Vor 100 Jahren wurde der Bremer Architekt Hans Budde geboren – skandinavische Einflüsse prägten ihn

Eigentlich wollte Hans Budde Kunstgeschichte studieren. Der am 29. Juli 1920 geborene Sohn eines Bremer Studiendirektors schloss die Oberschulzeit am Alten Gymnasium 1938 ab. Um das geplante Studium nicht unterbrechen zu müssen, sollten zunächst Arbeitsdienst und Militärpflicht abgeleistet werden. Der Kriegsausbruch verhinderte diesen Plan. Budde erlebte die ganze Kriegszeit als Soldat mit Einsätzen an der West- und Ostfront, 1942 kurz unterbrochen durch einen Studienurlaub. Ein Trimester erhielt er an der TU Berlin eine Einführung ins Studienfach Architektur. Zu dem Wechsel hatte ihn sein Kommandant, der Bremer Architekt Wilhelm Wolff, überredet.

Richtig los ging es mit dem Studium an der T.H. Hannover bereits im Wintersemester 1945. Budde erinnerte sich später an das ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl unter den „Kriegsteilnehmerstudenten“. Weil durch das NS-Regime die Entwicklung der modernen Architektur in Deutschland abgebrochen war, suchten die Studierenden nach neuer fachlicher Orientierung: die Architektur der nordischen Länder und der Schweiz wurde zum Vorbild.

Mittlerweile unter Denkmalschutz: das Kaffeehaus am Emmasee.
Quelle: bremer Zentrum für baukultur (bzb)

Nach dem 1949 abgeschlossenen Studium arbeitete er zunächst im Büro von Professor Ernst Zinsser, beteiligte sich aber privat bereits an Wettbewerben mit dem Ziel, sich als selbstständiger Architekt zu etablieren. 1951 war es soweit. Zwar hatte er bei dem Wettbewerb für die Schule an der Parsevalstraße nur den dritten Preis belegt, doch der Leiter des Hochbauamtes bot ihm die Ausführung des ersten Bauabschnitts an, vorausgesetzt, er mache sich selbstständig. So kam er zu seinem ersten Bauwerk, das deutlich skandinavische Einflüsse erkennen ließ. Es folgte der Auftrag für die Industrie- und Handelskammer in Osnabrück, den er gemeinsam mit Werner Zobel im typischen Stil der Fünfzigerjahre mit Flugdach und leicht aus dem rechten Winkel gerückten Seitenflügel ausführte.

Vom „Zementring“ zum „Hafendach“

Der Wunsch, das Gemeinschaftsgefühl aus dem Studium auch im Berufsalltag nicht zu verlieren, mag ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Budde und andere Architekten seiner Generation gemeinsam mit den Ehefrauen 1952 zum „Zementring“ zusammenschlossen, eine lose Gemeinschaft, die sich im 14-tägigen Abstand traf, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam etwas zu unternehmen, eine interessante Exkursion etwa oder ein geselliges Beisammensein. Der etwas ältere Hubert Behérycz gehörte ebenso zu diesem Kreis wie die etwas jüngeren Carsten Schröck und Hermann Brede.

Mit Carsten Schröck bildete Budde gelegentlich eine Arbeitsgemeinschaft. Einen großen Achtungserfolg erzielten beide, als sie 1957 gemeinsam mit dem damals in Berlin lebenden Architekten und Konstrukteur Frei Otto, der später zu Weltruhm gelangen sollte, beim Wettbewerb für die Stadthalle mit einem spektakulären leichten Flächentragwerk den zweiten Preis errangen. In kleinerem Maßstab setzte Schröck 1964 in Zusammenarbeit mit Otto das gleiche Konstruktionsprinzip bei der St. Lukas-Kirche in Grolland um. Ein weiteres Aufsehen erregendes Projekt der drei war das „Hafendach“: Gemeinsam entwickelten sie 1961 für den Neustädter Hafen das Projekt eines Indoor-Hafens. Durch eine großflächige leichte Dachkonstruktion sollte das Löschen von Stückgut witterungsunabhängig werden. Hafenfachleute hielten das Vorhaben aber für zu teuer und rieten ab.

