Ein Sohn Bremens: der Bildhauer Georg Roemer, Spross einer Kaufmannsfamilie.
Quelle: Archiv der Familie

Vor 150 Jahren: 1868 erblickte in Bremen der Bildhauer Georg Eduard Roemer das Licht der Welt

Ein weitgehend vergessenes Kind Bremens erblickte vor nunmehr 150 Jahren – am 19. Januar 1868 – das Licht der Welt. Es war der Bildhauer Professor Georg Eduard Roemer – Zeugnisse seines Wirkens sind noch heute an verschiedenen Stellen der Stadt sichtbar.

Sowohl Vater Johann Bernhard August, als auch Großvater August Friedrich Römer – sie schrieben ihren Namen noch nicht mit „oe“ – waren Kaufleute und Bürger Bremens. Im Jahre 1865 heiratete der Vater die ebenfalls aus einer hiesigen Kaufmannsfamilie stammende Johanna Antoniette Bechtel. Noch im gleichen Jahr wurde die Firma Römer, Bechtel & Co., welche sich hauptsächlich mit dem Handel von Lebensmitteln wie Rohtabak, Kaffeebohnen und später Gewürzen einen Namen machte, in der norddeutschen Hafenstadt gegründet. Das Unternehmen trotzte Kriegen, Krisen, Währungsreformen und konnte endlich auf eine über 150-jährige Firmengeschichte zurückblicken.

Der junge Georg besuchte nach dem Gymnasium in der Heimatstadt die Kunstakademie in Dresden, studierte weiterhin in Berlin und ging von dort für ein Jahr nach Paris.

Als Bewunderer der alten griechischen Meister und der italienischen Frührenaissance zog es ihn zu den Wurzeln dieser Kunst. Hier lehrten ihm die antiken Künstler ihre einfache Klarheit der Gestaltung, welche lebenslang auch sein Werk auszeichnete.

Nach einem weiteren Jahr in Rom ließ er sich in der Kunstmetropole Florenz nieder und wurde Schüler Adolf von Hildebrands, der zweifelsfrei nicht nur der wichtigste Lehrer in seinem Leben, sondern auch Freund, Förderer und Kollege war.

Nicht nur im Norden hinterließ Roemer seine Spuren: Brunnenanlage und Wandreliefs in der Wandelhalle in Bad Kissingen (1910/11).
Quelle: Bestand Bornscheuer

Kein einfacher Künstler

In der Stadt am Arno lebte eine Vielzahl von deutschen Künstlern und Intellektuellen. Einer der Treffpunkte von Deutsch-Florentinern war das Haus der Hildebrands, das ehemalige Kloster San Francesco di Paola. Hier lernte Roemer auch die Familie Kurz kennen. Erwin Kurz, ebenfalls Bildhauer, war Schüler und später Mitarbeiter des Meisters. Mit der Schwester, der Schriftstellerin Isolde Kurz war Roemer einige Jahre eng befreundet – sie zeichnete in ihrer Lebensrückschau (Die Pilgerfahrt nach dem Unerreichlichen) ein Charakterbild des durchaus nicht einfachen und geradlinigen Künstlers zu Florentiner Zeit.

Übernommene Aufträge ließen den Bildhauer immer wieder aus dem sonnigen Italien nach Deutschland reisen. So die in der Kunsthalle befindliche Porträtbüste (1900) und nach dem Tod das Grabmal (1902) des Bremer Bürgermeisters, Essayisten und Übersetzers Otto Gildemeister auf dem Riensberger Friedhof oder die Erweiterung der Kunsthalle seiner Vaterstadt (1902/04). Roemer schuf hierzu Schmuckelemente für die monumentale Sandsteinfassade, jeweils zwei Reliefs für Vorder- und Rückseite des Bauwerkes.

Auch ein Werk Roemers: die Bronzeskulptur „Doryphoros – Speerträger nach Polyklet“ (1921-22) im Hauptgebäude der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität.
Foto: Uwe Bornscheuer

Im Jahre 1904 kehrte er nach 13-jährigem Aufenthalt in der Hauptstadt der Renaissance wieder nach Deutschland zurück und ließ sich in München, nieder, war aber als Künstler sowohl im norddeutschen – hier vor allem in den Hansestädten Bremen, Lübeck und Hamburg – als auch im süddeutschen Raum tätig.

1906 heiratete er die Tochter des Lübecker Senators und Bürgermeisters Emil Ferdinand Fehling und Enkelin des Lyrikers Emmanuel Geibel, Ada Louise Fehling (1881 bis 1972). Sie wohnten in der Münchener Stievestraße, das Atelier hatte der Bildhauer in der Tizianstraße. Im Jahre 1911 wurde die Tochter Ada Marianne geboren. Anlässlich seines 88. Geburtstages verlieh der greise Prinzregent Luitpold von Bayern (1821 bis 1912) dem Künstler den Titel Professor.

Georg Roemer verstarb am 25. Januar 1922 in München.

„Bei seinem kurzen Leben von nur 54 Jahren hat er doch ein reiches Werk hinterlassen“, bemerkte der Kunsthistoriker Alexander Heilmeyer 1931. Wenngleich bis heute weitgehend das Fehlen von Literatur über das Œuvre und den Künstler selbst zu beklagen sind, lässt sich eine ganze Reihe von Exponaten, die er auf Ausstellungen im In- und Ausland zeigte, in den Kunstjournalen seiner Zeit finden. Diese erlauben einen Blick auf das vielseitige Schaffen, welches sich bereits bei einem Gang durch die Weserstadt erahnen lässt.

