Vor 50 Jahren

Immer heftiger werdende Proteste aus der Sozialbausiedlung „Hinter den Ellern“ in Hemelingen machten es deutlich: Ein Versuch ist kläglich gescheitert. Wie fast überall in der Bundesrepublik steht man auch in Bremen vor den Scherben eines Experiments, das Soziologen noch vor Jahren als ein Allheilmittel zur Resozialisierung verhaltensgestörter Familien propagierten. Man müsse, hatten Gesellschaftswissenschaftler damals übereinstimmend gefordert, sozial Unangepaßte nur Tür an Tür mit gesellschaftlich intakten Familien ansiedeln, und das Problem der Asozialität löse sich von ganz allein. (WESER-KURIER, 9./10. Januar 1971)

Hintergrund

Mit neuen Großsiedlungen auf der sprichwörtlichen „grünen Wiese“ ging Bremen in den Nachkriegsjahren gegen die Wohnungsnot vor. Zunächst wurde 1956 die Gartenstadt Vahr fertiggestellt, gleich danach bis 1962 die Neue Vahr aus dem Boden gestampft. Doch beseitigt war die Wohnungsnot damit nicht. Anfang 1962 gab es in Bremen nach wie vor 30 Barackenlager mit 3700 Bewohnern: zumeist Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemals deutschen Ostgebieten.

Eines dieser Lager befand sich Hinter den Ellern. Von „ärmlichen und beengten Wohnverhältnissen in den ein- bis zweiräumigen Baracken“ spricht der Historiker Diethelm Knauf. Wohlgelitten waren die Barackenbewohner nicht unbedingt. Sie seien „oft einer gewissen sozialen Ächtung ausgesetzt“, beklagte im Januar 1962 der Bürgerschaftsabgeordnete Heinrich Ahlers von der Gesamtdeutschen Partei (GDP).

Mit einem „Barackenräumprogramm“ wollte der Senat Abhilfe schaffen, binnen dreier Jahre sollten die Bewohner in Schlicht- und Normalwohnungen eine neue Bleibe finden. Eigentlich sollte das Lager Hinter den Ellern schon Anfang 1963 geräumt sein. Doch es ging nicht voran wie geplant, im Frühjahr 1965 hausten noch 370 Menschen in 14 Baracken.

Immerhin waren die leeren Notunterkünfte schon abgerissen, im Jahresverlauf 1965 entstanden dann die neuen Wohnblöcke. Freilich scheiterte das soziale Experiment, Obdachlose und weniger betuchte Familien in der neuen Siedlung unter einen Hut zu bringen. „Das passiert immer dann, wenn man eine zu große Anzahl auf einmal resozialisieren will“, sagt die Hemelinger Quartiersmanagerin Heike Schilling.

Die Siedlung galt als sozialer Brennpunkt, regelmäßig musste sich die Polizei blicken lassen. Inzwischen sieht die Lage anders aus. „Hemelingen hat sich sehr weiter entwickelt“, so Schilling. Die soziale Durchmischung sei viel ausgeprägter als damals. Auch durch das Familienzentrum habe die Straße Hinter den Ellern eine spürbare Aufwertung erfahren.

Holzbaracken als Notwohnungen in der Strasse Hinter den Ellern.

 

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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