Vor 125 Jahren: Am 18. März 1891 beschloss die Bürgerschaft die Bebauung der Parkallee mit freistehenden Villen

In den höchsten Tönen schwärmte der Direktor der Kunsthalle, Dr. Gustav Pauli, von seiner neuen Heimstatt an der Parkallee. Ein Juwel in „angenehmster Lage nahe dem Bürgerpark“. Dass es „nur“ zu einem Reihenhaus und nicht einer freistehenden Villa gereicht hatte, machte Pauli nichts aus. Doch an sich hatte die gesamte Parkallee vom Rembertitunnel an mit freistehenden Villen gesäumt sein sollen. Eine Vorgabe, die dann doch nur für die Bebauung jenseits des Sterns Gültigkeit behielt. Der verlockende Gedanke: eine „Villenstraße“ für Bremen nach Vorbild des Harvestehuder Wegs in Hamburg.     

Noch heute beeindrucken die stattlichen Villen an der Parkallee. Neun von ihnen stehen auf der Denkmalliste des Landes Bremen als besonders erhaltenswerte Zeugnisse vergangener Baukunst. Doch wer weiß schon, dass etwas anderes als exklusive Wohnbebauung an der Parkallee gar nicht in Frage kam? Der Bau freistehender Villen war vorgeschrieben, die Parkallee sollte eine Villenstraße sein. Und zwar nicht nur in direkter Nachbarschaft zum Bürgerpark, sondern auch im vorderen Abschnitt zwischen Bahndamm und „Sternplatz“. Vor 125 Jahren, am 18. März 1891, folgte die Bürgerschaft einer gleichlautenden Empfehlung des einflussreichen Künstlervereins.

Ein Vorbild für Bremen: der mondäne Harvestehuder Weg in Hamburg.
Quelle: Wikimedia Commons

Doch den Stein ins Rollen gebracht hatte bereits gut zwei Jahre zuvor eine andere Interessengemeinschaft, der Architekten- und Ingenieursverein. Als bekannt wurde, dass an der damaligen Stauallee in absehbarer Zukunft gebaut werden sollte, regte der Verein im Februar 1889 in einem Schreiben an den Senat die „Anlage einer Villenstraße“ als „würdige Nachbarschaft“ zum Bürgerpark an. Als Horrorszenario malten die Herren vom Fach das Bild einer „geschlossenen Reihe von Häusern“ rund um den Bürgerpark an die Wand. Das schlagende Argument: Fast jede moderne Großstadt sei bestrebt, „an passenden Stellen derartige Villenstraßen“ zu schaffen. Als nachahmenswerte Beispiele wurden die Tiergartenstraße in Berlin und der Harvestehuder Weg in Hamburg angeführt.

Das ließ sich Bremen nicht zweimal sagen. Eine Prachtstraße direkt am Bürgerpark, von der Hollerallee bis in Höhe der heutigen Polizeiwache  – das war so recht nach dem Geschmack der vermögenden Entscheider in der Politik, einstimmig segnete die Bürgerschaft den Vorschlag ab. Frei nach dem Motto: Wo eine Villa, da auch ein Weg.

Eine Straße, „welche zweifellos eine große Zukunft vor sich hat“

Offenbar rannte der Architekten- und Ingenieursverein mit seinem Ansinnen offene Türen ein. Sprach der Senat in einer vorherigen Mitteilung doch schon von der Stauallee als einer Straße, „welche zweifellos eine große Zukunft vor sich hat“. Was machte es da schon, dass der Grundgedanke des Bürgerparks gerade nicht elitär, sondern egalitär war. Dass der Bürgerpark von der Idee eines Volksparks inspiriert war, eines Parks für alle. Mochte die Aufhebung der Standesgrenzen und Klassenschranken im Bürgerpark gelten, in den angrenzenden Wohngebieten wollte der Geldadel lieber unter sich bleiben.

Bereits seit Jahrzehnten hatten die Stadtplaner das gesamte Areal rund um den Altstadtkern als städtisches Erweiterungsgebiet im Visier, somit auch die Fläche an der östlichen Seite der Bürgerweide. 1852 legte Baudirektor Alexander Schröder seinen Entwicklungsplan für die Vorstädte vor. Nach Mode der Zeit sollte ein schachbrettartiges Straßenmuster die neuen Wohnviertel durchziehen, als abschließende Umgehungsstraße war eine breite, alleeartige Ringstraße quer durch die Bürgerweide vorgesehen – der Straßenname „Schwachhauser Ring“ ist eine Reminiszenz daran.