Schöpfer der Windsbraut

Allein das Neue Rathaus mit der Fortunastatue (der sogenannten Windsbraut) auf dem Dach, dem Relief des Erzbischofs Giselbert, zwei Ratsherrenskulpturen, der Armillarsphäre auf dem Senatsgiebel und im Festsaal mit der Skulptur „Vergangenheit und Zukunft“ sowie einem Spiegel in einer aus Holz geschnitzten, vergoldeten und von Figuren gehaltenen Rahmung zeigt verschiedene Facetten seines Wirkens.

Ein glänzendes Werk: die Windsbraut auf dem Dach des Neuen Rathauses. Foto: Peter Strotmann

Auch in der Kunsthalle befinden sich neben einer reliefplastischen Gedenktafel für den langjährigen Förderer Hermann Henrich Meier jr. vier Bronzestatuetten und eine Anzahl von Medaillen des Künstlers. Für das 1908 errichtete, leider heute zerstörte, Ludwig Franzius-Denkmal schuf Roemer die Porträtbüste des Wasserbauingenieurs aus Bronze. Seine zwei Puttenpaare auf den Pfeilern sowie Löwen aus Stein zierten die Anlage. Heute erinnert nur noch ein Nachguss der alten Büste an dieses prächtige Denkmal neben der Weserbrücke.

In der Aula des Alten Gymnasiums wurde ein Epitaph zum Andenken an Constantin Carl Heinrich Bulle, der von seinen Schülern gestiftet wurde, 1908 enthüllt.

Das Œuvre des Künstlers ist vielfältig. Es reicht von Statuen, Reliefs, Brunnenanlagen bzw. Brunnenskulpturen, Grabanlagen oder Schmuckelemente für Grabmale bis zu Statuetten zumeist in Bronze und/oder Stein. Auch auf dem Gebiet der angewandten Kunst war Roemer zuhause. Das zeigen Arbeiten wie Kaminschirm, Quartettnotenpult oder Petschaft. Er arbeitete als Entwurfskünstler für Schnitzereien und Beschläge im Bereich der Bau- und Möbeltischlerei, für keramische Werkstätten oder Silberschmiede. Selbst mit der Architektur setzte er sich auseinander und lieferte einen Entwurf für die Gestaltung des Münchner Königsplatzes.

Als Erneuerer der deutschen Münz- bzw. Medaillenschneidekunst wurde Georg Roemer zu Beginn des 20. Jahrhunderts gefeiert. Mit einem Münzentwurf für das Herzogtum Sachsen-Meiningen im Jahr 1900 setzte der Künstler Akzente. Er schnitt das Konterfei Herzog Georg II. direkt negativ in den Stahl des Prägestempels für die Vorderseite eines Fünfmarkstücks.

Auch eine Spezialität Roemers: Medaille auf den Tod Otto Gildemeisters (1902), Bronze, Durchmesser 88,0 mm.
Quelle: Bestand Bornscheuer

Dieser Entwurf kam nicht zur Ausführung. Seine Freundschafts- bzw. Amicis-Medaille trägt aber eine sehr ähnliche Darstellung des Monarchen. Auch für den Medaillenzyklus „Jahreszeiten“ mit „Frühling“, „Erntezeit“, „Aller Seelen“ und „Stille Nacht“ (vor 1905) sowie die Medaillen auf die Enthüllung des Richard-Wagner-Denkmals in Berlin 1903 und auf das 15. Deutsche Bundesschießen 1906 schnitt er die Prägestempel nach diesem Verfahren. Neben Hammer und Meißel für die Ausarbeitung der Hauptformen verwandte er Stichel und vor allem Punzen für die weitere Durchbildung.

Den Stahlschnitt wieder zur Geltung gebracht

Georg Roemer brachte den unmittelbaren Stahlschnitt, der hierzulande bereits seit einigen Jahrzehnten der Stempelherstellung mittels Reduktionsmaschine gewichen war, in der Medaillenkunst wieder zur Geltung.

Auch in Rom präsent: Cimitero Acattolico, Sarkophag für Bertha Cornelius (1834-1904), die Witwe des Komponisten Peter Cornelius.
Foto: Uwe Bornscheuer

Aber auch Auftragsmodelle für Prägemedaillen, einen Orden und ein Dreimarkstück – eine Gedenkmünze des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, deren Stempel mittels maschineller Verkleinerung hergestellt wurden, schuf der Künstler.

Schon sehr frühzeitig befasste er sich mit der Gussmedaille. Aus dem Jahr 1888 ist eine Arbeit mit den Darstellungen Kaiser Friedrich III. und Eumenes II. von Pergamon im Berliner Münzkabinett erhalten. Nach der Jahrhundertwende nahm dieses Genre einen festen Platz in seinem Schaffen ein. Er modellierte die Gussmodelle für Medaillen auf Otto Gildemeister (1902), Hans von Bülow (1905), Franz Ernst Schütte (1906), Vita Beata I und II (1906), Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1908, 10), Großherzogin Feodora von Sachsen-Weimar-Eisenach (1915) und Martin Luther (1917) in Originalgröße.

Bedauernswert ist, dass dieser zu seinen Lebzeiten durchaus bekannte Künstler mittlerweile in eine Wolke der Vergessenheit geraten ist. Nur so ist es auch zu erklären, dass Roemer vielfach als aus Breslau gebürtig verortet wird. Heute wäre es nun an der Zeit, diesem großen Sohn der Stadt wieder etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

von Uwe Bornscheuer

Einst ein Hingucker, nach dem Zweiten Weltkrieg abgetragen: das Franzius-Denkmal von Georg Roemer.
Quelle: Bestand Bornscheuer

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