Eine Straße und ihre Geschichte: die Kurfürstenallee

Für die Bewohner der Landgebiete Vahr, Rockwinkel und Oberneuland war die Bremer Altstadt früher recht umständlich. Der Weg führte über Horn und dann in die Schwachhauser Heerstraße. Insbesondere im 19. Jahrhundert entdeckten Teile der Bremer Prominenz und Kaufmannschaft die Vorzüge des Landlebens und ließen ihre Sommerhäuser und Landgüter in Rockwinkel und Oberneuland errichten. Doch die An- und Abreise, seinerzeit mit Pferd und Wagen, war recht mühselig. Deshalb wünschte man sich eine gut ausgebaute Verbindungsstraße zwischen Schwachhausen und Oberneuland.

Da das Gebiet für die geplante Straße noch unbebaut war, wurde die kürzestmögliche Strecke zwischen der Schwachhauser Heerstraße und der Rockwinkeler Landstraße möglich. Dazu musste der Bremer Staat in den Jahren um 1912 mehrere Teilstücke innerhalb des Stadtgebietes von den Eigentümern der Grundstücke erwerben. Für die weiterführende Strecke durch die Landgebiete Vahr und Rockwinkel soll der große Bremer Mäzen Franz Schütte (1836 bis 1911) schon rechtzeitig Land aufgekauft haben.

Damit war eine durchgehende Straße von der Schwachhauser Heerstraße bis zur Rockwinkeler Landstraße möglich.

Als Straßennamen wurden festgelegt:

  • von der Schwachhauser Heerstraße bis zur Straße in der Vahr: Kurfürstenallee
  • von der Straße In der Vahr (früher Vahrer Straße) bis zur Rockwinkeler Landstraße: Franz-Schütte-Allee

Kurfürstenallee/Richard-Boljahn-Allee/Franz-Schütte-Allee:
1-Straßeneinmündung Schwachhauser Heerstraße
2-Brücke Kirchbachstraße
3-Vahrer Brücke
4-Autobahnauffahrt Bremen-Vahr
5-Straßeneinmündung Rockwinkler Heerstraße
Quelle: Openstreetmap 2018/Peter Strotmann
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Wie die Kurfürstenallee ausgebaut wurde

Diese Straße sollte eine Allee werden, wie sie Bremen bis dahin noch nicht gesehen hatte. Dafür war eine lichte Straßenbreite von 30 Metern von Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze vorgesehen. Da ließen sich beidseitig breite Fußwege, je Richtung eine Spur für den Autoverkehr, eine eigene Trasse für die Straßenbahnen und eine 4,5 Meter breite Fahrbahn für Radfahrer unterbringen. Dazu bekam die Straße drei Reihen Bäume, um aus der Straße eine Allee zu machen. In dieser Form wurde die Kurfürstenallee von der Lothringer Straße bis zur Straße In der Vahr in den folgenden Jahren ausgebaut. Von der Schwachhauser Heerstraße bis zur Lothringer Straße wurde das Konzept seinerzeit nur teilweise umgesetzt, der Ausbau erfolgte erst 1967 (Bericht folgt).

Ab Mitte der 1930er Jahre wurde mit dem Bau der Reichsautobahn von Dibbersen (Hamburg) nach Oyten (Bremen) begonnen. Der Abschnitt zwischen der Anschlussstelle Oyten und dem Bremer Kreuz sowie der anschließende Teil der heutigen A 27 bis Bremen-Burglesum wurde 1937 fertiggestellt, die sogenannte Blocklandautobahn. Zwei Autobahnauffahrten wurden geschaffen: Bremen-Häfen und Bremen-Mitte (heute Bremen-Vahr). Am 15. Mai 1938 wurden die Schwachhauser Heerstraße, die Kurfürstenallee und die Franz-Schütte-Allee zu Hauptverkehrsstraßen erklärt. Die Autobahnstrecke zwischen Bremen und Osnabrück konnte erst in den 1950er und 1960er Jahren verwirklicht werden.

