Ein Blick in die Geschichte (181): Hitlers „Privatbesuch“ im Dezember 1934
Meist jede Stadt möchte mal einen Prominenten für einen offiziellen Besuch vor Ort haben. Aber nicht immer ist der Eingeladene dazu bereit. Eine besondere Bewandtnis hat es mit einer höchst fragwürdigen Erscheinung der deutschen Geschichte, Reichskanzler Adolf Hitler. Der kam am 14. Dezember 1934 nur zu einem „Privatbesuch“ in Bremen. Trotzdem wurde sein Auftritt von weiten Teilen der Bevölkerung begeistert aufgenommen.
Hitler war damals nicht zum ersten Mal in Bremen. Der Historiker Herbert Schwarzwälder zählt drei vorherige Besuche auf: zwei Wahlkampfauftritte im Juli und November 1930 sowie einen Kurzaufenthalt am 28. Oktober 1932, „um die zerstrittene lokale Parteiorganisation zu disziplinieren“. Wie Fritz Peters in seiner Chronik zu berichten weiß, verbrachte Hitler die Nacht im Haus des Konsuls Otto Bernhard. Der Kaufmann wohnte an der Contrescarpe 13 unweit des heutigen Theaters am Goetheplatz.
Doch nach der Machtergreifung durch die NSDAP im Jahre 1933 hatte Hitler Bremen noch keinen offiziellen Staatsbesuch abgestattet. Laut Schwarzwälder war Hitler weder zur Entgegennahme des Ehrenbürgerbriefs noch zur Eröffnung der Nordischen Kunsthochschule im April 1934 erschienen. Das änderte sich am 14. Dezember 1934 – und doch galt seine Visite als reiner „Privatbesuch“. Pompös empfangen wurde er trotzdem; die Stadt sparte keine Kosten und Mühen, um sich ihrer besten Seite zu zeigen.
Auf seinem Weg zur Schiffswerft AG Weser in Gröpelingen traf er im Salonwagen der Reichsbahn um acht Uhr morgens am Bremer Hauptbahnhof ein. Schon dort wurde er von Zehntausenden begrüßt. Die Kinder hatten schulfrei, die Geschäfte waren geschlossen und die Stadt war geschmückt. Die Bremer Nachrichten berichteten am nächsten Tag: „Heil-Rufe werden laut, schwellen immer mehr an. Der Führer erhebt sich im Wagen und grüßt. Stehend fährt er weiter durch die Spalier bildende Hitlerjugend und die Reihen der Arbeitsdienstmänner.“
Gast beim Stapellauf der „Scharnhorst“
Auf der Schiffswerft AG Weser wohnte er dem Stapellauf eines für den Norddeutschen Lloyd neu erbauten Passagierschiffes bei, der „Scharnhorst“. Allerdings sprach er kein Wort zu den Zuschauern. Verkehrsminister Paul von Eltz-Rübenach hielt eine kriegerische Rede, in der er dem Schicksal der „Scharnhorst“ im Ersten Weltkrieg gedachte. Zur Taufe zerschellte eine Flasche Schaumwein am Schiffsbug, danach glitt das Schiff in die Weser.
Bereits um 10 Uhr war die Taufzeremonie der „Scharnhorst“ beendet, Hitler fuhr anschließend im Salonwagen nach Bremerhaven. Am Columbusbahnhof angekommen, besichtigte er das Passagierschiff „Europa“ des Norddeutschen Lloyd, das Schwesterschiff der legendären „Bremen“. Auch dort jubelte ihm eine große Menschenmenge zu. Besonderes Interesse soll er an der künstlerischen Ausgestaltung und dem Führerstand des Schiffes gezeigt haben. Des Nachmittags verließ er Bremerhaven. Damit war sein „Privatbesuch“ in Bremen und Bremerhaven beendet.
Danach gab es mehrere Versuche, Hitler nach Bremen zu lotsen. Auch anlässlich der Schaffermahlzeit am 14. Februar 1936. Doch Hitler schlug die Einladung aufgrund „starker amtlicher Inanspruchnahme“ aus. Der Regierende Bürgermeister Otto Heider erneuerte das Angebot im Juni 1936, konnte sich aber des Eindrucks nicht erwehren, der „Führer“ sei gegen Bremen eingenommen. Tatsächlich hatte er in Arbeiterkreisen keinen leichten Stand, die Belegschaft der AG Weser soll bei der „Scharnhorst“-Taufe eher unterkühlt auf den hohen Besuch reagiert haben.
Danach machte Hitler nur noch drei Mal auf der Durchreise nach Wilhelmshaven auf dem Hauptbahnhof kurz Station. Bremen als reine Durchgangsstation zum Marinestandort an der Nordsee – mit diesem Los hatte die Stadt bereits zu Zeiten Kaiser Wilhelm II. gehadert. Ein schon fest verbuchter Besuch zur Einweihung der Westbrücke im Juli 1939 zerschlug sich kurzfristig, zu ihrer Eröffnung als Adolf-Hitler-Brücke erschien an seiner statt Großadmiral Erich Raeder.
von Peter Strotmann und Frank Hethey