Statue mit Bundesmitteln saniert – der gefallene Dichter wurde von den Nazis vereinnahmt

Manch einer bangte um das Körner-Denkmal, als es plötzlich samt Sockel verschwunden war. Seit mehr als zwei Monaten steht die Statue des freiheitsliebenden Dichters schon nicht mehr an ihrem Platz auf der Rasenfläche am Körnerwall. Der anti-napoleonische Freikorpskämpfer – das Opfer einer politischen Flurbereinigung? Von „abstrusen Mutmaßungen“ spricht Ottmar Struwe von der Landesdenkmalpflege. Tatsächlich wurde die Statue Theodor Körners nicht etwa klammheimlich entsorgt, sondern ganz im Gegenteil sorgsam saniert. Nun kehrt der einst als Nationalheld gefeierte Körner an seinen angestammten Standort im Viertel zurück, am kommenden Mittwoch soll es so weit sein.

So sah es in den ersten Jahrzehnten aus: Der Dichter Theodor Körner stand auf einem Granitsockel.
Foto: Unbekannt

Mag die Statue auch im neuen Glanz erstrahlen, mit dem Namen Theodor Körner kann heute kaum noch jemand etwas anfangen. Das war mal anders, nach seinem Tod im Kampf gegen die Franzosen am 26. August 1813 avancierte der Poet rasch zur nationalen Ikone. Daran hatte sein Vater beträchtlichen Anteil: Mit der posthum herausgegebenen Gedichtsammlung „Leyer und Schwerdt“ legte er 1814 den Grundstein für den Nachruhm seines Sohnes. Fortan galten Leier und Schwert als seine Insignien, kaum eine Darstellung kam ohne sie aus, auch die Bremer Statue macht davon keine Ausnahme.

Mit besonderem Eifer spielten die Nationalsozialisten die Körner-Karte. Als Propagandaminister Joseph Goebbels im Februar 1943 bei seiner Rede im Berliner Sportpalast der Menge zurief: „Nun Volk steh auf und Sturm brich los“, variierte er ein Körner-Zitat. In „Männer und Buben“, einem seiner letzten Kriegs- und Hassgedichte, hatte der 21-Jährige im Sommer 1813 geschrieben: „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los.“ Dass er sich bei Körner bediente, brauchte Goebbels gar nicht zu erwähnen. Ganz bewusst knüpfte er bei den berühmten Dichterworten an – Körner als Pate für eine neue Massenmobilisierung wie einst in den „Befreiungskriegen“.

An der Vereinnahmung Körners beteiligte sich auch die „Bremer Nationalsozialistische Zeitung“ (BNZ). Aus Anlass seines 120. Todestags stellte die BNZ ihn am 26. August 1933 als Vorkämpfer der Bewegung hin, stehe doch „gerade er dem jungen Deutschland nahe wie kein zweiter Dichter“.

Einer, der sich als Repräsentant dieses „jungen Deutschland“ verstand, war der Wiener NS-Gauleiter Alfred Frauenfeld. Bei seinem Besuch in Bremen erklärte der damals 34-Jährige im Februar 1933 unter Anspielung auf Körners erfolgreiche Zeit in der österreichischen Hauptstadt: „Wie einst Theodor Körner und Andreas Hofer das deutsche Volk von Süden aus aufriefen zum Freiheitskampf, so brandete auch nun der Freiheitswille vom Süden herauf über das Land.“

Jeder wusste, wer damit gemeint war: Hitler mit seiner Wiener und Münchener Vergangenheit war aus NS-Perspektive der legitime Nachfolger der alten Heroen.

