Vor 50 Jahren

Am Sonnabend, dem 4. Juli, am Tage der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vor fast 200 Jahren, findet in Bremen eine Demonstration gegen den Krieg statt, den die Vereinigten Staaten in Vietnam, Laos und Kambodscha führen. Der Demonstrationszug wird sich um 12 Uhr vom Ansgarikirchhof durch die Innenstadt bewegen. Diese Aktion ist Teil einer internationalen Kampagne für den sofortigen und bedingungslosen Abzug aller US-Truppen aus Indochina. Der 4. Juli wurde gewählt, um den Widerspruch zu zeigen, der zwischen der Bedeutung dieses Tages und der gegenwärtigen Politik der Vereinigten Staaten besteht. (Weser-Kurier, 4./5. Juli 1970)

 

Hintergrund

Teils „recht energisch“ sei die Polizei gegen die Demonstranten vor dem US-Konsulat am Präsident-Kennedy-Platz vorgegangen, meldete der WESER-KURIER am 6. Juli 1970. Das konnte auch Fotograf Peter Rath bestätigen, der das Geschehen mit seiner Kamera dokumentierte. Dabei entstand das abgedruckte Bild des Demonstranten, der von drei Beamten weggeschafft wird, während einer „mit der Faust auf ihn einschlägt“, wie Rath den Kollegen von der schreibenden Zunft mitteilte. Und das war noch nicht alles, auch er selbst geriet ins Visier der Ordnungsmacht: „Um Aufnahmen zu verhindern, wurde leichter physischer Druck gegen mich angewendet.“

Die Proteste gegen die amerikanische Beteiligung am Vietnamkrieg gehören zu den Eckpfeilern der 68er-Bewegung. Im März 1965 waren die ersten US-Bodentruppen im geteilten Vietnam gelandet, um dem bedrängten Südvietnam gegen die kommunistischen Rebellen des Vietcong zu Hilfe zu eilen. Mehr als eine halbe Million GIs befanden sich im Januar 1968 im Land. Gleichwohl gelang es nicht, das westlich orientierte, aber keineswegs demokratische Südvietnam zu stabilisieren. Auch nicht mithilfe massiver Luftangriffe auf Ziele in Nordvietnam, bei denen die gefürchteten Napalm-Bomben zum Einsatz kamen. Durch ihren hohen Benzinanteil entfaltete die Waffe eine enorme Brandwirkung, die Verluste in der Zivilbevölkerung waren verheerend.

Frühe Proteste: Bereits im März 1966 versammelten sich Gegner des Vietnamkriegs auf dem Bahnhofsplatz.
Foto: Archiv des Weser-Kurier

Ganz neu waren Napalm-Bomben nicht. Bereits im Zweiten Weltkrieg wurden sie abgeworfen, in großer Anzahl erstmals im Oktober 1943 auf eine Produktionsstätte der Bremer Focke-Wulf-Werke im westpreußischen Marienburg. Bei den Bremer Protesten gegen den Vietnamkrieg spielte die Napalm-Waffe eine erhebliche Rolle. Nachhaltig in Erinnerung geblieben ist vor allem der Schülerauftritt vor dem Dom an Heiligabend 1967. „Napalm – Lichterglanz über Vietnam“ war auf einem der Transparente zu lesen.

Ein knappes Dreivierteljahr nach Beginn der US-Intervention, im November 1965, hatte es in Bremen eine erste größere Vietnam-Kundgebung gegeben. Fast immer war das US-Konsulat das Ziel der Protestmärsche, so auch am 4. Juli 1970. Von den 500 Teilnehmern versuchten laut WESER-KURIER etwa 50, das Konsulat zu stürmen. Bei einem Sit-in kam es dann zu den Rangeleien mit der Polizei. Kurz darauf zerschnitten Demonstranten am Hauptbahnhof ein heruntergerissenes Sternenbanner, am Herdentor landete ein weiteres Exemplar auf der Fahrbahn. Von „Flaggenattentaten“ war im Lokalteil dieser Zeitung die Rede.

Da reduzierten die USA bereits ihre Truppenstärke. Dennoch fiel die US-Army noch im Mai 1970 in Kambodscha ein, um Rückzugsgebiete der Vietcong zu vernichten. Derweil bröckelte auch in Amerika die Zustimmung zum Vietnamkrieg, im Dezember 1970 verbot der Kongress Bodeneinsätze im nordwestlichen Nachbarstaat Laos. Anfang 1973 befanden sich nur noch 27 000 GIs in Vietnam. Ohne US-Waffenhilfe konnte Südvietnam nicht bestehen, im April 1975 kollabierte die Teilrepublik unter dem Druck der nordvietnamesischen Streitkräfte.

Rustikaler Einsatz: Polizisten entfernen einen Demonstranten vom Rasen vor dem US-Konsulat, ein Beamter traktiert ihn mit Faustschlägen.
Foto: Peter Rath

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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