Zum US-Nationalfeiertag: Originalbild „Washington Crossing The Delaware“ hing bis 1942 in der Kunsthalle

Man schrieb den 5. September 1942, als der bis dahin schwerste Luftangriff Bremen heimsuchte. Aus großer Höhe warfen britische Bomber laut offizieller Zählung 197 Spreng- und 15 591 Brandbomben ab, fast sämtliche Stadtteile wurden getroffen. Auch in der Kunsthalle schlug eine Brandbombe ein und zerstörte das zentrale Treppenhaus. Dabei ging ein Gemälde in Flammen auf, das in den USA bis heute Kultstatus genießt: „Washington Crossing The Delaware“, ein Werk des Deutsch-­Amerikaners Emanuel Leutze. Wegen seiner gewaltigen Ausmaße von 3,48 mal 6,16 Metern war es nicht in Sicherheit gebracht worden – im Gegensatz zu den meisten anderen Kunstwerken, die man erst zehn Tage vor dem fatalen Luftangriff weggeschafft hatte.

Damals verlor die Kunsthalle einen echten Hingucker. Auch wenn es ein wenig pikant war, ausgerechnet eine Szene aus der Geschichte des Kriegsgegners USA zu verherrlichen. Zeigt das Monumentalgemälde doch, wie General George Washington im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg im Dezember 1776 mit seinen Truppen bei Nacht und Nebel den Delaware überquert. Doch wie kam das Original in die Bremer Kunsthalle? Und warum hängt eine zweite Version im New Yorker Metropolitan Museum of Art?

Bei der Arbeit: Emanuel Leutze 1845 in seinem Düsseldorfer Atelier. 
Quelle: Henry Ritter

Dass Leutze sich eines Vorgangs aus der amerikanischen Geschichte annahm, ist nicht weiter verwunderlich. Bereits als Kind war der aus Schwäbisch Gmünd gebürtige Künstler mit seinen Eltern nach Amerika ausgewandert. Nach Deutschland kehrte der junge Mann 1841 zurück, um an der international renommierten Kunstakademie in Düsseldorf den Pinsel zu schwingen. Seine Spezialität: die damals hoch im Kurs stehende Historienmalerei. Bereits sein erstes Düsseldorfer Werk von 1841, „Columbus vor dem hohen Rath in Salamanca“, behandelte ein Thema mit Amerika-Bezug.

Der Rhein als Vorbild

Die frühesten Vorarbeiten zu „Washington Crossing The Delaware“ stammen aus dem Revolutionsjahr 1848, als das Bürgertum den Aufstand probte. Erste Studien waren noch „voller Hoffnung und Triumph“, wie der US-Historiker David Hackett Fischer schreibt. Die optimistische Botschaft: Erfolgreich war die Revolution in Amerika, erfolgreich wird sie auch in Deutschland sein. Doch es kam anders, die revolutionäre Bewegung verlief im Sande. Die veränderte politische Großwetterlage färbte auf das entstehende Gemälde ab. Trotzige Entschlossenheit zeichnete Washington jetzt aus.

Damit traf Leutze auch weitaus eher die tatsächlichen Verhältnisse gegen Jahresende 1776. Die amerikanische Sache – „the cause“ – stand damals auf der Kippe, nach einer Reihe von Niederlagen drohte der Kampf gegen die Briten schon im Anfangsstadium zu scheitern. Erst durch die nächtliche Überquerung des Delaware und den geglückten Überraschungsangriff auf die hessischen Söldnertruppen im Dienste der Briten konnten die Rebellen einen ersten Achtungserfolg verbuchen.

Verschiedentlich ist Leutze angekreidet worden, es mit der historischen Wahrheit nicht sonderlich genau genommen zu haben. Tatsächlich gab es das Sternenbanner zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, die benutzten Boote sahen auch ganz anders aus. Gar nicht davon zu reden, dass der Delaware am Ort des Geschehens längst nicht so breit ist wie dargestellt, als Vorbild diente der Rhein bei Düsseldorf.

Verbürgt ist immerhin, dass ein späterer Nachfolger Washingtons als US-Präsident, James Monroe, zu den Kombattanten zählte. Auf dem Bild ist Monroe der Fahnenträger. Allerdings überquerte er den Delaware schon Stunden vor Washington. Höchst unsicher auch, ob tatsächlich ein Afroamerikaner an Bord war. Leutze scherte es nicht, als bekennender Gegner der Sklaverei wollte er ein Zeichen setzen. Die Motive der Historienmalerei waren eben Idealbilder, nicht wirk­lichkeitsgetreue Darstellungen geschichtlicher Begebenheiten, wollten es auch gar nicht sein.

