Etliche Relikte und Erinnerungen im Stadtgebiet weisen auf verschwundenen Sakralbau hin
Der Einsturz des 118 Meter hohen Turmes der Ansgarii-Kirche am 1. September 1944, bei dem auch das Kirchengebäude zerstört wurde, hat seinerzeit in der Bevölkerung einen großen Schock ausgelöst. „De ole Scharskaaken“, werden die Tagenbaren auf Plattdeutsch gesagt haben, „is in`n Dutt.“
Gott sei Dank hatte man schon vorsorglich einige besonders wertvolle Teile aus dem Kirchenraum ausgelagert. Diese haben auch den Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger gut überstanden. Anderes konnte aus den Trümmern geborgen werden. Zudem sind bis in die jüngere Zeit neue Erinnerungsstücke entstanden. Tagtäglich machen vier Straßen auf die alte Kirche aufmerksam.
Mit dieser, wenn auch unvollständigen Liste, soll ein erster Überblick über Erinnerungsstücke an die alte Ansgarii-Kirche gegeben werden
A Die ausgelagerte Teile
Die Kanzel (der Schalldeckel konnte nicht wieder verwandt werden) aus dem Jahre 1592, die Deckenleuchten und die Orgel (das Orgelwerk von 1611 wurde beim Einsturz zerstört – das Orgelprospekt von 1711 und 1736 war ausgelagert) blieben erhalten.
Die Margagreta-Glocke von 1456 mit dem Schlagton „a’“ war ausgelagert (oder wurde in den Trümmern gefunden?) und ist in den Kirchturm der 1957 gebauten neuen St. Ansgarii-Kirche an der Schwachhauser Heerstraße 40 gebracht worden. Zum Läuten wurde sie erst wieder 2013 gebracht.
Die Gebäude-Zeichnungen werden im Archiv der Ansgarii-Gemeinde verwahrt.
Heinrich von Zütphen (1488 bis 1524) hielt am 9. November 1522 die erste evangelische Predigt in der alten St. Ansgarii-Kirche und wurde damit zum Bahnbrecher für die Reformation in Bremen. Eine Kopie, nach einem Original im Dithmarscher Landesmuseum in Meldorf, hängt in der neuen Ansgarii-Kirche.
Zur Erinnerung an mindestens 46 Ansgar-Kirchen im europäischen Raum, viele Ansgar-Vereinen und Gesellschaften sei hier stellvertretend die Statue des Ansgar von Bremen genannt, die an der Trostbrücke in Hamburg steht. Des weiteren werden bei Ebay historische Ansichtskarten der alten St. Ansgarii-Kirche angeboten. Mit dem Bischof befasst sich auch eine umfangreiche Ansgar-Literatur, gewürdigt wurde der Kirchenmann durch das am 1. September 1944 zerstörte Ansgar-Denkmal von Steinhäuser.
B Die aus den Trümmern geborgenen Teile
Eine Anzahl vollständiger Epitaphe und ein unvollständiges Epitaph wurden in die Wände im rechten Seitenschiff der neuen St. Ansgarii-Kirche angebracht. Eine Herme aus einem Epitaph ziert einen Stützpfeiler an einem Haus im Schnoor.
Das Focke-Museum verwahrt unter anderen ein Steinrelief „Das letzte Abendmahl“. Das Besondere daran ist, dass während der Reformation im Jahre 1528 die Köpfe der Personen abgeschlagen worden sind.
Im Focke-Museum hat sich auch der figürliche Grabdeckel des 1304 erschlagenen Arnd von Gröpelingen erhalten.
Im Eingangsbereich der neuen St. Ansgarii-Kirche befindet sich auf der rechten Seite eine kleine, aber sehenswerte Ausstellung. Sie beinhaltet unter anderem einige der geborgenen Teile (meist Steinfragmente), Fotos aus der Vor- und Nachkriegszeit, die eiserne Stange der Windfahne, ein Stück Wandbemalung sowie die alte Kirche im Modell.
C Die in der Stadt, meist um die alte St. Ansgarii-Kirche herum, nach 1945 geschaffenen Erinnerungen
Vor dem Gewerbehaus steht seit 1965 eine Ansgarii-Gedenk-Säule mit Bodenplatten, die auch als Ersatz für das von Steinhäuser 1865 geschaffene und 1944 zerstörte Ansgar-Denkmal angesehen wird.
Eine Platte auf der südöstlichen Ecke des Platzes weist auf den Ort der Turmspitze hin, welcher Carl Friedrich Gauß als Vermessungspunkt genutzt hat.
Ein Wandbild, mit der Ansicht der alten Ansgarii-Kirche, befindet sich an der Rückseite eines Hauses am Spitzenkiel und zeigt zum Lloydhof hin.
Die Glasfenster und Türen in der Anschariipassage sind ein Gesamtkunstwerk.
Eine Gedenktafel am Glockenturm der neuen Ansgarii-Kirche berichtet, wie durch Heinrich von Zütphen die Reformation 1522 nach Bremen kam.
Eine Gedenktafel am Ansgarikirchhof beschreibt die Geschichte der Kirche und des Lloydgebäudes.
D Sonstiges Erinnerungen
Die ehemalige Firma Gebrüder führte eine Fahrradmarke „Ansgari“.
Die Straßennamen: Ansgarikirchhof, Ansgaritorstraße. Ansgaritorswallstraße, Ansgaritränkpforte gedenken der alten Ansgarii-Kirche
Nachbemerkung:
Namenspatron der Kirche war Ansgar von Bremen (801 bis 865).
Anschari (immer mit „s“) war über Jahrhunderte die gebräuchliche Version des Namens. Es ist plattdeutsch. Neben „Anschari“ gab es noch weiter gebräuchliche Namensformen wie zum Beispiel „St. Anschar“, „Scharskaaken oder einfach nur „Schars“.
Die Gelehrten hoben sich vom gemeinen Volk ab und sprachen Latein. Die lateinischen Grundform von Ansgar ist „Ansgarius“ . Will man sagen: „Die Kirche des heiligen Ansgar“ dann benötigt man den Genitiv „Ecclesia Sancti Ansgarii“. Daher kommt das doppelte „i“. Während bei der plattdeutschen Form auf das doppelte „i“ verzichtet wurde. Die Wort „Anschariipassage“ mit dem doppelten „i“ auf der Tür ist demnach nicht korrekt.
von Peter Strotmann