Arthur Fitger zum 175. Geburtstag: Als Historien- und Dekorationsmaler wurde er überregional bekannt – und geriet noch zu Lebzeiten in Vergessenheit

Seine vehementen Attacken gegen die Worpsweder Maler hängen ihm bis heute nach. Arthur Fitger hat es sich so ziemlich verscherzt mit der Nachwelt, er gilt als halsstarriger Gegner der Moderne. Dabei war er einmal eine unangefochtene Kapazität als Historien- und Dekorationsmaler, an ihm kam keiner vorbei. Nicht nur in Bremen, auch überregional fand er als „Makart des Nordens“ viel Anerkennung. Umso tiefer sein Fall in seinen späten Jahren, als man ihn nur noch als „flennenden Greis“ abkanzelte.   

Als er 1899 die erste Ausstellung der jungen Malerin Paula Becker, später verheiratete Modersohn, in der „Weser-Zeitung“ gnadenlos verriss, konnte er nicht ahnen, dass ihm die Hansestadt dieses Fehlurteil nie verzeihen würde. Arthur Fitger, von der Kunstgeschichte bisher wenig beachtet, findet heute fast ausschließlich als erbitterter, halsstarriger Gegner der Moderne in Norddeutschland kritische Erwähnung. Dass ihn seine Zeitgenossen nicht nur auf künstlerischem sondern auch auf literarischem Gebiet als überregionale Berühmtheit feierten, tritt oft hinter seiner Rolle als unbarmherziger Kunstrichter, der die Geschmacksbildung einer ganzen Region zu bestimmen versuchte, zurück.

Am 4. Oktober 1840 in Delmenhorst als Sohn des dortigen Postmeisters geboren, absolvierte Fitger nach einer bitter erfahrenen Schulzeit in seiner Heimatstadt und dem benachbarten Oldenburg die Kunstakademien in München und Antwerpen. Der Tod des Vaters und finanzielle Nöte zwangen ihn 1865 seinen zweijährigen Studienaufenthalt in Italien abzubrechen und in die norddeutsche Heimat zurückzukehren.

Dürftige Auftragsarbeiten und mangelnde Anerkennung bestimmten die Trostlosigkeit seiner Künstlerexistenz und veranlassten seine Übersiedlung in die Hansestadt, in der sich mit der Reichsgründung (1871) ein konjunktureller Aufschwung abzuzeichnen begann. Mit den Gründerjahren setzte in Stadt und Umland eine rege Bautätigkeit ein, die auch dem aufstrebenden jungen Fitger eine verbesserte Auftragslage bescheren sollte.

Der junge Fitger bediente das hanseatische Großbürgertum

Dem erwachenden Repräsentationsbedürfnis der Zeit gemäß verlangte es eine neue, finanzkräftige bürgerliche Elite nach dekorativer Ausgestaltung ihrer öffentlichen und privaten Gebäude.

Unerfahren in der Vergabe künstlerischer Auftragsarbeiten größeren Umfangs, in seiner ästhetischen Vorstellungswelt einem traditionellen Kunstgeschmack verpflichtet, fand das hanseatische Großbürgertum in dem jungen Fitger einen zügig schaffenden Historien- und Dekorationsmaler, der die neugestellten Aufgaben bravourös zu meistern verstand.

Es ging auch filigraner: Dieser 1896 angefertigte Entwurf für die Villa Hachez in Bremen beschäftigt sich mit Dornröschen (aus dem Zyklus „Deutsche Volksmärchen“). Quelle: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Oldenburg

Es ging auch filigraner: Dieser 1896 angefertigte Entwurf für die Villa Hachez in Bremen beschäftigt sich mit Dornröschen (aus dem Zyklus „Deutsche Volksmärchen“).
Quelle: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Oldenburg

Fitgers handwerkliches Können, Ergebnis der jahrelangen akademischen Schulung, umfassende Kenntnisse der historischen Stilformen, schließlich die erzählerische Kraft eines Malers, der sich gleichzeitig zum Dichter berufen fühlte, ließen in wenigen Jahren ein überreiches Werk entstehen.

Fitgers pompöse Ausstattungskunst gestaltete im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Innenräume der großen bürgerlichen Repräsentationsbauten in Bremen: der Rembertikirche, des Hauses Seefahrt, des Ratskellers, des Reichspostamtes, des Schüttings, der Börse, des Rutenstifts, des Künstlervereins und des St. Joseph-Stifts. Sie schmückte die Villen und Landhäuser der Familien Melchers, Knoops, Gildemeister, Hachez, Wätjen, Rickmers und Wolde und gestaltete in reicher, überladener Ornamentik die Ehrenbürgerbriefe der Stadt.

