Vor 50 Jahren

Bei den Metereologen vom Deutschen Wetterdienst auf dem Bremer Flughafen gab es gestern mittag nur ein Thema – das Wetter. Seit Kriegsende, so entsannen sich einige, hat es an der Weser noch keine Kette von vier aufeinanderfolgenden Tropentagen mit Temperaturen von über 30 Grad im Schatten gegeben. (WESER-KURIER, 22./23. Juli 1972)

Hintergrund

In den Nachmittagsstunden des 20. Juli 1972 kam man im Tivoli-Hochhaus mächtig ins Schwitzen. Das galt vor allem für jene Behördenmitarbeiter, deren Büros nach Süden und Westen ausgerichtet waren – unbarmherzig knallte die Sonne auf die großen Fensterflächen. Der schweißtreibende Arbeitstag hatte erst ein Ende, als den Betroffenen hitzefrei gewährt wurde. In alten Dienstgebäuden kämen Beamte und Angestellte „wesentlich besser weg“, bemerkte der WESER-KURIER leicht unterkühlt.

Völlig unbeeindruckt zeigte man sich dagegen in der Klöckner-Hütte. In der eisenschaffenden Industrie sei Hitze eine Selbstverständlichkeit, erklärte ein Werkssprecher. „Darüber gehen wir zur Tagesordnung über.“ Weniger cool reagierten die Schornsteinfeger in Anbetracht ihrer schwarzen Arbeitskleidung. Um der brütenden Mittagshitze auf den Dächern Bremens nicht schutzlos ausgeliefert zu sein, verlegten sie ihre Tätigkeit in den frühen Vormittag.

Fünf Tage in Folge kletterte im Juli 1972 das Thermometer über 30 Grad, der Spitzenwert lag bei 32,3 Grad. Von „Tropentagen“ war damals die Rede. Heute spricht man von Hitzetagen, wenn 30 Grad oder mehr erreicht werden. Wirft man einen Blick auf die Bremer Wetterdaten seit 1950, so sind extrem heiße Tage keine absolute Seltenheit. Auch vor 1972 hat es schon mehrfach tropische Temperaturen gegeben. Im Juli 1957 und im Juli 1959 war die Quecksilbersäule zweimal auf 34,6 Grad gestiegen, im August 1963 auf 34,2 Grad.

Viel Gedränge auf dem Sprungturm: Badevergnügen im Stadionbad heute.
Foto: Peter Strotmann

Statistisch nachweisbar häufen sich seit einigen Jahrzehnten rekordverdächtige Hitzetage. Am 25. Juli 2019 stöhnte man bei 37,4 Grad, gerade erst am 20. Juli 2022 bei 37 Grad und am 4. Juli 2015 bei 36,8 Grad. Bis heute unerreicht ist indes der Hitzerekord vom 9. August 1992, als in Bremen 37,6 Grad gemessen wurden.

Als außergewöhnlich bewerten Meteorologen allerdings weniger einzelne Rekordtage. Ein Indiz für den Klimawandel ist vielmehr die stetig steigende Anzahl von Hitze- und Sommertagen über 25 Grad. Von den zehn Topwerten seit Beginn der Bremer Wetteraufzeichnungen 1890 stammen fünf aus den vergangenen 30 Jahren. An der Spitze liegt das Jahr 2018 mit 78 Sommer- und 22 Hitzetagen. Auf seinem Wetterkanal nennt Jörg Kachelmann die Bremer Zahlen von 2018 „beeindruckend“.

Kaum weniger zu denken gibt die Ballung der wärmsten Jahre in jüngerer Vergangenheit. Kachelmann hat Messreihen für verschiedene Orte in Deutschland zusammengestellt, darunter Bremen. Unter den 15 wärmsten Bremer Jahren seit 1890 sind zehn Jahre seit 2000 vertreten. In der bis 2020 reichenden Kachelmann-Statistik liegen auf den ersten vier Plätzen die Jahre 2020, 2018, 2014 und 2019.

Vom Ausmaß des drohenden Klimawandels hatte man vor 50 Jahren noch keinen Schimmer, das moderne Umweltbewusstsein steckte noch in seinen Anfängen (mehr dazu hier).

In Bremen kündigte sich derweil ein Wetterumschwung an, am 23. Juli 1972 hatte die Hitzewelle ein Ende. „Regen – die schönste Morgenmusik“, hieß es im WESER-KURIER. Schlagartig ließ der Massenansturm auf die Freibäder nach, allenthalben atmeten die Menschen auf. Zwei Wochen hielt die Abkühlung an, ehe sich die Temperaturen am 7. August 1972 wieder der 30-Grad-Marke näherten. Doch diesmal ließ der Regen nicht so lange auf sich warten. Einen Tag später entlud sich ein schweres Gewitter über Bremen und setzte binnen weniger Minuten sämtliche Tunnel unter Wasser.

Heiße Sommertage: Vor 50 Jahren erreichten die Temperaturen in Bremen neue Rekordwerte, hier: zwei Frauen mit Kinderwagen im August 1972 an der Domsheide.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
Universität Bremen

50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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