Im Verlauf der heutigen Parkallee war schon damals eine größere Straße angedacht, nur eben nicht mit freistehenden Villen. Doch mit Entstehung des Bürgerparks ab 1866 wurde dieser östlich des Parks verlaufende Weg aufgewertet. Aus dem „Stau“ wurde durch die Bepflanzung mit drei Baumreihen die freilich noch unbefestigte Stauallee, eine schnurgerade Strecke parallel zum Kuhgraben.

Ausflugsziel Schwachhausen: Werbepostkarte für Rieckemeyers Café mit Abbildung des 1890 fertiggestellten Aussichtsturms, des letzten Werks von Heinrich Müller. Quelle: Schwachhausen-Archiv

Ausflugsziel Schwachhausen: Werbepostkarte für Rieckemeyers Café mit Abbildung des 1890 fertiggestellten Aussichtsturms, des letzten Werks von Heinrich Müller.
Quelle: Schwachhausen-Archiv

Als die „große Zukunft“ der Stauallee sich schon klar abzeichnete, verspürte man augenscheinlich das Verlangen, die Statuserhöhung auch im Namen kenntlich zu machen. Im Januar 1890 wurde die Umbenennung in Parkallee besiegelt.

Wie den Pagentorner Bauern eine exklusive Bebauung schmackhaft machen?

Doch wie den alteingesessenen Pagentorner Bauern eine exklusive Bebauung schmackhaft machen? Nur größere Grundstücke mit strengen Bebauungsvorschriften zu veräußern, das klang nicht unbedingt nach maximalen Gewinnaussichten. Tatsächlich sträubten sich die betroffenen Bauern zunächst gegen jegliche Bevormundung. Erst als ihnen zugesichert wurde, dass sie keine Straßenkosten übernehmen müssten und eine Parallelstraße als Ersatz für den Kuhgrabenweg in 100 statt 200 Metern Entfernung angelegt würde, gaben sie ihren Widerstand auf und unterzeichneten im April 1889 die vertraglich fixierten Vorgaben.

Und die sprechen Bände.

Überschaubare Anzahl von Anliegern an der Parkallee: Ausschnitt aus dem Adressbuch von 1898. Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Überschaubare Anzahl von Anliegern an der Parkallee: Ausschnitt aus dem Adressbuch von 1898.
Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Von vornherein ausgeschlossen war gewerbliche Nutzung, nur Wohnhäuser und Nebengebäude durften errichtet werden. Dem gefürchteten Reihenhausbau schob man einen Riegel mit der Bestimmung vor, dass nicht mehr als zwei Wohnhäuser unmittelbar nebeneinander erlaubt waren. Das war die „Villenklausel“, noch verstärkt durch die Vorschrift, dass bei Einzelhäusern mindestens acht Meter des Grundstücks unbebaut bleiben mussten und bei Doppelhäusern 16 Meter.

Entsprechend großzügig sollten die Vorgärten angelegt sein, für die eine Tiefe von mindestens zehn Metern vorgesehen war. Um ihre repräsentativen Bedürfnisse brauchten sich die Bauherren in spe keine Sorgen zu machen. „Die Herstellung von Eingangsportalen und kleinen Vorbauten an den Seiten ist gestattet und gilt nicht als Bebauung“, hieß es beschwichtigend im Vertrag zwischen Anliegern und dem bremischen Staat.

Für den Künstlerverein war das indes noch nicht gut genug. In seinem vom Senat bestellten Gutachten sprach sich der Verein im März 1891 für eine exklusive Bebauung auch des vorgelagerten Streckenabschnitts zwischen Rembertitunnel und Hollerallee aus, damals noch als „Verlängerung der Rembertistraße“ geläufig und nicht als Parkallee. Dabei ging der Künstlerverein aufs Ganze, sollte doch ausdrücklich „das beiderseitig angrenzende Terrain mit freiliegenden Villen“ bebaut werden.

