Ein Blick in die Geschichte (71): Letzte Einkäufe

Wer noch Weihnachtseinkäufe erledigen will, sollte sich sputen – so wie dieser Herr, der mitsamt Kind am 24. Dezember 1957 einem Fotografen auf dem Herdentorsteinweg vor die Linse lief. Die Aufnahme stammt aus dem neuen Kalender der Edition Temmen, der sich unter dem Motto „Unterwegs in Bremen“ der städtischen Verkehrsentwicklung von den frühen 1930er bis in die späten 1960er Jahre annimmt.

Das „Wirtschaftswunder“ stand damals in voller Blüte, gerade einmal zwölfeinhalb Jahre nach Kriegsende boomte das Weihnachtsgeschäft. Lange Autoschlangen wälzten sich in Richtung Innenstadt, die Menschen konnten sich wieder etwas leisten, sie genossen das Einkaufsvergnügen.

Doch auf dem Bild gibt es natürlich noch viel mehr zu sehen als nur die allzu vertraute vorweihnachtliche Hektik. Zum Beispiel gleich mehrere VW Käfer mit Brezelfenstern. Durchaus bemerkenswert, weil die Produktion dieses Typs bereits 1953 eingestellt worden war.

Auffallend auch die verschiedenartigen Autokennzeichen: Obwohl bereits am 1. Juli 1956 durch das bis heute gültige System abgelöst, war das vorherige Nummernschild mit weißer Schrift auf schwarzem Grund sowie den übereinander gestellten Buchstaben AE für Amerikanische Enklave noch häufig anzutreffen.

Nicht mehr ganz dieselbe ist die Bausubstanz. An der Ecke Am Wall/Sögestraße befand sich damals noch der geschäftlich genutzte eingeschossige Stumpf des Photohauses Brockshus. Das 1902 errichtete historistische Gebäude mit seinen vier Stockwerken war in der Bombennacht vom 18./19. August 1944 schwer beschädigt worden. Ebenso wie das gegenüberliegende Logenhaus von 1880, an dessen Stelle 1950 das „Allianz-Haus“ gebaut wurde. Und zwar mit Anleihen beim italienischen Palaststil, der kaum zufällig an das zerstörte Vorgängergebäude erinnerte. Im Sommer 1960 eröffnete Brockshus am traditionellen Standort den noch heute existierenden siebengeschossigen Nachfolgebau.

Im Hintergrund ein gewohnter Anblick: das 1949/50 entstandene Backsteingebäude des früheren Kaufhauses Cords mit seiner markanten Uhr. Beachtlich auch, dass der Verkehr 1957 noch durch die Sögestraße floss. Die Umwandlung in eine Fußgängerzone wurde erst 1974 abgeschlossen. Eines war 1957 allerdings genauso wie heute: das wenig weihnachtliche Wetter. Weiße Weihnacht? Fehlanzeige.

von Frank Hethey

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

„Erst der Hafen, dann ist die Stadt“

Im Magazin „Erst der Hafen, dann ist die Stadt“ über Bremen und seine Häfen gehen wir in vielen historischen Bildern auf Zeitreise durch die maritime Vergangenheit unserer Hansestadt. Wie entwickelten sich die Häfen in Bremen vom Mittelalter bis heute? Wie sah die Arbeit zwischen Ladeluke, Kaje und Schuppen aus? Was hatte es mit den Anbiethallen auf sich? Und wie veränderte die Containerschifffahrt die Häfen? Wir blicken auf die Gründung der Freihäfen um 1900 und den Strukturwandel rund 100 Jahre später. Wir erzählen von Schmugglern und Zöllnern, von Bremens großen Werften sowie Abenteuern, Sex und Alkohol an der Küste – dem Rotlichtviertel am Hafen.

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