Vor 50 Jahren

Der Protest gegen das geplante Bombenzielgebiet im Breddorfer Moor zieht immer weitere Kreise. Erstmals gingen gestern sogar Kinder auf die Straße, um gegen die Zerstörung des Erholungsgebietes unmittelbar vor den Toren Bremens zu protestieren. Die rund 60 Jugendlichen des SOS-Kinderdorfes Worpswede taten ihren Unmut auf Transparenten und in gleichlautenden Telegrammen kund, die sie an Bundespräsident Heinemann, Verteidigungsminister Schmidt, Gesundheitsminister Käte Strobel und Niedersachsens Ministerpräsidenten Alfred Kubel richteten. In ihrer Resolution fordern die Kinder, deren Heim etwa vier Kilometer von dem geplanten Bombenabwurfgebiet entfernt und in der Einflugschneise der Düsenjäger liegt, die Politiker auf, „mit dem Wahnsinn dieser NATO-Planung Schluß zu machen“. (WESER-KURIER, 15./16. Mai 1971)

Hintergrund

Nicht nur in den nordöstlichen Umlandgemeinden sorgten die Pläne, im Breddorfer Moor ein Bombenabwurfgebiet einzurichten, für einen Aufschrei der Empörung. Auch in Bremen selbst schrillten die Alarmglocken. Schon bei den Protestkundgebungen am 16. Mai 1971 hatte Justizsenator Ulrich Graf (FDP) den Bremer Schulterschluss bekundet. Knapp drei Wochen später schaltete sich auch Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) ein. In einem Schreiben an die „Freunde Worpswedes“ kritisierte er das Vorhaben, „ausgerechnet im Naherholungsgebiet Bremens“ Bomben abzuwerfen. Um diese Pläne zu vereiteln, habe er sich mit Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD) in Verbindung gesetzt.

Tausende gingen am 16. Mai 1971 in den nordöstlichen Umlandgemeinden auf die Straße, um gegen das geplante Bombenabwurfgebiet im Breddorfer Moor zu protestieren, hier die Kundgebung in Breddorf.
Quelle: Gemeinde Breddorf

Sogar im Bonner Bundestag kam das Thema am 7. Mai 1971 zur Sprache. Freilich bestritt der Parlamentarische Staatssekretär beim Verteidigungsministerium, Karl Wilhelm Berkhan (SPD), dass ein Abwurfplatz für NATO-Verbände geplant sei. Vielmehr benötige die deutsche Luftwaffe dringend ein Übungsgelände. Bislang werde ein britischer Abwurfplatz bei Nordhorn mitbenutzt, der sei aber überlastet. „Nur das Breddorfer-Moor hat sich nach eingehender Erkundung schwach besiedelter Gebiete im gesamten Bundesgebiet als geeignet erwiesen.“

Damit konnte Berkhan allerdings noch nicht einmal seine eigenen Parteifreunde beschwichtigen. Nicht zuletzt die Bundestagsabgeordnete Lenelotte von Bothmer, eine gebürtige Bremerin, stimmte ein in den Chor der Kritiker. Zu denen zählte auch der CDU-Umweltpolitiker Herbert Gruhl, der sich 1978 im Streit von seiner Partei trennte und die Grüne Aktion Zukunft (GAZ) ins Leben rief. Über kommunale und Parteigrenzen hinweg organisierte sich der Protest, Stadt- und Landbevölkerung zogen an einem Strang, die Kirche rief zum Widerstand auf. Rund 4000 Menschen gingen am 16. Mai 1971 auf die Straße, unter ihnen auch der heutige Bürgermeister der Gemeinde Breddorf, Günther Ringen.

Als bedroht galt nicht nur das Naturschutzgebiet Teufelsmoor, man sorgte sich auch um die Künstlerdörfer Worpswede und Fischerhude. „Sie können sich sicher sein, daß wir das sehr sorgfältig geprüft haben“, erklärte im Bundestag Staatssekretär Berkhan, zumal sein Dienstherr Schmidt ein „sehr enges Verhältnis zu Fischerhude“ habe – eine Anspielung auf dessen Verbindungen zu Fischerhuder Künstlerkreisen seit der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Fast flehentlich warb Berkhan um Verständnis dafür, „daß unsere fliegenden Verbände nicht nur im Ausland üben können“.

Doch Verständnis wollte sich nicht einstellen. Im Gegenteil, unter Federführung des Vereins der Freunde Worpswedes plante man eine Kundgebung auf dem Domshof und drohte mit Sit-Ins im Breddorfer Moor. In kurzer Zeit sammelten die Gegner des Abwurfplatzes 70.000 Unterschriften, aus dem gesamten Bundesgebiet waren Sympathiebekundungen für die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden zu hören.

Unter diesem Druck nahm das Verteidigungsministerium schließlich Abstand von seinem Vorhaben. „Das ist alles im Sande verlaufen“, sagt Ringen. Seines Wissens war damals der Abwurf von Zementbomben geplant, kein Einsatz von Sprengstoff. Völlig abstinent ist die Luftwaffe aber nicht. „Ab und zu stellt die Bundeswehr noch die Anfrage, ob Fallschirmspringer abspringen dürfen“, so der 72-Jährige.

Lautstarker Protest: Im Mai 1971 versammeltemn sich die Gegner eines Bombenabwurfplatzes im Breddorfer Moor in Osterholz-Scharmbeck.
Quelle: Archiv

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