Epigonale Dramen

Als überschaubar gelten die literarischen Qualitäten des Vielschreibers Körner. Seine Dramen seien „epigonal und leben von geliehenem Pathos“, kritisiert der Germanist Hans-Wolf Jäger. Ohne die Protektion seines prominenten Umfelds wäre Körner aus Sicht des emeritierten Bremer Professors niemals schon zu Lebzeiten so erfolgreich gewesen. „Nur die vaterländischen Gesänge der letzten Lebensmonate geben einen ernsten und eigenen Klang.“ Kein gutes Haar lässt dagegen René Schilling an dem so jung Verblichenen. Der Autor eines Buchs mit dem Titel „Kriegshelden“ schreibt, die romantisch angehauchten Gedichte seines Spätwerks zeigten „exemplarisch die Unreife und Zerrissenheit eines jungen Mannes“.

Starb im Alter von 21 Jahren als Kämpfer des Lützowschen Freikorps: Theodor Körner.
Queklle: Wikimedia Commons

Zu dem rein quantitativ beeindruckenden Gesamtwerk Körners gehört auch ein Lustspiel mit dem Titel „Der Vetter aus Bremen“. Der im August 1812 am Wiener Burgtheater uraufgeführte Einakter ist eine seichte Verwechslungskomödie im Geschmack der Zeit. Ein Vater will seine Tochter mit besagtem Vetter aus dem fernen Bremen verkuppeln. Doch der nachbarliche Verehrer hält dagegen, am Ende verkleiden sich Vater, Tochter und Verehrer als „Schultyrann aus Bremen“. Die arrangierte Ehe platzt und alles wird gut, der Vater willigt in die Liebesheirat ein.

In Erinnerung blieben vor allem seine Kampflieder, schon bald blühte ein wahrer Körner-Kult. Nach dem Sturz Napoleons konnte es den „jungen Wilden“ gar nicht schnell genug gehen mit dem nationalen Verfassungsstaat nach französischem Muster. Einer von ihnen war der friesische Dichter und spätere Revolutionär Harro Harring, ein lebenslanger Körner-Verehrer. Keine Tränen wollte er vergießen, sondern das Andenken Körners wahren: „Wir weinten nicht um deinen Heldentod;/ Wir sahen dich in süßen Träumen sterben./ Du sankst dahin im Freyheit-Morgenroth“, reimte er 1821.

Argwöhnisch beäugten die Herrschenden die Begeisterung für Körner. „Bis zur Reichsgründung war die Erinnerung an Körner ein oppositioneller Akt, getragen vom liberalen Bürgertum“, schreibt Schilling. Den Anstoß für eine Körner-Ehrung in Bremen gab der Bauunternehmer Heinrich Carl Oldehoff. Nach Auskunft seiner Freunde hatte er als junger Handwerksbursche am Grab des Freiheitshelden geschworen, ihm „in seiner Vaterstadt ein bleibendes Andenken zu errichten“.

Für einen Bauunternehmer war das nicht schwer, als Investor hatte man in Bremen auch das Vorrecht der Straßenbenennung. Davon machte Oldehoff Gebrauch, als er 1859 den neu angelegten, U-förmigen Platz am Sielwall auf „Körnerwall“ taufte. Eigentlich sollte nur ein „schlichter Denkstein“ die Mitte des Platzes zieren. Doch Oldehoff starb, ehe er den Plan verwirklichen konnte. Sonderlich lange ruhte das Projekt indes nicht, seine Freunde verfolgten es weiter. Eine passende Gelegenheit bot das Gedenkjahr 1863. In ganz Deutschland wurde am 18. Oktober 1863 der 50. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig groß gefeiert, so auch in Bremen.

Sandstein- statt Granitsockel: das Körner-Denkmal seit 1949.
Foto: Marianne Münzebrock/Archiv

Freilich schritten die Oldehoff-Freunde nicht erst damals zur Tat, sondern schon am 26. August 1863, dem 50. Todestag Körners. Bei einer „erhebenden Körnerfeier auf dem Körnerwall“ beschlossen sie auf Initiative des Journalisten Johann Conrad Hartmann, Geld für den Gedenkstein zu sammeln. Dabei kam mit 1100 Talern mehr zusammen als erwartet. Das Problem: „Diese Summe war zu hoch für einen schlichten Stein, zu niedrig für ein Kunstwerk.“

