Offenbach als Qualitätssiegel: zeitgenössische Werbung des Lederwarengeschäfts Schulte. Bildvorlage: Archiv des Weser-Kuriers

Offenbach als Qualitätssiegel: zeitgenössische Werbung des Lederwarengeschäfts Schulte.
Bildvorlage: Archiv des Weser-Kuriers

Ein Blick in die Geschichte (118): Postkarte zeigt die Obernstraße um 1960 

Die Obernstraße mit Blick auf das Rathaus und den Dom – das war schon immer ein ziemlich beliebtes Postkartenmotiv. Doch dieses farbenprächtige Exemplar aus den frühen 1960er Jahren hat seinen ganz besonderen Reiz. Damals rauschte noch der Verkehr durch die Innenstadt, erst 1973 wurde die Obernstraße in eine Fußgängerzone umgewandelt. Darum auch der rote Mercedes-Benz 220 mit seinen markanten Heckflossen in der Bildmitte – eine Limousine, die seit 1959 produziert wurde.

Zur Linken ist das „Haus Offenbach“ zu sehen. Das 1955 errichtete Gebäude steht noch heute, allerdings ohne die signifikante Namensgebung. Aber warum „Haus Offenbach“? Des Rätsels Lösung: In diesem Gebäude residierte das Lederwarengeschäft Schulte, die merkwürdig anmutende Bezeichnung war ein Fingerzeig auf die damalige Lederwarenmetropole Offenbach als Bezugsquelle des Sortiments. In seinen Anzeigen warb Schulte denn auch mit dem Zusatz „Offenbacher Lederwaren“ als Qualitätssiegel. Den Eingang zieren noch heute die Wappen von Bremerhaven und Bremen – die Würdigung der Nordseestadt hat damit zu tun, dass die Firma Wilhelm Schulte aus Bremerhaven stammt.

Gleich nebenan befand sich die Bremer Defaka-Filiale (Deutsches Familien Kaufhaus) als traditioneller Anlaufpunkt für den sprichwörtlichen „kleinen Mann“. In dem Horten-Ableger konnte man günstig auf Kredit einkaufen, was zahlreichen Menschen die Gelegenheit bot, am „Wirtschaftswunder“ teilzuhaben.

Defaka hatte sich bereits 1926 in Bremen angesiedelt, das traditionelle Kaufhausgebäude am Brill wurde bei einem Bombenangriff 1942 schwer beschädigt. Nach Kriegsende notdürftig instandgesetzt, schloss der Standort am Brill mit Eröffnung des Neubaus an der Obernstraße im Sommer 1955 seine Pforten. „Bremens Defaka zieht dem Roland entgegen“, hieß es dazu in der Werbeanzeige. Der Neubau galt als gelungener Lückenfüller, schon allein die himmelblaue Fassade wurde als willkommener Farbtupfer im etwas eintönigen „Einheitslook“ der Obernstraße gefeiert.

Vom Brill in die Obernstraße: Ganzeitige Defaka-Anzeige von 1955. Bildvorlage: Archiv des Weser-Kuriers

Vom Brill in die Obernstraße: Ganzeitige Defaka-Anzeige von 1955.
Bildvorlage: Archiv des Weser-Kuriers

Cords profitierte von „Arisierung“

Wo damals Lederwaren Schulte und Defaka beheimatet waren, hatte sich viele Jahrzehnte lang das Kaufhaus Heymann & Neumann mit seiner prägnanten Fassade befunden. Unter dem Druck der „Arisierung“ mussten die jüdischen Eigentümer bereits 1934 das Feld räumen, davon profitierte das Berliner Textilkaufhaus Gustav Cords. Im rückwärtigen Teil des im Oktober 1944 weitgehend zerstörten Gebäudes blieb Cords noch bis September 1949 und wechselte dann in den Neubau an der Ecke Sögestraße/Schüsselkorb, heute Juwelier Wempe.

Bis heute ein gewohntes Bild ist das monumentale Karstadt-Gebäude. Das 1932 eröffnete Warenhaus hatte den Bombenkrieg leidlich überstanden, 1971 verleibte es sich das frühere Defaka-Gebäude in direkter Nachbarschaft ein und führte es als Möbelhaus weiter.

Fast völlig vernichtet wurde im Krieg die gegenüberliegende Straßenfront auf der Weserseite. Zu den zerstörten Gebäuden gehörte auch das 1915 bezogene Stammhaus von Jacobs Kaffee an der Obernstraße 20. Bereits 1950 fertiggestellt war der Neubau mit seiner zeittypischen Klinkerfassade. Nicht zufällig stehen die beiden schwarz-gelben VW-Transporter in unmittelbarer Nähe des Jacobs-Hauses – handelte es sich doch um zwei Exemplare der firmeneigenen Lieferwagenflotte, liebevoll auch „Jacobs-Hummeln“ genannt.

In den Neubau an der Ecke zur Kahlenstraße zog im Juni 1953 das Kaufhaus Woolworth ein. Für den amerikanischen Konzern war Bremen ein ganz besonderes Pflaster, weil das erste Woolworth-Kaufhaus auf deutschem Boden im Juli 1927 an der Faulenstraße eröffnet worden war.

von Frank Hethey

Farbenfrohes Bild: Blick in die Obernstraße um 1960. Bildvorlage: Privat

Farbenfrohes Bild: Blick in die Obernstraße um 1960.
Bildvorlage: Privat

75 Jahre Kriegsende

Neuanfang nach der Diktatur

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