Fitgers schnell wachsender Ruhm drang über die Grenzen der Hansestadt hinaus. Er malte in Hamburg, Berlin, Hannover, Oldenburg, Kassel, Frankfurt, Mainz, Leipzig, Amsterdam und Antwerpen. Ab 1890 entstand in Bremen-Horn Fitgers Künstlerheim, eine hochherrschaftliche Villa, glanzvolles Ambiente für einen Maler, der sich künstlerischer und gesellschaftlicher Reputation sicher sein durfte. Johannes Brahms, Gustav Mahler, Paul Heyse, der Literaturkritiker Gustav Brandes und die Herzöge von Sachsen-Meiningen und Oldenburg zählten zu den illustren Gästen des Künstlers. Fitger, der Malerfürst, der „Makart des Nordens“ – ruhmreiche Anspielung auf sein gleichermaßen erfolgsverwöhntes Wiener Vorbild, den Historienmaler Hans Makart.

In seinen späten Jahren profilierte sich Fitger als Kritikerpapst

In den wenigen Mußestunden gab Fitger drei Bände selbstverfasster Lyrik heraus, er übersetzte Lord Byron und den französischen Dramatiker Emile Augier, versuchte sich schließlich als Dramatiker. Sieben Schauspiele entstanden, unter denen „Die Hexe“ (1876) europaweit, ja selbst in Amerika zum nachhaltigen Bühnenerfolg wurde. Dem nicht genug wandte er sich dem kritischen Feuilleton zu, schrieb über Dichtung, Malerei und Musik, verfasste Theaterkritiken und mischte sich in Ausstellungs- und Denkmalsfragen ein. Sein Urteil, jenem akademischen Idealismus verpflichtet, dem er tagtäglich in seinem Werk malerischen Ausdruck verlieh, wurde für Jahre als verbindlich betrachtet. Fitger, der Kritikerpapst: eine Autorität, eine Instanz, ein Sachwalter des Schönen im Reich der bildenden Künste.

Mitte der neunziger Jahre ist der Zenit dann überschritten. Trotz einer unvermindert guten Auftragslage beginnt Fitgers Ruhm zu verblassen. Der künstlerische Wandlungsprozess, das Aufkommen von Naturalismus und Impressionismus, die in dem Direktor der Bremer Kunsthalle Gustav Pauli einen tatkräftigen Förderer finden, bedingen eine Spaltung des Kunstpublikums um die Jahrhundertwende. Der bürgerlich-konservativen Gruppierung mit ihrem Sprecher Arthur Fitger steht eine wachsende Anzahl progressiver, der Moderne aufgeschlossener Kunstliebhaber um Pauli entgegen. Fitger, selten um ein Wort verlegen, lässt keine Gelegenheit aus, der Gegenseite jegliches Kunstverständnis abzusprechen. Fitger kritisiert nicht nur, er verreißt, vergisst sich in Ausdruck und Wortwahl, ersetzt oftmals Gehalt durch bloße Polemik, uneingedenk, dass er sich auf diese Weise nur zunehmend dem Spott der kunstinteressierten Öffentlichkeit aussetzt. Man lacht über den „flennenden Greis“, der seine Ideale so hoffnungslos preisgegeben sieht, überhört ihn, vergisst ihn schließlich.

Fitger stirbt am 28. Juni 1909. Bis zuletzt die grandiose Pose des Malerfürsten bewahrend, war er in den letzten Lebensjahren, die er zurückgezogen in seinem Horner Künstlerheim verbrachte, längst zum weltabgewandten Skeptiker und Pessimisten geworden. „Die wenigen wahrhaft schönen Stellen des Lebens“ schienen ihm im Rückblick jene, „da eine Seele, die in der Einsamkeit ihrer Wüste schrie, aus der Ferne den Antwortschrei einer gleichgestimmten Seele vernahm“.

von Wolfgang J. Türk

Ein Spätwerk des Meisters: Arthur Fitger nahm sich mit diesem Gemälde von 1905 der antiken Sagenwelt an, es trägt den Titel „Aphrodite rettet ihren verwundeten Sohn Aeneas vor Diomedes“. Quelle: Privatbesitz

Ein Spätwerk des Meisters: Arthur Fitger nahm sich mit diesem Gemälde von 1905 der antiken Sagenwelt an, es trägt den Titel „Aphrodite rettet ihren verwundeten Sohn Aeneas vor Diomedes“.
Quelle: Privatbesitz

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

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