Einst ein gesuchter Hotelstandort in Bremen: der Domshof (hier 1891) mit dem legendären Hotel Lindenhof als zweitem Gebäude von links.
Quelle: Wikicommons

Ein Blick in die Geschichte (127): Aufnahme von 1880 zeigt Westseite des Platzes

Nicht erst in unseren Tagen ruft das Erscheinungsbild des Domshofs scharfzüngige Kritiker auf den Plan. Bereits im späten 18. Jahrhundert forderte der Rat, den Platz aus seinem „verödeten und morastischen Zustande“ zu befreien. Das Problem: Die Stadt Bremen hatte damals nicht das alleinige Sagen, wenn es um die Gestaltung des Domshofs ging. Gehörte der doch bis 1803 als Bestandteil des Dombezirks zum Kurfürstentum Hannover.

Nach heutigem Verständnis ein ziemlich sonderbares staatsrechtliches Konstrukt, das mit dem ewigen Streit zwischen der Stadt und den erzbischöflichen Landesherren zu tun hatte. Damit war es zwar vorbei, als Bremen im Juni 1646 „reichsunmittelbare“ Stadt wurde. Soll heißen: Als freie Reichsstadt war Bremen jetzt unmittelbar, direkt dem Kaiser unterstellt – und damit endlich nicht nur de facto, sondern auch de jure unabhängig, ohne lästige landesherrliche Zwischeninstanz.

Doch das frühere Erzstift Bremen, nunmehr als Herzogtum Bremen und Verden unter weltlicher Herrschaft, behielt den Dombezirk. Und das blieb auch so unter den wechselnden Herren: Erst war Schweden am Drücker, dann Dänemark, ab 1715 das Kurfürstentum Hannover. Damals war das nichts Ungewöhnliches, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation galt nicht zu Unrecht als „Flickenteppich“. Erst als die kaum noch überschaubare Kleinstaaterei 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss ein Ende fand, kam der gesamte Dombezirk unter bremische Verwaltung.

Keine neue Idee: auch früher gab es schon Bäume auf dem Domshof.
Quelle: Wikicommons

Ein Entwicklungsschub für den Domshof

Für den Domshof bedeutete das einen enormen Entwicklungsschub. Nicht zufällig wurde bald darauf der frühere Bischofssitz, das Palatium, abgerissen und 1818/19 durch das Stadthaus ersetzt, dem Vorgängerbau des Neuen Rathauses. Kaum war das geschehen, ging es ab 1823 an die Umgestaltung des gesamten Areals, allmählich füllten sich die letzten Baulücken. Der Lindenbestand an der Nordseite wurde abgeholzt, alte Patrizierhäuser verschwanden und machten Platz für einen klassizistischen Neubau, das angesehene „Hotel zum Lindenhof“. Erhalten blieb indessen das barocke Caesarsche Haus von 1768, auf dem Foto ganz rechts zu sehen; es wurde trotz vehementer Proteste 1956 abgerissen.

Am auffälligsten auf dieser Aufnahme von 1880 ist jedoch der damals noch junge Rutenhof von 1874/75, nach Expertenansicht ein „origineller Backsteinbau“, der sich durch „höchst eigenartige Formen“ auszeichnete. Seinen Namen verdankt der Rutenhof dem umtriebigen Baumeister Lüder Rutenberg, zugleich Mitbegründer der Kaiserbrauerei Beck & May in der Neustadt.

Wo heute das Cafe Alex steht, wuchsen früher Linden.
Quelle: Wikicommons

Weil das Gebäude ursprünglich künstlerisch-wissenschaftlichen Zwecken hatte dienen sollen, zierten vier deutsche Geistesgrößen als Sandsteinstatuen die Fassade: Gutenberg, Leibniz, Lessing und Luther. Kunstvoll gestaltet auch der Innenhof, der „Lichthof“, den ein 40 Meter langer Fries des Malers und Dichters Arthur Fitger zierte. Unklar ist, warum aus den Nutzungsplänen nichts wurde. Wie dem Adressbuch von 1880 zu entnehmen ist, hatte aber immerhin Fitger im Rutenhof sein Atelier. Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der Worpsweder Maler Heinrich Vogeler 1897 die künstlerische Gestaltung des neuen Restaurants im Erdgeschoss vornahm – Arthur Fitger und die Worpsweder, das war ein unvereinbarer Gegensatz.

Seit 1937 diente der Rutenhof als Behördensitz und ging 1966 an die Bremer Landesbank. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude unversehrt, musste dann aber 1967 dem Neubau der Landesbank weichen.

Als Architekt prägte Heinrich Müller (1819 bis 1890) die Jahre des Historismus in Bremen. Quelle: Bremen und seine Bauten, 1900

Heinrich Müller an beiden Ecken

Deutliche Spuren bei der Bebauung der Westseite des Domshofs hinterließ der damals führende Architekt in Bremen, Heinrich Müller. Von ihm stammt nicht nur das 1875 errichtete „Museum“ an der Ecke zum Schüsselkorb, ein historistischer Prachtbau im Stil der venezianischen Renaissance im Auftrag der „Gesellschaft Museum“. 1858 hatte er auch das viergeschossige Gebäude an der Ecke zum Liebfrauenkirchhof entworfen – ein raffiniertes Bauwerk, weil es sich eigentlich um drei Häuser handelte, die nur durch die einheitliche Fassade wie ein einziges Gebäude wirkten.

Wo seit 1891 das Monumentalgebäude der Deutschen Bank steht, befanden sich zuvor vier Wohn- und Geschäftshäuser, darunter das leicht schräg stehende Gasthaus „Börsenhalle“ von 1769. Gleich nebenan folgte ein nur zweiachsiges, viergeschossiges Haus von 1864 und wiederum daneben ein Gebäude von 1837, das die Tapetenhandlung von Carl Ebhardt beherbergte. Auf der Fassade ist sein Name mit einiger Mühe sogar noch zu entziffern.

Nun steht dem Domshof ein neues Kapitel bevor. Womöglich kommt dem Platz die vorgesehene Zweiteilung zugute. Vielleicht lässt sich dadurch ein Irrtum der Geschichte korrigieren. Denn schon in der Vergangenheit zerbrachen sich die Fachleute den Kopf darüber, warum es den Domshof überhaupt gibt. Widerspreche es doch mittelalterlichen Gepflogenheiten, „ohne ersichtlichen Zweck“ einen Platz von solchen Ausmaßen im Herzen der Stadt anzulegen.

von Frank Hethey

Kaum wieder zu erkennen: die Westseite des Domshofs im Jahre 1880.
Quelle: Bestand Herbert Fuß

 

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