Langsam tasteten sich die britischen Truppen ab dem 25. April 1945 ins Stadtgebiet von Bremen vor.
Quelle: Wikimedia Commons/Imperial War Museum

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs: Der Kampf um Bremen im April 1945 / Artilleriebeschuss forderte Hunderte Todesopfer

Es herrschte strahlendes Frühlingswetter, als mit einsetzendem Artilleriebeschuss am 10. April 1945 der Kampf um Bremen begann. Nach 17 Tagen war alles vorbei, mit der Kapitulation des letzten Bunkers im Bürgerpark schwiegen die Waffen. Gegen die britische Schlussoffensive ab dem 25. April leisteten die deutschen Einheiten kaum noch Widerstand. Die Bremer konnten von Glück sprechen, dass es im Stadtgebiet nur zu vereinzelten Scharmützeln kam.

Vom Kampf um Bremen hatte Kreisleiter Max Schümann klare Vorstellungen. Die Stadt sollte so lange wie irgend möglich Widerstand leisten. Dass es mit der Kampfmoral nicht zum Besten stand, war ihm natürlich nicht entgangen. Doch gerade darum seine berüchtigten Durchhalteparolen. „Wer die weiße Fahne zeigt, hat den Tod zu erwarten“, drohte der 35-Jährige beim Herannahen britischer Truppen am 4. April 1945. Und ließ auch keinerlei Gesinnungswandel erkennen, als der Feind direkt vor der Haustür stand: „Ein Paktieren mit denen, die in 165 Angriffen Bremen in Schutt und Asche legten, gibt es nicht.“

Am Morgen des 10. April setzte Artilleriebeschuss ein und forderte die ersten fünf Todesopfer, davon vier auf der Großen Weserbrücke. Ein Ereignis, das den Bremern schlagartig vor Augen führte, dass der Beginn des Bodenkampfs nur noch eine Frage der Zeit war. Gerade einmal acht Kilometer entfernt standen die britischen Geschütze. Seitdem die alliierten Truppen die norddeutsche Tiefebene erreicht hatten, gab es kein Halten mehr. Die eilends aufgebaute „Weserfront“ wurde mehr oder weniger überrannt.

Bremen unter Beschuss: Mit Artilleriefeuer begann am 10. April 1945 der Angriff auf Bremen.
Quelle: Wikimedia Commons/Imperial War Museum

Einzig in den Vororten kam es zu teils heftigen Kämpfen. In Kirchweyhe, Brinkum und Stuhr lieferten sich ein SS-Ausbildungsbataillon und Marinesoldaten schwere Feuergefechte mit den Briten. Aus Bremen war der Gefechtslärm zu hören, die Rauchsäulen in Brand geschossener Gebäude zu sehen. Ein Vorgeschmack dessen, was auch die Hansestadt zu befürchten hatte. Denn von kampfloser Übergabe wollte der aus Danzig eingeflogene Kampfkommandant, General Fritz Becker, trotz aussichtsloser Lage nichts wissen. Sein Befehl lautete, die Stadt „bis zum letzten Blutstropfen“ zu verteidigen. Eine Aufgabe, der er zum Leidwesen vieler Bremer mit großem Eifer nachkam.

Fieberhafte Aktivitäten in Bremen

In Bremen wurden seit seiner Ankunft fieberhafte Vorbereitungen zur Verteidigung der Stadt getroffen. An strategisch wichtigen Punkten ließ Becker Panzersperren errichten, oft genug völlig unzulängliche Hindernisse aus Baumstämmen oder Betonwalzen. Die Ochtumwiesen und die Wümmeniederung wurden unter Wasser gesetzt. Zusammengewürfelte Einheiten aus Wehrmacht, Volkssturm, SS, Marineinfanterie, Flak-Bedienung, Polizei und HJ sollten den feindlichen Angriff in vorbereiteten Stellungen abwehren. Die befanden sich vor allem in den südwestlichen Stadtteilen, erwartete Becker doch aus dieser Richtung den britischen Vorstoß.

Die Schlinge zieht sich zu: Am 25. April 1945 begann der Schlussangriff auf Bremen.
Quelle: Wikimedia Commons/Imperial War Museum

Vor dem anhaltenden Artilleriebeschuss und nicht abreißenden Luftangriffen suchte die Zivilbevölkerung Zuflucht in den Bunkern. Die katastrophalen Zustände in den Schutzbauten haben sich bei den Betroffenen unauslöschlich eingeprägt. Immer wieder ist in Briefen und Tagebüchern von der kaum erträglichen Hitze die Rede, den hygienischen Unzuträglichkeiten, vom Mangel an Sauerstoff. Es sind sogar Fälle von erstickten Kleinkindern bekannt.

Der Normalzustand war das nicht, auch bei voller Belegung sorgte ein ausgeklügeltes Entlüftungssystem für Frischluft, funktionierten die sanitären Anlagen. Doch seit das Kraftwerk in Hastedt am 22. April durch einen Luftangriff zerstört worden war, gab es keine Stromversorgung mehr in Bremen. Deshalb das Leiden der Bunkerinsassen, noch verstärkt dadurch, dass die Menschen die Bunker wegen des massiven Artilleriebeschusses kaum noch verließen. Taten sie es doch, um in vermeintlichen Feuerpausen ein bisschen frische Luft zu schnappen oder Besorgungen zu erledigen, konnte das tödliche Folgen haben.