Aus der Zusammenarbeit von Budde und Schröck gingen drei Bauwerke hervor. 1960 entstand das Haus der Kirche am Franziuseck. Eine senkrechte Holzverkleidung der Fassade wie hier setzte Budde auch bei einem seiner schönsten Bauten aus dieser Zeit ein: dem Einrichtungshaus Körber am Sedanplatz in Vegesack. Leider ist von der Eleganz dieses Bauwerks heute nichts mehr übrig geblieben. Die 1966 fertiggestellte St. Matthäus-Kirche mit Gemeindezentrum in Huchting, außen durch den markanten bugförmig vorspringenden Glockenturm, innen durch einen kontemplativen Hof gekennzeichnet, war ein weiteres gemeinsames Projekt. Als ihr schönstes und bekanntestes gilt aber das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Kaffeehaus am Emmasee von 1964, das über dem Wasser zu schweben scheint und dank seiner Pilzdachkonstruktion von allen Plätzen eine gute Aussicht gewährt.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich vier Architekten aus dem Zementring zur Bürogemeinschaft Ahlers, Brede, Budde, Schröck zusammengeschlossen. Man machte zwar überwiegend eigene Projekte, teilte sich aber einen großen Zeichensaal, sodass ein reger Austausch stattfinden konnte und die Mietkosten für die Partner geringer ausfielen. Außerdem hinterließ der große Zeichensaal mit zeitweise bis zu 50 Mitarbeitern auch bei Kunden einen guten Eindruck.

Mit seiner senkrechten Holzverkleidung gehört dieses Gebäude zu den schönsten Bauten, die der Bremer Architekt Hans Budde in den 1960er-Jahren entwarf: das Einrichtungshaus Körber am Sedanplatz in Vegesack.
Quelle: bremer Zentrum für baukultur (bzb)

Wenn man die gemeinschaftlich von Budde und Schröck entwickelten Projekte und die Soloprojekte der beiden betrachtet, kommt man kaum umhin, Schröck als den kreativeren Kopf zu betrachten. Was Budde auszeichnete, waren seine kommunikativen Fähigkeiten. Er war gut im Bremer Bürgertum vernetzt und engagierte sich schon früh berufspolitisch. Als Wilhelm Wortmann, der städtebauliche Berater der Aufbaugemeinschaft, 1958 eine Professur an der Technischen Hochschule Hannover antrat, wurde der 38-jährige Budde sein Nachfolger als Vorsitzender der Bundes Deutscher Architekten (BDA) im Lande Bremen. Zehn Jahre leitet er die Bremer Sektion und wechselte später ins Präsidium des BDA, wo er, mit Unterbrechung, bis 1986 tätig war.

Mit dem Gerichtsgebäude in der Ostertorstraße, der Müllverbrennungsanlage oder der Energiezentrale der Universität schuf Budde weitere stadtbildprägende Bauwerke, auch wenn er in seiner spätmoderne Phase nicht ganz so zu überzeugen wusste wie mit seinen Projekten der fünfziger und frühen sechziger Jahre. In seinem Spätwerk fand er wieder zu regionalen Materialien und einer kleinteiligen Maßstäblichkeit zurück. Sein Altenpflegeheim für die Egestorff-Stiftung in Osterholz erhielt beim BDA-Preis 1982 eine Anerkennung. Es vereine, hieß es in der Begründung, „vorbildlich die organisatorischen Erfordernisse der Altenpflege mit den Bedürfnissen der Bewohner nach Wärme, Behaglichkeit und Begegnung“.

1984 stieg Buddes ältester Sohn Hans als Partner in das Büro ein. Das größte gemeinsame Projekt war die Erweiterung der Verkehrsfliegerschule, das 1990 abgeschlossen war. Hans Budde jun. erlebte die Übergabe nicht mehr, er erlag 1989 36-jährig einem Krebsleiden.

Kein Gedanke an Ruhestand

Trotz solcher Rückschläge und trotz Erreichen eines Alters, in dem sich andere in den Ruhestand zurückziehen, blieb Budde als Architekt und in zahlreichen Ehrenämtern, unter anderem als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Überseeforschung und Entwicklung, weiter aktiv. 1990 stieg Wolfgang Hübschen als Partner in das Büro ein. Das bekannteste Bauvorhaben von Budde und Hübschen war das 1997 fertiggestellte Osteuropa-Gebäude der Universität.

Ein letztes verantwortungsvolles Ehrenamt übernahm Budde 1989, als er den Vorsitzender der traditionsreichen Bremer Aufbaugemeinschaft übernahm. Sein Lebens-Grundmotiv, etwas gemeinsam zu entwickeln, bezog er in dieser Funktion vor allem auf das schwierige Verhältnis zwischen Bremen und seinen Nachbargemeinden. „Es geht darum, die noch weitgehend betriebene Kirchturmpolitik zu überwinden“, formulierte er 1994. Erst nach seinem 80. Geburtstag gab Hans Budde auch dieses Amt ab. Er starb im November 2002.

Ein bisschen wie das Olympiastadion in München: das von Hans Budde angeregte, aber nie umgesetzte Dach für den Neustädter Hafen.
Quelle: bremer Zentrum für baukultur (bzb)

75 Jahre Kriegsende

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