Viel Platz für Bühnenkunst: das 1843 errichtete Stadttheater an der Bischofsnadel.
Quelle: Wikicommons

Gaststätten-Lexikon: Die „Theaterklause“ an der Ostertorswallstraße 74/75

Die Ostertorswallstraße zweigt, stadtauswärts gesehen, rechts von der Bischofsnadel ab. Puh, überkommt es einen: die hat Hinterhofcharakter. Das Eckhaus ist die Nummer 70, dann kommt ein Parkplatz. Und dieser Parkplatz ist es, auf dem bis 1944 die Gaststätte „Theaterklause“ stand. Das war die Ostertorwallstraße 74/75. Die Ostertorswallstraße war wohl schon vor Jahrhunderten bebaut. In den Bauakten sind etwaige Unterlagen aber erst um 1850 archiviert.

Die „Theaterklause“ entsteht

Große Pläne: Grundriss zum Umbau der Gaststätte 1889.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Schräg gegenüber der Ostertorswallstraße 74 wurde am Wall im Jahre 1843 das Bremer Stadttheater errichtet. Doch es fehlte eine Gaststätte, in der sich die Künstler, das Personal, aber auch die Zuschauer vor und nach den Vorstellungen noch austauschen konnten. Deshalb lässt der Hauseigentümer Herr G. Ellerbrock, wohnhaft daselbst, 1854 dem Haus Ostertorswallstraße 74 einen Keller und im Erdgeschoss eine Küche anbauen. Damit ist die „Theaterklause“ eröffnet.

1889 erfolgt durch den Hauseigentümer A. Meine (Große Hundestraße 17) ein weiterer Umbau des Erdgeschosses zur Bierhalle. Der Eingang erhält einen Windfang, zwei Träger werden eingezogen und damit drei kleine Räume zu einer Bierhalle vereint, die Toilettenanlage wird erneuert.

Nicht viel Platz: Lageplan der Ostertorswallstraße.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Der Wirt Heinrich Friedrich Brettmann

1898 übernimmt Heinrich Friedrich Brettmann die „Theaterklause“. Dieser hatte schon 13 Jahre lang eine Gaststätte an der Herdentorwallstraße betrieben. Heinrich Friedrich Brettmann? Ja, es ist derjenige, der 1910 auch ein Damenbad am Stadtwerder in der Nähe der Sielwallfähre eröffnete.

1904 lässt Heinrich Friedrich Brettmann einen Anbau auf dem schmalen Grundstück Ostertorswallstraße 75 erstellen. Damit wird die Bierhalle um ein Clubzimmer erweitert. Der Zugang zum Nadelgang bleibt erhalten.

Der Wirt Carl Böttner, Schwiegersohn von Heinrich Friedrich Brettmann

Der Mann hinterm Tresen: Carl Böttner, Gastwirt in der „Theaterklause“ (1938).
Quelle: Private Leihgabe

1919 stirbt Heinrich Friedrich Brettmann. 1920 heiratet seine Tochter Sophie den Carl Böttner. Damit kann das Ehepaar die Witwe bei der Gaststätte, aber auch bei der Badeanstalt entlasten. 1925 lässt Carl Böttner die Toilettenanlage verändern. 1936 erhält die Bierhalle ein größeres Fenster.

Bericht eines Enkels von Heinrich Friedrich Brettmann

Aus der Familiengeschichte ist aus den 1930ern folgendes zu berichten:

„Die Fenster wurden morgens um sieben Uhr geputzt, anschließend war die Theaterklause bis zur Sperrstunde geöffnet. Diese hatte genau die richtige Lage zum schräg gegenüber gelegenen Stadttheater am Wall. Es soll einen Gang neben den Vereinigten Werkstätten gegeben haben, den nur die Eingeweihten kannten. Durch diesen Gang kamen die Musiker vor der Aufführung, einige Schauspieler in voller Kostümierung, sogar während der Pausen, und das sonstige Personal. Man traf sich in der Theaterklause. Nach den Aufführungen war die Bierhalle mit den Theaterleuten und den Theaterbesuchern rammelvoll.“

Eine Straße mit Hinterhofcharakter: Ostertorswallstraße 74/55 (blau eingerahmt), 1936.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Frau Böttner hatte stets ihren „Futterkasten“ mit Frikadellen und eingelegten Heringen gefüllt. Aus den Zapfhähnen floss das Bier in Strömen, in den eingelassenen Löchern im Tresen standen die gekühlten Schnapsflaschen. „’nen Bier und ’nen Kurzen“, das war die übliche Bestellung. Immer lagen die aktuellen Tageszeitungen aus.

Und dann gab es den „Stöpselkasten“, der lag auf dem Tresen. Für einen Groschen konnte man sein Glück versuchen. Je nach Farbe der getroffenen Kugel gab es Bonbons, eine Tafel Schokolade oder bei „gold“ war sogar ein Pralinenkasten drin.

Eine Tochter hat einen Sänger vom Theater geheiratet. Berufsbedingt ist der in verschiedenen Städten gewesen. Die Kinder sind damit auch in verschiedenen Städten geboren.

Das Ende der „Theaterklause“

Bei dem verheerenden Bombenangriff vom 6. Oktober 1944 hat eine Ölmühle im Nachbarhaus gebrannt. Ein Löschtrupp stand bereit. Der durfte aber nicht eingreifen.

„Nein, wir dürfen hier nicht löschen. Wir dürfen nur den Dom und das Rathaus löschen, aber keine Wohnhäuser.“ So ist das Haus bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Auch das Bremer Stadttheater (seit 1933: Bremer Staatstheater) war zerstört und wurde nicht wieder aufgebaut.

Der frühere Gastronomiestandort heute: Ostertorswallstraße von der Bischofsnadel aus gesehen.
Foto: Peter Strotmann

Das Gebiet wird neu geplant

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der ganze Bereich, mit wenigen Ausnahmen, in Schutt und Asche. Damit hatten die Stadtplaner etwas mehr Möglichkeiten für eine Neugestaltung. Die mit etwa vier Metern wirklich schmale Ostertorswallstraße wurde auf acht Meter verbreitert. Die Buchtstraße (später vom Gerichtsgebäude bis zum Domshof in Violenstraße umbenannt) hatte im Mittel auch nur eine Breite von fünf bis sechs Metern, wurde auf 28,5 Meter ausgeweitet. Die Häuser Ostertorswallstraße 74/75 wurden nicht wieder aufgebaut. Auch der Nadelgang verschwand. Eventuell ist noch der Durchgang zwischen Violenstraße 45/47 zum Parkplatz Ostertorswallstraße ein Rest davon.

PS: In einer Fortsetzung wird noch über die Entwicklung der „Toilettenanlage“ in der „Theaterklause“ berichtet.

von Peter Strotmann

Das Ende: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude an der Ostertorswallstraße 74/75 nicht wiederaufgebaut – hier ein Plan von 1949.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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