Die Ruhe vor dem Sturm

Plötzlich schien sich die Lage noch einmal zu entspannen. Eine Woche lang war die Bevölkerung in heller Aufregung gewesen. Der Schulbetrieb war längst eingestellt worden, zur täglichen Arbeit ging niemand mehr. Dann auf einmal ließ der Artilleriebeschuss am 21. April nach. Es sei „plötzlich ruhig geworden“, notierte der Kinderarzt Dr. Albrecht Mertz in seinem Tagebuch. Freilich ahnte er schon, was es damit auf sich hatte: „Ist das bereits die Ruhe vor dem Sturm?“

Kein Widerstand mehr: Bei strahlendem Frühlingswetter sicherten britische Truppen am 26. April 1945 das Gelände des Europahafens.
Quelle: Wikimedia Commons/Imperial War Museum

Nach der Einnahme von Brinkum am 18. April und der kampflosen Besetzung von Delmenhorst am 20. April war die Front bis dicht an die Stadtgrenze gerückt. Doch zur Überraschung der Verteidiger blieb ein weiterer Vorstoß aus. Selbst militärische Laien wussten, was das bedeutete. Die Umzingelung gehe rasch weiter, schrieb Mertz.

Tatsächlich machten die Briten zunächst keinerlei Anstalten, die Überschwemmungsgebiete südlich von Bremen zu überqueren. Stattdessen umgingen sie die Stadt mit dem Hauptkeil des alliierten Vormarschs Richtung Hamburg und Lüneburger Heide und tauchten im Rücken der deutschen Abwehrstellungen auf. Statt von Süden schickten sich die Briten an, die Stadt von Osten aufzurollen. Zwar kam es dabei zu vereinzelten Kämpfen, aber zumeist brach der Widerstand innerhalb weniger Stunden zusammen.

Anschlagspläne gegen General Becker

In dieser Situation bot sich ein letztes Mal die Gelegenheit, Bremen ohne weiteres Blutvergießen zu übergeben. Über eine intakte Telefonverbindung gelang es den Briten, von Mahndorf aus Kontakt zur deutschen Militärführung im Bürgerpark aufzunehmen. Doch Becker ließ nicht mit sich reden, er beharrte auf seinem Kampfauftrag und lehnte die Kapitulationsaufforderung brüsk ab. In dieser Situation gab es einen eher dilettantischen und halbherzigen Versuch, sich seiner zu entledigen – sogar Polizeipräsident Johannes Schroers beteiligte sich an den Attentatsplänen. Am Ende scheiterte der Anschlag unter geradezu kuriosen Umständen am energischen Protest einer resoluten Dame, die kein Blut in ihrem Haus sehen wollte.

Kein Widerstand mehr: Bei strahlendem Frühlingswetter sicherten britische Truppen am 26. April 1945 das Gelände des Europahafens.
Quelle: Wikimedia Commons/Imperial War Museum

In den frühen Morgenstunden des 25. April begann der eigentliche Angriff auf Bremen, der „Schlussangriff“. Bei Leeste setzten britische Schwimmpanzer nach Kattenturm, Arsten und Habenhausen über, am 26. April rückten die Briten über Oberneuland und Horn vor. Von einer regelrechten Frontlinie konnte zu diesem Zeitpunkt schon längst keine Rede mehr sein, es kam nur noch zu vereinzelten Scharmützeln in Hastedt oder am Bahnhof Neustadt. Zumeist räumten die deutschen Verteidiger kampflos ihre Stellungen. In Horn halfen sogar Anwohner den vorrückenden Briten, die Panzersperren zu beseitigen.

Letzter Widerstand im Bürgerpark

Eigentlich war schon so gut wie alles gelaufen, als sich am Abend des 26. April doch noch letzter Widerstand rund um die Bunker im Bürgerpark regte. Am Stern und im Parkviertel kam es noch einmal zu heftigen Schusswechseln. Auch beim Vorrücken auf den Bunker des Kampfkommandanten in Höhe der Emmastraße gerieten die Angreifer unter starkes MG-Feuer und verloren noch einmal zehn Mann. Erst in den frühen Morgenstunden des 27. April gab die Bunkerbesatzung auf. Kurz zuvor hatte es erneute Pläne gegeben, Becker als letztes Hindernis auf dem Weg zur Kapitulation kurzerhand über den Haufen zu schießen. Doch das war gar schon nicht mehr nötig, weil der Kampfkommandant zunehmend lethargisch agierte. Ohne Gegenwehr ließ er sich mit dem Rest der Bunkerbesatzung von den Briten abführen.

Damit war der Kampf um Bremen vorbei, 48 Stunden nach Beginn des Vormarschs schwiegen die Waffen.

Auf höherer militärischer Ebene hatte man Bremen ohnehin längst abgeschrieben. Beim Korps Ems war man schon lange genervt gewesen von den ewigen telefonischen Hilferufen Beckers. Dem Stabschef des Korps fiel ein Stein vom Herzen, als die Briten endlich vor der Bunkertür standen. „Womit für mich Ruhe eintrat“, wie er süffisant bemerkte.

Über die Zahl der Todesopfer gibt es keine verlässlichen Angaben. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 220 deutschen Soldaten und 540 Zivilisten. Wie viele britische Soldaten ums Leben kamen, ist nicht bekannt.

von Frank Hethey

Rauchsäule am Horizont bei herrlichem Frühlingswetter: Nur vereinzelt kam es im Bremer Stadtgebiet noch zu Gefechten. Insgesamt kamen dabei rund 220 deutsche und eine unbekannte Zahl britischer Soldaten ums Leben. Quelle: Wikimeida Commons/Imperial War Museum

200 Jahre Bremer Stadmusikanten

200 Jahre Bremer Stadtmusikanten

Das schönste Märchen über die Freundschaft

1819 haben die Brüder Grimm die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten veröffentlicht. Unser Magazin zu diesem Geburtstag ist voller Geschichten rund um die berühmten Aussteiger – etwa eine Reportage über das Grimm-Museum in Kassel, über die Bedeutung des Märchens in Japan und vieles anderes mehr.

Jetzt bestellen