Nostalgie pur: Der Brill auf einer alten Ansichtskarte.
Quelle: Bestand Hoffmann

Ein Foto mit Geschichte

Auf diesem historischen Foto sehen wir viele Verkehrsteilnehmer auf engstem Raum. Da wären die, die vor der Ampel bei „rot“ warten müssen: eine Straßenbahn, ein VW-Käfer, ein Pferdefuhrwerk von Haake-Beck, Radfahrer sowie ein Fußgänger, der bei „grün“ die Straße quert.

Auf dem Fußweg steht ein Turm, in welchem ein Person sitzt. Auf dem Rundbau mit Säulen wird über der Traufe für die „Bremer Nachrichten“, unter der Traufe für den „Weser-Kurier“ geworben. Doch wo ist die Legende des Fotos mit Aufnahmeort- und datum, Name des Fotografen, Beschreibung? Wahrscheinlich wird es in jedem Archiv solche „Bildleichen“ geben.

Aber gerade diese Detektivarbeit ist für einen Bremen History-Autor eine lohnende Aufgabe.

Der Verkehrsturm

Als besonderes Bauwerk sticht der kleine Turm hervor, ein sogenannter „Verkehrsturm“.

Dazu muss man wissen, dass Bremen als Ersatz für die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kaiserbrücke die Bürgermeister-Smidt-Brücke baute. Diese wurde am 28. Juni 1952 eingeweiht. Damit war der Brill wieder zu einem Hauptverkehrsknotenpunkt geworden.

Doch schon am 19. Juni 1962 wurde am Brill ein sogenannter „Verkehrsturm“ aufgestellt. Davon berichtete der Weser-Kurier: „Von diesem Leitstand für den Straßenverkehr wird die Polizei den nach Übergabe der neuen Brücke zu erwartenden Fußgänger- und Fahrzeugstrom dirigieren. Dabei schaltet der Verkehrspolizist im Leitstand für die Fußgänger eigene Ampeln mit den Aufschriften „Warte“ und „Gehe“ und für die Fahrzeuge die üblichen Rot-, Gelb,- Grün-Ampeln. Um dem Verkehrsturmpolizisten die größtmögliche Übersicht über alle in den Brill mündenden fünf Straßen zu geben, wird später auch der Rundbau auf der Verkehrsinsel verschwinden müssen. Zunächst wird er schon sein Runddach mit der Normalzeituhr hergeben müssen.“

Groß geworden: 1929 präsentierte sich die Brill-Kreuzung schon fast so, wie wir sie heute kennen. Doch das war nicht immer so.
Quelle: Hans Hermann Meyer, Die Bremer Altstadt, Bremen 2003

Ein paar Jahre später wurde die manuelle Ampelregelung durch eine automatische Schaltung ersetzt. Danach stand der Verkehrsturm nutzlos herum. 1966 wurde er zum Verkehrsübungsplatz am Großmarkt an der Neuenlander Straße verbracht und an einer Steilkurve aufgestellt. Als der Großmarkt 2002 in die Überseestadt verlegt wurde, wurde der Verkehrsübungsplatz nach Mahndorf verlegt. Dabei wird der alte Verkehrsturm in den Hochofen gewandert sein.

Der Rundbau

Noch zu Kaisers Zeiten erstellte die Stadt Bremen diesen markanten Rundbau auf der Verkehrsinsel am Brill. Es war ein kombiniertes Bauwerk: Einmal war es ein Unterstand für Fußgänger, dann ein Kiosk und unten im Keller waren die Toiletten. Männer und Frauen erreichten sie durch separate Treppen. Das Bauwerk wurde 1966 wegen des geplanten Baus der 1968 eröffneten Fußgänger-Unterführung am Brill im Rahmen des Martini-Durchbruchs abgerissen.

Die Straßenbahn

Es ist eine Straßenbahn von oben zu sehen. Es könnte sich um einen Großraum-Triebwagen Typ T4a handeln, deren Baunummer 801 am 24. Januar 1953 der Bremer Straßenbahn AG übergeben wurde. Mit den zugehörigen Beiwagen waren es die längsten bis dahin gebauten Wagen und die letzten ohne Gelenk. An den Enden waren sie schmaler gebaut, damit sie in Kurven nicht soweit ausschwenkten. Der Volksmund taufte sie „Zigarre“.

Der VW-Käfer

Davor an der Haltelinie, dicht an der Straßenbahn steht ist ein sogenannter „Brezelkäfer“. Man erkennt ihn am geteilten Rückfenster, das 1953 durch ein einteiliges Ovalfenster ersetzt wurde.

Das Pferdefuhrwerk

Zuletzt gab es bei Haake-Beck vor allem Zweispänner, früher aber auch Dreispänner: so wie bei diesem Fuhrwerk aus den 1930er Jahren. Die Aufnahme entstand vor dem Haus Meterstraße 7 (Sudmanns Bierhalle), heute Langemarckstraße in der Bremer Neustadt.
Quelle: Stadtteil-Archiv Bremen-Neustadt

Es ist eines dieser legendären Haake-Beck Pferdefuhrwerke. Mit ihnen wurde jahrzehntelang Bier in Fässern und Flaschen an die Gaststätten und Geschäfte gebracht. Hier sehen wir ein einfaches Pferdefuhrwerk, das nur mit einem Kutscher gefahren wurde.

Zuletzt fuhren in Bremen nur noch Fuhrwerke zur Präsentation. Erst 2005 wurde der Pferdefuhrpark bei Haake-Beck aufgelöst.

Die Radfahrer

Sie stehen schon weit vorgerückt und warten startbereit darauf, dass der Verkehrspolizist im Leitstand für sie auf „grün“ schaltet.

Die Fußgänger

Eine Fußgängerin quert die Straße bei „grün“. Ist es so, wie man scherzhaft sagt, dass Fußgänger den ganzen Verkehr nur aufhalten?

Ja, hier scheint es so zu sein.

Das Fazit

Unsere geschulten Bremen History-Leser werden es mit einem Blick sehen haben: Das Foto ist am Brill entstanden. Die verschiedenen Verkehrsteilnehmer warten vor der Ampel auf „grün“, damit sie über die Bürgermeister-Smidt-Straße in Richtung Neustadt fahren können.

Der Zeitpunkt der Aufnahme könnte Anfang 1953 gewesen sein. Trotz unserer intensiver Bemühungen konnte kein Rechteinhaber ermittelt werden.

von Peter Strotmann

Mehr drin als man auf den ersten Blick denkt: Zu diesem Foto, vermutlich 1953 am Brill aufgenommen, lässt sich eine Menge sagen.
Quelle: Stadtteil-Archiv Bremen-Neustadt

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