Streng genommen handelte es sich bei der Bremer Variante um einen Schadensfall. Bei einem Feuer in Leutzes Düsseldorfer Atelier war das Gemälde im November 1850 angesengt worden, der Kongress in Washington als eigentlich vorgesehener Abnehmer wollte es deshalb nicht mehr haben. Zum Glück hatte Leutze sein Werk jedoch versichert, der Schaden wurde ihm bezahlt. Unverzüglich machte er sich abermals an die Arbeit, diesmal im Auftrag des international agierenden Kunsthändlers Goupil in Paris. Im Mai 1851 war die zweite Version fertig: noch ein bisschen größer als das Original und „einige Veränderungen“ enthaltend, wie Wilhelm Hurm in seinem Katalog des Kunsthallen-Bestands von 1892 schreibt.

900 Goldtaler für das Original

Während das Original in Deutschland blieb, schickte Goupil die zweite Version über den großen Teich. In New York erregte das Werk ungeheures Aufsehen, bei seiner Präsentation im Oktober 1851 wollten es mehr als 50 000 Besucher sehen. Kurz danach wurde das Werk auch im Capitol in Washington ausgestellt, ehe es im Frühjahr 1852 in Privatbesitz landete: Der Schiffsmagnat und Kunstsammler Marshall O. Roberts blätterte dafür die damals astronomische Summe von 10 000 Dollar hin. Ein weiterer Geschäftsmann und Kunstfreund, John S. Kennedy, erwarb das Gemälde 1897 für 16 000 Dollar aus der Roberts-Collection und schenkte es dem New Yorker Metropolitan Museum of Art.

Segnete den Kauf des Leutze-Gemäldes ab: der spätere Bürgermeister Alfred Pauli.
Quelle: Wikicommons

Wie die Leutze-Biografin Barbara Groseclose schreibt, ging das ruinierte Original in den Besitz der Versicherung über. Eigenhändig brachte es Leutze wieder auf Vordermann. Freilich war der Schaden nicht völlig zu beheben, die Figuren von Washington und Monroe blieben geisterhaft blass. Gleichwohl stellte die Versicherung es öffentlich aus, erst in Düsseldorf, danach in Köln und Berlin  – vermutlich, um mithilfe von Eintrittsgeld zumindest einen Teil der Schadenssumme wieder reinzuholen. Die Rechnung ging ganz offenbar auf. Das Publikum wie auch Kunstexperten waren begeistert. „Sogar in seinem beschädigten Zustand gewann es eine Goldmedaille in Berlin und wurde in Europa viel gefeiert“, schreibt Fischer.

Eine beachtliche Karriere für einen Schadensfall. Für den Kunstverein als Träger der Kunsthalle scheint das Leutze-Gemälde trotz seines Brandmakels ein lohnender Fang gewesen zu sein, ein Aushängeschild für die Gemäldegalerie. Als der Vorstand im Februar 1863 einstimmig für den Ankauf votierte, war das berühmte Bild bereits im Haus. Wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht, wurde es im unteren Saal der Kunsthalle ausgestellt. Um es in Bremen zu halten, griff der Kunstverein tief in die Tasche: 900 Goldtaler war ihm das monumentale Werk wert, hinzu kamen noch 95 Taler für einen repräsentativen Rahmen mit Drehvorrichtung.

An sich entsprach das Gemälde nicht so ganz dem Sammlungsschwerpunkt, doch für Washingtons Delaware-Übergang machte man eine Ausnahme. Der berühmten Düsseldorfer Malerschule waren die maßgeblichen Herren des Kunstvereins ohnehin sehr gewogen, wie der spätere Direktor der Kunsthalle, Gustav Pauli, kritisch anmerkt. „Auf die ‚moderne Richtung’ schalten sie einmütig“, schreibt er in seinen Erinnerungen. Ein kleiner Seitenhieb auf seinen Vater, den langjährigen Bürgermeister Alfred Pauli, der dem Vorstand des Kunstvereins angehörte und am Erwerb des Leutze-Gemäldes beteiligt war.

Der Kommerz spielte damals noch eine beträchtliche Rolle – der überwiegende Teil der ausgestellten Gemälde wurde zum Kauf angeboten. „Die Hauptsache ist und bleibt, daß der Kunstverein Geschäfte macht“, zitiert Pauli den damaligen Vorsitzenden. Für die kostspielige Neuerwerbung galt das natürlich nicht, als Teil der Sammlung des Kunstvereins war es unverkäuflich.

Natürlich entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass das monumentale Bildnis einer Schlüsselszene des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges einem alliierten Bombenangriff zum Opfer fiel. Zumal es damit bereits zum zweiten Mal in Brand geriet. Einige Zeitgenossen in Amerika haben versucht, sich ­darauf einen Reim zu machen und kamen laut Fischer zu dem kühnen Schluss, die Zer­störung des Leutze-Gemäldes durch die britische Luftwaffe sei ein „finaler Akt der Vergeltung für die Amerikanische Revolution“ gewesen.

Monumentale Malerei: Diese Aufnahme der Zweitversion von „Washington Crossing The Delaware“ im New Yorker Metropolitan Museum of Art zeigt den gewaltigen Maßstab des Leutze-Gemäldes. 
Quelle: Martin Seck/Metropolitan Museum of Art

Jung, aber mit viel Geschichte

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