Auf Suche nach Auswanderern: die Lloyd-Agentur Karesch & Stotzky
Als Bremer mag man überrascht sein: Ein Hochseeriese kommt von der Oberweser und fährt, voller Kraft voraus, weserabwärts in Richtung Bremerhaven. Es ist ein richtiger Ozeandampfer mit vier Schornsteinen. Das beeindruckt doch mächtig. Und einen mächtigen Eindruck sollte der Dampfer der Kundschaft auch machen. Obwohl das Bild mit der Ansicht von Bremen wirklich eine plumpe Fälschung ist. Nebenbei gesagt, wäre das Schiff bereits nach wenigen Metern Fahrt mit der Großen Weserbrücke kollidiert. Und die schöne Pracht wäre dahin gewesen.
Karesch & Stotzky wirbt um Vertrauen
Die Firma hatte um 1900 im Bremer Adressbuch folgenden Eintrag:
Karesch & Stotzky
Kaufleute, Auswanderungsunternehmer, Speditions- und Kommissionsgeschäft, Bank und Geldwechsel
Inhaber
Peter Augustin Stotzky, Witwe
Wenzel Carl Jelinek
Theodor Wenzel Ferus
Bahnhofstraße 29
Karesch & Stotzky waren Auswanderer-Agenten, wie auch Mißler (Bahnhofstraße 30) einer war. Sie warben auswanderungswillige Menschen an, doch die Passage in die „neue Heimat“ mit dem Norddeutschen Lloyd (NDL) über Bremen anzutreten. Ziel der Werbepostkarte war es, Vertrauen aufbauen. Der „Chef der Firma“ ist im Porträt abgebildet. Es ist ein würdiger älterer Herr. Darunter steht „séf firmy“. Damit sollten wohl hauptsächlich Tschechen angesprochen werden.
Während Mißler seine Agenturtätigkeit für den NDL erst 1881 bekam (siehe Bremen History vom 19. Juli 2015), waren Karesch & Strotzky bereits Anfang der 1870er in Prag aktiv. Der NDL, 1857 gegründet, erkannte das Potential der Firma und ernannte sie zu seinem Repräsentanten (General-Agentur) in Wien. Damit war das gesamte Gebiet der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (auch k.u.k. Doppelmonarchie genannt) durch diese Firma abgedeckt.
Wie man Auswanderungswilligen vollen Service gibt
Eigentlich sollte eine Agentur, die mit einer Schifffahrtslinie verbunden ist, die Emigranten dazu bewegen, das Schiffsticket bei der Reederei zu lösen. Aber das machten nur 10 bis 12 Prozent, obwohl es laut Agentur-Vertrag Pflicht gewesen wäre. Aber das Gegenteil war der Fall. Über ein weit verzweigtes Netz von Agenturen boten Karesch & Stotzky eine komplette Dienstleistung an. Das bedeutete, dass sie außer Bahnticket und Geldwechsel, auch „Beseitigung aller Schwierigkeiten, einschließlich der gesetzlichen Hindernisse“ übernahm.
Neben einem dicht geknüpften Netz von örtlichen Agenturen gab es noch inländische Reisebüros, die an die im Lande vorgegebenen Gesetze gebunden waren. Für den Verkauf der Tickets an Ausreisewillige lockte eine Provision. Dafür taten die Agenten alles und sollen auch vor einer Passfälschung nicht zurückgeschreckt haben. So schreibt es Hans Chmelar über Agenturen und Reisebüros in: „Höhepunkte der österreichischen Auswanderung“, Wien 1974.
Zwei Agenturen, ein Ziel
Ab 1896 verzichtete der Norddeutsche Lloyd auf ein eigenes Agentennetz. Der Lloyd hatte damit zwei große Agenturen – Mißler und Karesch & Stotzky – , die unermüdlich Emigranten zur Fahrt in die „Neue Welt“ nach Bremen heranbrachten. Mißler hatte auch eine Filiale in Wien. Die soll nicht erfolgreich gewesen sein. Während Karesch & Stotzky, obwohl in Bremen ansässig, als Einheimische der Monarchie den richtigen „Stallgeruch“ hatten.
Eine Erfolgsgeschichte geht zu Ende
Aloys Karesch war bereits 1870 im Bremer Adressbuch eingetragen. Doch schon im nächsten Jahr ist Peter Augustin Stotzky dabei. 1885 ist nur noch P. A. Stotzky Inhaber. Als er 1882 stirbt, übernimmt seine Witwe das Geschäft und übergibt es 1914 an den Prokuristen Theodor Wenzel Ferus. Ab 1926 ist die Firma in Bremen erloschen. Die Auswanderer-Agentur Mißler schloss 1935.
Das Schiff „Kaiser Wilhelm der Grosse“
Die „Kaiser Wilhelm der Große“, benannt nach Kaiser Wilhelm I., ließ der NDL 1897 für die Linienschifffahrt der Passage Bremerhaven–New York bauen. Sie war eines der vier von 1897 bis 1902 gebauten Schnelldampfer der Kaiserklasse. Besonders markant schauten die vier Schornsteine aus. 1914, gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges, kam sie in ein Gefecht mit einem britische Kreuzer und wurde auf Befehl des Kapitäns von der eigenen Besatzung versenkt.
Eine Passage mit einem dieser Schnelldampfer kostete einen Aufschlag. Das konnten viele Emigranten nicht bezahlen, denn sie kamen oft aus ländlichen, ärmeren Bevölkerungsschichten. Doch der Norddeutsche Lloyd konnte auch preiswertere Fahrten anbieten.
von Peter Strotmann