Die Straßenfronten als Schaufenster der Reichen und Schönen, dazu noch in der Mitte ein zehn Meter breiter Promenadenweg – das war die Idealvorstellung des Künstlervereins. Eine Besonderheit auch die Forderung nach Anlage eines „kreisförmigen Platzes“ im Kreuzungsbereich von Hollerallee und Parkallee: die Geburtsstunde des „Sterns“ als „glückliche Vermittelung“ der dort einmündenden Straßen.

Eine Parzellierung der staatseigenen Grundstücke sollte vermieden werden

Um das Primat der „würdigen Bebauung“ in Bürgerparknähe durchzusetzen, gingen die Grundstücksbehörden auch krumme Wege.

Weil eine Parzellierung der beiden staatseigenen Grundstücksstreifen zwischen Barkhof und Parkstraße um jeden Preis vermieden werden sollte, wurden die Verkaufsabsichten gar nicht erst publik gemacht. „Nur durch eingehende Verhandlungen unter der Hand war in diesem Falle das Bestmögliche zu erreichen“, lautete die Rechtfertigung aus den Amtsstuben.

Große Pläne: Auf dieser Karte von 1891 ist der vordere Bereich der Parkallee rund um den „Sternplatz“ skizziert, der Abschnitt zwischen Hollerallee und Bahndamm fungierte noch als „Verlängerung der Rembertistraße“. Quelle: Staatsarchiv Bremen

Große Pläne: Auf dieser Karte von 1891 ist der vordere Bereich der Parkallee rund um den „Sternplatz“ skizziert, der Abschnitt zwischen Hollerallee und Bahndamm fungierte noch als „Verlängerung der Rembertistraße“.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Ärgerlich nur, dass die fraglichen Grundstücke ihre Tücken hatten und sich darum trotz eifriger Bemühungen lediglich ein Bauunternehmer als Käufer fand. Umfasste doch ein erheblicher Teil der beiden Grundstücke den mit Bauschutt ausgefüllten früheren Kuhgraben – nicht gerade idealer Baugrund.

Gleichwohl machte die Bebauung ab 1897 rasche Fortschritte. Was vor allem daran gelegen haben dürfte, dass die Bürgerschaft im Februar 1897 von ihrem ursprünglichen Vorhaben abrückte, nur eine Bebauung mit freistehenden Villen zuzulassen. Die Kehrtwende wirkte wie eine Initialzündung.

Die emsige Bautätigkeit lässt sich anhand der historischen Adressbücher sehr anschaulich nachvollziehen. Erstmals taucht der Straßenname „Parkallee“ im Adressbuch von 1898 auf. Als Anwohner werden gerade einmal zwei Parteien angeführt, ein Fahrradhändler und ein Gastwirt. Doch das sollte sich schnell ändern, Jahr für Jahr wurde die Liste der Anlieger länger. Zumeist handelte es sich um wohlhabende Kaufleute, Rechtsanwälte oder Makler. Auf den Geschmack kam auch der renommierte Architekt Albert Dunkel, der 1897 für sich selbst das Haus an der Parkallee 101 entwarf.

Ebenso angetan von der neuen Wohngegend war der Direktor der Kunsthalle, Dr. Gustav Pauli. Zusammen mit seiner Gattin Magdalene Pauli, später als Marga Berck die gefeierte Autorin von „Sommer in Lesmona“, residierte er seit 1899 in der Nummer 45. Und war voll des Lobes über seine neue Heimstatt. „Wir erwarben ein eben erbautes Haus an der Parkallee in angenehmster Lage nahe dem Bürgerpark“, schwärmte Pauli in seinen Memoiren.

von Frank Hethey

Die noch junge Parkallee als Spielstraße: Der Kraftfahrzeugverkehr war noch überschaubar, als dieses Foto im Jahre 1909 aufgenommen und als Postkartenmotiv vertrieben wurde; vorne rechts die Villa des Architekten Albert Dunkel an der Parkallee 101. Quelle: Schwachhausen-Archiv

Die noch junge Parkallee als Spielstraße: Der Kraftfahrzeugverkehr war noch überschaubar, als dieses Foto im Jahre 1909 aufgenommen und als Postkartenmotiv vertrieben wurde; vorne rechts die Villa des Architekten Albert Dunkel an der Parkallee 101.
Quelle: Schwachhausen-Archiv

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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