Vor 50 Jahren

Die Bibliotheken der bremischen Strafanstalten werden fortan in den Händen von Fachleuten liegen. Die Behörde des Senators für Rechtspflege und Strafvollzug hat die Stadtbibliothek gebeten, die Revision der Bibliotheken in den bremischen Strafanstalten zu übernehmen und sie unter Berücksichtigung der Reforminhalte im Strafvollzug zu überarbeiten (WESER-KURIER, 3. August 1972).

Hintergrund

Was am Anfang noch so ungelenk bürokratisch klang, hatte ein ungewöhnliches und innovatives Konzept zur Folge: Die Bibliothek der Justizvollzugsanstalt in Bremen-Oslebshausen sollte mit der Eröffnung 1974 als reguläre Zweigstelle der Bremer Stadtbibliothek geführt werden. In Deutschland ist dies bis heute einmalig.

„In den meisten Fällen werden Bibliotheken in Strafanstalten oder JVAs eher nebenher geführt, also ehrenamtlich oder aus Bücherspenden finanziert“, sagt Andreas Gebauer, heutiger Leiter der Stadtbibliothek Gröpelingen und der Gefangenen-Bibliothek Oslebshausen. In Bremen sei jedoch von Anfang an darauf Wert gelegt worden, dass die Gefangenen-Bücherei professionell und kontinuierlich betrieben werde. „In den 1970er-Jahren hatte die Stadtbibliothek Bremen ein unheimlich großes Zweigstellen-Netz. Da lag es wohl auf der Hand, sich in diesem Bereich auch zu engagieren.“ Soziale Bibliotheksarbeit, etwa auch in Krankenhäusern, habe damals eine große Rolle gespielt.

Ursprünglich hatten Gefängnis-Büchereien die Aufgabe, die Häftlinge vor allem in moralischer Hinsicht zu bessern, sie sollten bilden und belehren. Im Zuge der Partnerschaft mit der Bremer Stadtbibliothek hingegen sollte der Bestand der Gefängnis-Zweigstelle stärker an den Wünschen der Gefangenen ausgerichtet werden – ohne ganz auf die „erbaulichen Bücher“ zu verzichten. So sollte den Häftlingen – dem Resozialisierungsgedanken folgend, wie es vonseiten der Justizbehörde heißt – schon einmal ein Blick hinter die Mauern, nach draußen, ermöglicht werden.

Denn auch wenn die Räume wie eine typische Bibliothek eingerichtet sind – die Kundschaft seien eben keine typischen Bibliotheksgänger, betont Gebauer. „Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass die Leute, die zu uns kommen, das eher aus der Not heraus tun.“ Im Gefängnisalltag gebe es wenig Möglichkeiten, Tätigkeiten selbstbestimmt nachzugehen. Doch der Gang in die Bücherei – „Büchertausch“ heißt der im JVA-Alltag – sei eine davon. „Die Inhaftierten kommen alle freiwillig zu uns, das findet alles in deren Freizeit statt“, sagt Gebauer.

Fitness und Kochen besonders gefragt

8000 Medien zählt der Bestand mittlerweile, wobei die Häftlinge aber Bücher aus dem gesamten Bibliothekssortiment bestellen könnten. Besonders gefragt seien momentan Bücher aus den Bereichen Fitness, Kochen und Psychologie sowie Gedichte. Seit 2016 gehören auch DVDs zum Bestand, seitdem seien die Entleihzahlen noch einmal deutlich angestiegen: 8000 Besucher pro Jahr, 36.000 ausgeliehene Medien. Im vergangenen Jahr seien laut Gebauer 1200 aktive Ausweise in Umlauf gewesen – bei rund 700 Inhaftierten. Demnach würden auch JVA-Mitarbeiter und neue Häftlinge, die nach Oslebshausen verlegt werden, erreicht werden.

Neben Gebauer als Leiter hilft noch eine weitere Mitarbeiterin in der Bücherei aus sowie zwei 450-Euro-Kräfte, darunter auch der ehemalige Anstaltsleiter Carsten Bauer. Hinzu kommen noch vier Inhaftierte, die dort einen Arbeitsplatz gefunden haben – das ist seit sechs Jahren auch in einem Kooperationsvertrag mit der Anstaltsleitung festgeschrieben. Das Kulturressort trägt die Kosten für die Bibliotheksstrukturen und das Fachpersonal; das Justizressort gibt rund 6000 Euro für Sachkosten hinzu. Justizsenatorin Claudia Schilling bezeichnet die Gefangenenbibliothek denn auch als „wichtigen Beitrag zur späteren Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft nach der Haft“.

Justizsenator ­Wolfgang Kahrs (v.r.), Anstaltsleiter Ehrhard Hoffmann, Stadtbibliotheksleiterin Martha Höhl und Heiner Meyerskötter, Leiter der Gefangenenbibliothek bei der Eröffnung 1983.
Foto: Jochen Stoss

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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