Verbotes von dem 23 Meter hohen Brückenbogen in die Weser.
1950 wird die die Weser wiederentdeckt
An den warmen Sommertagen des Jahres 1950 gibt es für die Bremer Bevölkerung kein Halten mehr. An allen Badestellen wird ins Wasser gestiegen und in der Weser geschwommen. Man kann das verstehen, denn das Breitenwegbad war nur notdürftig wieder hergerichtet, das Hansabad am Steffensweg vollkommen zerstört. Auch in den Wohnungen waren kaum Bäder vorhanden.
Im Weser-Kurier erschien damals eine Karikatur, die zeigen soll, dass die Weser voller badender Menschen war.
1950: Volksfest auf der Weser
Am 2. September 1950 kam es zum Höhepunkt der Badesaison. „Der Sommerausklang an der Weser“ wurde zum Volksfest. Von zehn Barkassen aus konnten die Besucher dem Treiben auf dem Wasser und an Land zusehen. Ein Wagenkorso der Geschäftswelt fuhr durch die Stadt und stieß auf den Osterdeich zu. Die Boote der Wassersportvereine waren mit 3000 Fackeln geschmückt und von 250 Fackelschwimmern begleitet. Gesangsvereine, umrahmt von 50 Fackelträgern, sangen Volkslieder. Blaskapellen und eine Tanzkapelle sorgten für Unterhaltung. Gegen Ende gab es ein Brilliantfeuerwerk. Zu guter Letzt spritzte die Feuerwehr haushohe Wassersäulen in den Himmel, die zehn Minuten lang bengalisch beleuchtet wurden.
Und heute?
Der Drang, in Flüssen zu schwimmen, ist sicher immer noch vorhanden. Nachdem die Flüsse gegenüber früher wieder sauberer geworden sind, birgt das auch kaum mehr gesundheitliche Gefahren. Aber es ist dringend davon abzuraten, ohne professionelle Aufsicht in Flüssen zu schwimmen! Im Internet (Schwimmkalender) werden für verschiedene Flussabschnitte in Rhein, Weser oder auch in Seen Termine angeboten.
Extremschwimmer durchqueren den Ärmelkanal. Die Weser gilt jedoch nicht mehr als ein derartiges Schwimmrevier, da sie von der Mittelweser bis zur Außenweser eine Bundeswasserstraße ist. Allenfalls kann die jährlich im Sommer ausgetragene Badeinselregatta der Haake Beck-Brauerei einen Eindruck vom Stromschwimmen früherer Zeiten geben.
von Peter Strotmann