Im Jahre 1910 geplanter und ausgeführter Straßenquerschnitt der Kurfürstenallee.
Quelle: Staatsarchiv Bremen-Senatsregistratur

Im Januar 1963 wurden 460 Linden und Eichen gefällt

Anfang der 1960er Jahre konnten die Verkehrsplaner offensichtlich viel großzügiger planen, als sie es heute dürfen. Ab Januar 1963 wurde Platz für die zweite Fahrbahn von der Schwachhauser Heerstraße zur Autobahnauffahrt Bremen-Vahr geschaffen. Dazu mussten 460 Linden und Eichen gefällt werden. Diesen um die 50 Jahre alten Bäumen wurden die Kronen abgesägt. Die kahlen Baumstümpfe ragten, einem bizarren Kunstwerk gleich, in den Winterhimmel. Die Stümpfe wurden nach der Frostperiode samt dem Wurzelwerk aus dem Boden gerissen. Ob diese Aktion den Naturfreunden seinerzeit ans Herz gegangen ist? Darüber ist wenig bekannt. Denn man war wohl eher der Ansicht, dass der moderne Straßenbau nun einmal Opfer fordere.

Zur Ehrenrettung der Verkehrsplaner sei gesagt, dass nach Abschluss der Bauarbeiten hunderte neuer Bäume entlang der Straße gepflanzt worden sind.

Es ist ein Anblick, der einem ans Herz gehen kann: Zwei Reihen Baumstümpfe, in anderen Bereichen sogar drei Reihen, recken sich in den Winterhimmel.
Quelle: Staatsarchiv Bremen, 1963

Die Devise war: Freie Fahrt zum Autobahnzubringer. Störungen mit dem Stadtverkehr mussten ausgeschlossen werden. Deshalb wurden einige Querstraßen zerschnitten und die beiden großen Querstraßen, In der Vahr und Kirchbachstraße, durch Hochstraßen überbrückt.

Die Hochstraße „Vahrer Brücke“ besitzt eine 345 Meter lange Brücke, die auf pilzförmigen Stützen ruht. Mit den beidseitigen Rampen ist sie etwa 750 Meter lang. Der Baubeginn war 1963, die Übergabe an den Verkehr Ende 1965.

In einem eleganten Bogen soll sich die künftige
Fußgänger- und Radfahrerbrücke bei der Metzer
Straße über die breite Kurfürstenallee schwingen.
Quelle Skizze und Text: Weser-Kurier vom 26.05.1967

Die Hochstraße „Kirchbachstraße“ besitzt eine 385 Meter lange Brücke, die ebenfalls auf pilzförmigen Stützen ruht. Mit den beidseitigen Rampen ist sie etwa 790 Meter lang. 1966 begannen die Bauarbeiten, Ende 1967 wurde die Brücke dem Verkehr übergeben.

Für die Fußgänger wurden vier Brücken (drei über die Kurfürstenallee, eine über die Richard-Boljahn-Allee) und sogar ein Fußgängertunnel (in Höhe der Orleansstraße) gebaut. Die Radfahrer bekamen auf beiden Straßenseiten einen Fahrradweg.

Der Straßenteil von der Schwachhauser Heerstraße bis zur Straße In der Vahr (früher: Vahrer Straße) heißt Kurfürstenallee. Innerhalb des Stadtteils Vahr bis zur Autobahn wurde die Straße von Franz-Schütte-Allee in Richard-Boljahn-Allee umbenannt. Ab da bis zur Rockwinkeler Landstraße heißt sie wie eh und je Franz-Schütte-Allee.

Was daraus geworden ist

Die „Vahrer Brücke“ im Januar 2018.
Foto: Peter Strotmann

Es wurden drei Ampelanlagen neben den alten Fußgängerbrücken in Höhe der Metzer Straße, Brandenburger Straße und Carl-Severing-Straße zum ebenerdigen, barrierefreien Überqueren des zweispurigen Autobahnzubringers errichtet und Anfang Dezember 2010 in Betrieb genommen. Eine vierte Ampelanlage am Vahrer See kam im Frühjahr 2014 dazu. Durch die druckknopfgesteuerten Bedarfsampeln haben die Kraftfahrer im Prinzip die grüne Welle behalten. Als weitere Maßnahme, insbesondere zur Lärmminderung, wurde das Tempo von 70 auf 50 Kilometern pro Stunde herabgesetzt.

Die alten Fußgängerbrücken könnten sofort abgerissen oder müssten instand gehalten und in regelmäßigen Abständen grundsaniert werden. Da aber weder für die eine noch die andere Maßnahme Geld im Haushalt vorhanden sein wird, werden die Fußgängerbrücken wohl eines Tages in sich zusammenbrechen. Bis dahin: Gute Fahrt!

von Peter Strotmann

Kurfürstenallee im Winter 1943/44: Blick stadteinwärts.
Quelle: Frau Meyer-Ramin/Schwachhausen-Archiv

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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