Vor 50 Jahren
Ein Niedersachse und ein Bremer prosteten einander im Bremer Rathaus zu. Sie hatten, so bedeuteten sie, allen Grund, miteinander zufrieden zu sein. Und sie sprachen weniger von Niedersachsen oder Bremen. Sie sprachen vor allem von der Wirtschaftsregion Weser-Jade. Der Bremer Bürgermeister Hans Koschnick und der niedersächsische Minister für Wirtschaft und öffentliche Arbeiten, Helmut Greulich, teilten gestern mit, daß die Gesundung des Weser-Jade-Raumes und eine Verstärkung seiner Entwicklungsmöglichkeiten nunmehr gegeben seien. (WESER-KURIER, 17./18. Juli 1971)
Hintergrund
Bei dem Treffen der beiden SPD-Parteifreunde ging es um ein sattsam bekanntes Thema für die Bremer Wirtschaft: die Vertiefung der Weser. Erst in den 1950er-Jahren war die Weser zuletzt ausgebaggert worden, doch das reichte 1971 schon nicht mehr aus. Die neue Zielmarke lautete: neun Meter Tiefe für die immer größer werdenden Schiffe. Der Bremer Bürgermeister Hans Koschnick und der niedersächsische Wirtschaftsminister Helmut Greulich versprachen sich von dem 200 Millionen Mark-Projekt wichtige Impulse für den gemeinsamen Wirtschaftsraum.
Für Bremen als Hafenstadt war es stets eine Lebensfrage, die Weser für den Schiffsverkehr offen zu halten. Schon seit dem 16. Jahrhundert war ihre zunehmende Versandung ein ernsthaftes Problem für den reibungslosen Ablauf des Handels. Seegängige Schiffe konnten den stadtbremischen Hafen an der Schlachte bereits damals kaum noch erreichen, die Fracht musste auf Weserkähne mit wenig Tiefgang umgeladen werden. Ausgeklügelte Baggerexperimente verliefen buchstäblich im Sande. Auch der neue Vegesacker Hafen erfüllte die Erwartungen nicht, die leidige Versandung verstopfte den Fluss immer mehr.
Als sogar die Weserkähne auf Grund liefen, war das Maß voll. Böse Zungen spotteten Mitte des 19. Jahrhunderts, Bremen habe überhaupt keinen Hafen. Den gordischen Knoten durchschlug erst Oberbaudirektor Ludwig Franzius, unter dessen Leitung die „Weserkorrektion“ ab 1887 anlief. Zwischen Bremen und Bremerhaven wurde der unbotmäßige Fluss korrigiert – man baggerte die Fahrrinne bis auf fünf Meter Tiefe aus, die Ufer wurden begradigt, der gesamte Strom in ein engeres Flussbett gezwungen. Acht Jahre dauerte das Mammutprojekt, bei dem 30 Millionen Kubikmeter Sand bewegt wurden.
Doch mit dieser ersten Weserkorrektion war es nicht getan. Weil das Schiffsvolumen ständig zunahm, musste immerzu nachgebessert werden. Bereits 1913 stand die nächste Vertiefung auf sieben Meter an, dann auf acht Meter und nach dem Zweiten Weltkrieg auf 8,7 Meter. Der Franzius-Nachfolger Ludwig Plate dichtete denn auch 1949 beim Wechsel in den Ruhestand: „De Scheepfahrt het nu garnix mehr to klagen!/ De Werserlots, de op de Brügg‘ nu steiht,/ he brukt sik nich mehr veel to plagen.“
Musste der Weserlotse sich nun auch nicht mehr plagen, die Baggerführer waren umso mehr gefordert. Von 1974 bis 1982 währte die insgesamt sechste Weservertiefung, die eigentlich nur eine Vertiefung der Unterweser war. Dass sich die Zahl der Schiffsankünfte in den stadtbremischen Häfen von 1970 bis 1990 nahezu halbiert hat und sich der Umschlag zusehends nach Bremerhaven verlagerte, ändert nichts an der Bedeutung, die den stadtbremischen Häfen zugebilligt wird.
Tatsächlich hat die Bremer Hafenwirtschaft durch die Spezialisierung auf konventionelles Stück- und Schwergut eine Nische gefunden. „Ohne seine stadtbremischen Häfen wäre Bremen nicht nur wesentlich ärmer und unattraktiver – es wäre quasi nicht lebensfähig“, sagt Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Bereits seit 2012 gibt es Planungen für eine abermalige, die dann schon siebte Weservertiefung. Bei Hochwasser sollen künftig Schiffe mit einem Tiefgang von 11,1 Meter Bremen erreichen können.
Nach der erfolgreichen Klage von Umweltschützern sind die Ausbaupläne aber vorerst auf Eis gelegt, der Ausgang ist offen. Mal wieder ist also ordentlich Sand im Getriebe der Weservertiefung, die Fronten sind verhärtet. Mit einem Runden Tisch will die Landtagsabgeordnete Karin Logemann (SPD) aus Berne nun für eine Lösung sorgen. Man kann also immerhin sagen: Es ist etwas im Fluss.