In dieser Situation sprang der Bildhauer Johann Andreas Deneys ein. Der gebürtige Bremer lebte schon lange in St. Petersburg und erklärte sich nach Angabe der Oldehoff-Freunde bereit, unentgeltlich eine „lebensgroße Statue zu liefern“. Ob er sie auch selbst angefertigt hat, ist nicht einwandfrei zu klären. Ein Korrespondent der Deutschen Kunstzeitung „Die Dioskuren“ erklärte im Februar 1866, Deneys habe „lediglich den Vermittler gespielt“ und schmücke sich mit fremden Federn.

Wie auch immer, am 13. November 1865 traf die Statue in Bremen ein. Eine Woche später gewährte der Senat eine Finanzspritze in Höhe von 272 Talern und nahm das Werk in seine Obhut. „Demzufolge ist Bremen bis heute Eigentümerin des Körnerdenkmals“, schreibt Rolf Kirsch von der Landesdenkmalpflege. Am 26. November 1865 wurde das Denkmal als erste Körner-Statue in Deutschland feierlich enthüllt. Allerdings gab es auch Worte der Kritik. Die „Bremer Morgenpost“ monierte, der Gefeierte stehe „zu Bremen in keiner speciellen Beziehung“.

Die Körner-Verehrer scherte das nicht. In diesen Jahren lag die deutsche Einheit in der Luft, ein nationales Fest jagte das andere. Dabei genossen die Poeten besondere Wertschätzung. Wie in ganz Deutschland, so feierte man auch in Bremen am 10. November 1859 den 100. Geburtstag des „Nationaldichters“ Friedrich Schiller. Ein flammendes Bekenntnis zur nationalen Einheit war das zweite Deutsche Bundesschießen (mehr dazu hier), zu dem im Juli 1865 rund 15.000 Besucher an der Weser kamen. Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 war der Weg zur deutschen Einheit geebnet, im Januar 1871 folgte nach dem deutschen Sieg über Frankreich die lang ersehnte Reichsgründung (mehr dazu hier). Freilich von oben als Werk der deutschen Fürsten, nicht wie bei dem gescheiterten Versuch von 1848 auf Initiative von unten.

Denkmal nicht eingeschmolzen

Nicht ganz klar ist, wieso das Körner-Denkmal im Zweiten Weltkrieg nicht eingeschmolzen wurde. Laut Beate Mielsch, Verfasserin eines Werks zur Geschichte der Bremer Denkmäler, hat das mit dem Körnerwall als Privatbesitz zu tun – das Denkmal befand sich nicht auf öffentlichem Grund. Für den Bau eines Tiefbunkers wurde die Statue nur vorübergehend demontiert. Seit März 1949 stand die Statue nicht mehr auf einem Granitsockel, sondern einem „klobigen Steinsockel“, wie Herbert Schwarzwälder schreibt. Im Rücken Körners gähnte lange Zeit eine kuriose Baulücke (mehr dazu hier).

Ermöglicht wurde die Restaurierung mit Bundesmitteln. Mehr als 400.000 Euro fließen in diesem Jahr in die Wiederherstellung von sieben Denkmälern mit überregionaler Bedeutung im Land Bremen, davon 19.000 Euro in das 1973 unter Schutz gestellte Körner-Denkmal. Auf Vordermann gebracht wurde der lädierte Dichter im Auftrag von Immobilien Bremen in der Werkstatt Lothar Rieke in Worpswede.

Wenn Körner am Mittwoch frisch gereinigt und standsicher nach Bremen zurückkehrt, wird er auch wieder vollständig sein. Sein seit etlichen Jahren fehlendes Schwert wurde nachgegossen, berichtet Denkmalpfleger Struwe. „Und so befestigt, dass es keiner wieder herausziehen kann.“

Musste lange ohne Schwert auskommen: die Körner-Statue am Körnerwall.
Foto: Frank Thomas Koch

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