Ein Standort mit Geschichte: das „Wehrschloss“ am Hastedter Osterdeich
An der Weser lustwandeln, in die rauschenden Sturzbäche des Weserwehrs sehen, die nahegelegene Badeanstalt besuchen, eine Lage wie ein Sechser im Lotto. Das werden sich weitsichtige Leute im Jahre 1911 gesagt haben. Und sie waren entschlossen, dort ein Restaurant mit Saal und Außenterrasse zu bauen.
1912, also nur ein Jahr nach der Fertigstellung des Weserwehrs, konnte das Gebäude schon eröffnet werden. Man nannte es „Wehrschloß“.
Das war ein durchaus passender Name, denn das Etablissement thront oben auf dem Osterdeich und man sieht auf die unten im „Tal“ dahinfließende Weser mit dem Weserwehr. Wobei das Weserwehr für die damalige Zeit eine ingenieurmäßige Herausforderung war, um die von der Oberweser kommenden Wassermassen zu bändigen und die Oberweser schiffbar zu machen.
Das „Wehrschloß“ lag nicht besonders zentral, war aber mit allen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Der erste Wirt war Franz Sippel. Es wird für ihn ein Leichtes gewesen sein, die Gäste in sein Lokal zu bekommen. Doch im Ersten Weltkrieg blieben die Gäste aus und er gab 1919 auf. 1920 kam der nächste Wirt: Johann Friedrich Harjes. Er starb bereits 1927 im Alter von nur 47 Jahren, und zwar in den Räumen des Wehrschlosses. Seine Witwe führte die Gaststätte bis 1932 weiter und übergab sie an Otto Oppermann. Der Zweite Weltkrieg ließ das schöne Ausflugslokal zur Ruine werden.
Die Jugend braucht etwas
Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die amerikanische Militärregierung die bremische Jugendarbeit auf. Insbesondere durch die German Youth Activities (GYA) wurde die Bremer Jugend aufgefangen. Als diese Programme ausliefen, übernahm die Stadt Bremen die Jugendarbeit und baute eine Anzahl staatlicher Jugendheime.
Auf den Trümmern des zerstörten Lokals „Wehrschloß“ wurde ein Neubau errichtet. Es ist das erste einer Reihe von Jugendheimen in den Bremer Stadtteilen. Am 12. März 1950 wurde das Jugendheim „Wehrschloß“ eingeweiht.
Der Weser-Kurier schrieb am 13. März 1950 über den Bau und Ausstattung:
„Das Wehrschloß besteht aus einem großem zweistöckigem Gebäude und zwei einstöckigen Seitenflügeln, die an ihrer Rückseite wieder miteinander verbunden sind. Die bis zur Erde reichenden Fensterflügel des nach neuzeitlichen Gesichtspunkten gestalteten Saales, den Hans-Jürgen Bartsch mit Wandmalereien verschönt hat, geben den Blick freie auf das Wehr, die Weser und das gegenüberliegende freie Land. Sechs kleinere und größere Gruppenräume, ein Bibliotheksraum, zwei Gästezimmer, drei Werkräume, eine Duschanlage, sowie die Dreieinhalb-Zimmerwohnung für den Heimleiter genügen allen Anforderungen und sind einschließlich der Möbel und Beleuchtungskörper in Form und Farbe von zweckmäßiger Schönheit. Alte Räume erhalten Lautsprecher für die Radioübertragung. Ein origineller Kamin im windgeschützten Innenhof wird sicher viel bei Heimabenden genutzt werden.“
Das Jugendfreizeitheim „Wehrschloß“ stand unter der Leitung der Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und wurde vom Bremer Staat finanziert. Den Jugendlichen wurde ein vielfältiges Programm angeboten, vielen wurde das Heim zur Heimat. Überregional war das „Wehrschloß“ ein bekannter Ort für Konzerte.
1963 wurde dem Jugendheim eine Altentagesstätte angebaut. Der Anbau zur Weser hin enthielt drei Tagesräume, eine Garderobe, eine Teeküche und sanitäre Anlagen. Bisher hatten sich die älteren Einwohner Hastedts mit im Jugendheim getroffen. Jetzt hatte sie ihre eigenen Räume.
In den 2000er Jahren musste der Bremer Staat den Rotstift an den Finanzen ansetzen. Ein neues Jugendhaus Hemelingen wurde im Sommer 2009 an der Hemelinger Heerstraße 116 eröffnet und war ein Zusammenschluss von Wehrschloss und Jugendhaus Stackkamp. Mit einem sogenannten OFF-Festival war am Wochenende 23./24. Juni 2009 Schluss mit dem „Wehrschloß“.
Jetzt gibt’s vom „Paulaner’s“ etwas
Es war Aufgabe der bremischen Gesellschaft Immobilien Bremen das in staatlichem Besitz befindliche Grundstück (2.700 Quadratmeter) mit Gebäude (Nutzfläche 860 Quadratmeter) zu verkaufen. Das Mindestgebot lag bei 300.000 Euro. Bedingung für den neuen Eigentümer war, dass dort keine Wohnungen oder eine Gaststätte errichtet werden dürfe.
Das waren nicht die besten Bedingungen, die einen Käufer locken konnten. Den Zuschlag erhielt der Gastronom, der auch Eigentümer vom Pumpenhaus am Stadtwerder ist. Dieser verpachtete es für 20 Jahre an die Betreiber des „Paulaner“, die auch die gleichnamige Gaststätte an der Schlachte haben. Nach einem gründlichem Umbau eröffnete das „Paulaner’s im Wehrschloss“ Mitte Oktober 2013.
von Peter Strotmann