Im Mai 1926 stehen über 60 Personen vor der Eingangstür des Lloydheims in Bremen-Findorff. Das Lloydheim, 1906 erbaut, lag an der Hemmstraße/Ecke Walsroderstraße. Es diente der Verwaltung der Auswanderer, dahinter lagen das Hotel Amerika und das Hotel Washington. Hier wurden die Auswanderer auf ihre Reise vorbereitet und konnten in den Hotels bis zur Einschiffung in Bremerhaven unterkommen. Dies alles wurde vom Norddeutschen Lloyd zur Betreuung der Passagiere vorgehalten.

Es sind Auswanderer in die Vereinigten Staaten (USA), die sich für den Fotografen aufgestellt haben. Der Fotograf Kelch aus der Frielinger Straße, die parallel zur Walsroder Straße liegt, ergänzte das Foto mit einem Text. Der Wortlaut:

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,

den lässt er auf dem stolzen Lloyddampfer Columbus reisen … Erinnerung meiner

Durchreise im schönen Lloydheim zu Bremen 1926…………………………

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, da bleibet wer Lust

hat mit Sorgen zu Haus. Wir aber wandern mit dem Riesendampfer

Columbus doch aus …. Lloydheim, Hotel America, Hotel Washington

Die letzte Station vor dem Sprung über den großen Teich: das Lloydheim in Findorff. Quelle: Peter Strotmann, Ansichtskarte 1920er

Die letzte Station vor dem Sprung über den großen Teich: das Lloydheim in Findorff.
Quelle: Peter Strotmann, Ansichtskarte 1920er

Er fängt damit die nahezu grenzenlose Euphorie ein, mit der die Auswanderer in ihr neues Heimatland einwandern wollen. Diese Menschen haben alles Voraussehbare geregelt, kennen in den Vereinigten Staaten jemanden, der für sie bürgt und erfüllen die Einreisevorschriften. Jetzt warten sie nur noch darauf, dass sie auf die „Columbus“ kommen. Mit dem Zug werden sie nach Bremerhaven reisen und am 30. Mai 1926 mit dem NDL-Dampfer in See stechen, Richtung New York.

Mit der „Columbus“ hat es seine ganz eigene Bewandtnis: Nach dem Ersten Weltkrieg gab es ein „Columbus-Abkommen“ zwischen Deutschland und Großbritannien. Gegenstand dieses Abkommens war ein Transatlantik-Liner, eben die„Columbus“, die im Auftrag des Norddeutschen Lloyd (NDL) bereits vor Kriegsausbruch in Danzig auf Kiel gelegt worden waren. Und zwar zusammen mit einem Schwesterschiff, der „Hindenburg“. Die „Columbus“ musste an England abgeliefert werden, sie fuhr als „Homeric“ für die White Star Line und wurde 1936 verschrottet. Das andere Schiff war unter Baunummer 929 als „Hindenburg“ in Auftrag gegeben worden. Zum Stapellauf am 12. August 1922 erhielt es dann aber den Namen „Columbus“. Mit einer Länge von 236 Metern war es seinerzeit Deutschlands größtes Passagierschiff. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges erfolgte die Selbstversenkung im Atlantik, 320 Seemeilen östlich von Cape Hatteras.

Das Schiff für die Passage in die neue Welt: der NDL-Dampfer Columbus. Quelle: Peter Strotmann

Das Schiff für die Passage in die neue Welt: der NDL-Dampfer Columbus.
Quelle: Peter Strotmann

Nur noch ausgewählte Einwanderer dürfen in die USA

1921 änderten die USA ihre Einwanderungspolitik. Denn zum ersten Mal wurde die Einwanderung einer Quote unterworfen (Emergency Quota Act). Drei Jahre darauf folgte der Immigration Act von 1924. Die in beiden Gesetzen beschlossenen Quoten sollten die Einwanderung aus Süd- und Osteuropa zugunsten der Einwanderung aus Nord- und Westeuropa eindämmen und ganz allgemein den „weißen“ Charakter der Bevölkerung sichern. Dazu wurde die Zahl der Neuwanderer pro Land auf zwei Prozent des Anteils an der Bevölkerung von 1890 begrenzt.

Und dann musste einem noch das Glück vergönnt gewesen sein, jemanden in den Vereinigten Staaten zu kennen, der für einen bürgen wollte oder konnte. Diese Voraussetzung zu erfüllen war für viele Ausreisewillige fast unüberwindbar. Dazu schreibt mein Verwandter Rudolf Kofoet (zweitältester Sohn der Familie Lambertus Kofoet) in seinen Lebenserinnerungen:

„Es war in der Mitte der zwanziger Jahre, als wir uns zu Hause damit beschäftigten, unser Heimatland zu verlassen. Wir wollten in ein Land in dem es eine funktionierende Regierung gab, Revolutionen und Hinrichtungen nicht an der Tagesordnung waren. Wir diskutierten über viele Länder, aber keines erschien uns als geeignet. Als am Geeignetsten schien uns noch die USA zu sein.

Um als Auswanderer in den USA anerkannt zu werden, muss man einen Freund oder Verwandten haben, der für einen die Verantwortung übernimmt für einen zu sorgen, so dass dies nicht die US-Regierung oder eine US-Behörde im Falle von Arbeitslosigkeit oder Krankheit tun muss. Wir die Kofoets’s, als eine zehnköpfige Familie, wurden in die Kategorie – keine Verwandten, keine Freunde- eingeordnet.

Unsere Situation schien aussichtslos. Doch Ende 1927 wendete sich das Blatt. Bei meiner Tätigkeit als Spediteur lernte ich einen gewissen Fritz Richter kennen. Der wohnte schon seit acht Jahren in Amerika und war jetzt hier, um seine Frau und zwei Söhne nachzuholen.

Nachdem meine Eltern ihn besucht hatten, war er bereit, die Verantwortung für unsere Familie zu übernehmen. Im Juli 1928 kamen mein Vater und mein älterer Bruder in New York an. Am 23. April 1929 kam auch der Rest von uns, um wieder als vereinte Familie zu leben, und zwar in Camden/Philadelphia in Nachbarschaft zur Familie Fritz Richter.“

Welche Passagiere waren bei der Reise am 30. Mai 1926 von Bremerhaven nach New York an Bord?

I. Klasse: 66 registrierte Personen, davon 30 Deutsche, Berufe: Kaufleute, Fabrikbesitzer, Direktoren etc.

II. Klasse: 446 registrierte Personen, davon 314 Deutsche, Berufe: Handwerker, Hausmädchen

III. Klasse: 393 registrierte Personen, davon 386 Deutsche, Berufe: Landwirte, Hausmädchen, Handwerker

Herkunft der deutschen Passagiere: u.a. Bayern, Sachsen, Hessen, Rheinland, Thüringen, Württemberg

Feste Ziele in den USA waren Chicago, Detroit und Buffalo.

Quelle: Maus Bremen/Peter Strotmann

Auf zu neuen Ufern: Auswanderer-Gruppe vor dem Lloydheim 1926. Quelle: Foto Rudolf August Kelch, Photographengeschäft, Frielinger Straße 59/Peter Strotmann

Auf zu neuen Ufern: Auswanderer-Gruppe vor dem Lloydheim 1926.
Quelle: Foto Rudolf August Kelch, Photographengeschäft, Frielinger Straße 59/Peter Strotmann

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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